Der 20jährige Freeskier Adrian Sauter absolviert im Winter 2013/14 die ersten drei Camp-Levels des Freeride-Ausbildungsprogramms des Österreichischen Alpenvereins – Risk’n’Fun. Auf PowderGuide berichtet Adrian von seinem zweiten Camp, dem fünftägigen ‚Next Level’, das vom 12. bis 16. Februar am Kitzsteinhorn stattfand. Hier findet ihr Adrians Report von seiner zweiten Camp-Teilnahme …
Gegen Mittag des Anreisetages treffen wir uns an der Talstation der Bahn zum Kitzsteinhorn. Bereits in der Gondel lerne ich die ersten anderen Teilnehmer des Risk’n’Fun Camps ‚The next Level’ kennen. Schnell kommt gute Stimmung auf, denn wie ich aus der Gondel sehen kann, ist die Schneelage doch nicht so trist, wie ich anfangs befürchtet habe. Oben angekommen checken wir erst einmal in unsere Unterkunft ein. Einquartiert sind wir im Bundessport- und Freizeitzentrum Kitzsteinhorn, das auf über 2000 Meter Höhe liegt.
Kaum angekommen, geht es auch schon los: Als Warm-Up führen wir in Gruppen eine Übung in der Lawinenverschüttetensuche durch. Und das häufige Üben während der vorhergegangenen Trainingssession zahlt sich aus: innerhalb kurzer Zeit orten wir die zu suchenden Sender. Nach dem Abendessen sitzen wir gemeinsam im Kaminzimmer und planen den morgigen Tag.
Am nächsten Morgen geht’s dann gleich ins weitläufige Backcountry des Skigebiets. Schnell wird deutlich, welche Vielzahl an Varianten und Tourenmöglichkeiten das Gelände am Kitzsteinhorn bietet. Daher ist es wenig verwunderlich, dass hier die Freerider-Dichte entsprechend hoch ist.
Heute steht das Thema Geländebeurteilung auf dem Programm, – und wir finden schnell einige super Lines. Bei einem rund zweistündigen Aufstieg kommen wir dann leicht ins Schwitzen, während unsere Aufstiegstechnik und unser Material auf die Probe gestellt wird. Zum Glück unterstützt uns Bergführer Berni tatkräftig und auch unsere Trainerin Ursl steht uns mit vielen guten Tipps zur Seite. Immer wieder ermuntert sie uns, das Gelände um uns herum wahrzunehmen. Wo sind die Safe-Spots und wo könnte es besonders gefährlich sein? Und schnell wird klar: Aufmerksamkeit zahlt sich immer aus! Wir entdecken neben unzähligen Windzeichen und Triebschneepaketen eine aufmerksame Gämse, die uns misstrauisch beäugt. Die anschließende Abfahrt lässt keine Wünsche offen und spätestens jetzt dürfte der kraxelnde Vierbeiner neidisch auf unser Können geworden sein.
Auch das Kartenlesen gehört zum heutigen Tagesprogramm, was mich besonders interessiert. Trotz einiger Vorkenntnisse bin ich ziemlich beeindruckt, wie viel man aus einer 1:25.000 Karte herauslesen kann. Gerade fĂĽr die Tourenplanung der nächsten Tage wird uns das noch von Nutzen sein.Â
Als ich am nächsten Morgen aus dem Fenster schaue, bin ich hoch erfreut! Frau Holle bescherte uns über Nacht ca. 20 cm Neuschnee und ein wunderbarer Sonnenaufgang versüßt den Morgen. Aufgrund der exzellenten Bedingungen liegt es nahe, dass wir unsere Tagesplanung ändern und anstelle der geplanten Tour, genießen wir unsere Runs in der Nähe der Lift. Feinster Pulverschnee staubt nur so herum und das endlose Grinsen in unseren Gesichtern geht selbst während der Liftfahrt nicht weg. Bei soviel Fahrspaß sind Theorie und gute Vorsätze schnell vergessen. Doch durch das Buddysystem und indem wir die obligatorischen Entlastungsabstände einhalten, reduzieren wir das Risiko eine Lawine auszulösen oder gar verschüttet zu werden. In einem Tal unterhalb der Mittelstation finden wir später unser ideales Übungsgelände. Dort simulieren wir zum Beispiel einen Lawinenabgang und „spielen“ eine Lawinenrettung im (geübten) Ernstfall durch. Dann vertiefen wir unser Know-how in Sachen Geländebeurteilung: insbesondere geht es um das richtige Erkennen und Schätzen von Hangexposition und -Steilheit. Was ich als praktisches Snow-how mitnehmen kann ist, dass die Hangneigung recht zuverlässig eingeschätzt werden kann und gegebenenfalls kann man sein Schätzergebnis mit den Stöcken nachmessen (Stockpendeltrick). Nach einer Suchübung wird dann wieder aufgefellt und wir steigen zurück ins Skigebiet.
Der nächste Tag bringt mein persönliches Highlight während des Camps ‚The next Level’. Er stellt sich als sehr anspruchsvoll, aber auch genauso lehrreich dar. Ziel ist eine selbst geplante Tour auf den nahen Tristkogel durchzuführen. In Kleingruppen hatten wir uns zuvor intensiv über die möglichen Routen auf den Gipfel Gedanken gemacht. Dennoch ist es eine große Herausforderung selbständig den Aufstieg durchzuführen. Unser Bergführer tritt absichtlich in den Hintergrund und so müssen wir viele Entscheidungen selbst treffen, was uns nicht immer leicht fällt. Was uns zugute kommt ist, dass wir bereits ein eingespieltes Team sind und jeden Teilnehmer mit in die Diskussion einbeziehen. Als ich an der Reihe, die Spur beim Aufstieg anzulegen, fällt es mir anfangs gar nicht leicht. Immer wieder müssen wir anhalten, Strategien besprechen und die einzelnen Hänge beurteilen. Noch nie war ein Aufstieg so herausfordernd, denn die Tour erweist sich als vielschichtig und komplex. Und noch nie habe ich das Motto von Risk'n'Fun „wahrnehmen, beurteilen, entscheiden“ so gut verstanden wie heute!
Nach der phänomenalen Abfahrt und tollen Powder-Fotos, gibt es am Abend viel zu besprechen. Unser sehr umsichtiges Verhalten bei der doch angespannten Lawinensituation hat unserem Bergführer Berni gut gefallen. Wir gehen noch einmal ins Detail und analysieren unsere getroffenen Entscheidungen. Die gute Kommunikation in der Gruppe habe ich die ganze Zeit als sehr positiv empfunden. Das merkt man auch nach dem Abendessen, als wir eine Podiumsdiskussion durchführen. Das Thema lautet, „Freerider – bestrafen oder ausbilden?“; interessante Ansätze und kontroverse Meinungen prägen diesen Abend. Gewürzt wird unsere Diskussion durch eine nötige Portion Humor und Ironie. Insgesamt ein sehr gelungener Abend!
Eigentlich wollen wir das Level Zwei mit ein Paar SchwĂĽngen im unverspurten Powder ausklingen zu lassen, doch am letzten Tag und zum GlĂĽck nur da, spielt das Wetter nicht mehr mit. Doch eigentlich ist das wie bestellt! Denn was fehlt noch auf unserer Kompetenzliste? Das Navigieren mit Karte, Kompass und Höhenmesser. Und das unter Realbedingungen mit miserabler Sicht und eisigem Wind. Nachdem wir unsere Position am Gletscherrand bestimmen konnten, bekommen wir einen kleinen Einblick in die so komplexe Welt der Navigation. Auch ohne GPS und Smartphone ist mit guten Navigationskenntnissen vieles möglich und wir wenden unser Erlerntes gleich an. Mitten im Gelände sammeln wir uns, fellen ab und fahren im dichten Nebel ab. Ein mulmiges GefĂĽhl, da man keine einzige Geländeform erkennt und sich nur langsam herunter tasten kann. Doch besser könnte es nicht sein, um das Next Level abzuschlieĂźen. So schnell wird niemand das Next Level vergessen, denn wir hatten ausgezeichnete Bedingungen und waren eine super Crew.Â
Und den Abschluss meiner Teilnahme am Risk’n’Fun Projekt, den Chillout? Das kann ich natürlich kaum erwarten.