Der Nebel hängt im Tal, die Tage werden kürzer, die Nächte kühler, die Getränke wärmer. Branchenmagazine berichten entweder begeistert oder kritisch von den Veranstaltungen, die jedes Wochenende jeden Gletscher heimsuchen. Es ist die schönste Zeit des Jahres. Es ist Herbst. Aber gerade für Skifahrer, die eher (das heißt ausschließlich) abseits der Piste unterwegs sind, birgt die Zeit vor dem richtigen Winterbeginn und den ersten starken Schneefällen eine erkleckliche Anzahl an Gefahren, die beachtet werden sollten.
Was kann also die Vorfreude auf die ersten Tage im Schnee trüben?
Die Steine
Im Frühwinter verdeckt der Schnee die gerade in höheren Lagen sehr gefährlichen Stein- und Felsformationen nur oberflächlich. Solche Sharks stellen eine signifikante Gefahrenquelle dar, weil es fast unmöglich ist, ihre Position vorherzusagen – meist findet man sie erst wenn es zu spät ist. Leider passiert es viel zu oft, dass sich motivierte Freerider zu Saisonbeginn an nur leicht eingeschneiten Felsen schwer verletzen. Vor allem Geländeunkundige sollten sich genau überlegen, welche Linie sie fahren, wenn sie nicht hundertprozentig über die Schneelage Bescheid wissen. Im besten Fall ist das Sportgerät kaputt, im schlechtesten Fall der Körper.
Die Spalten
Eine weitere giftige Gefahr des Frühwinters betrifft Gletschergebiete, wir sprechen logischerweise von Gletscherspalten. Wo und wann Risse im Gletschereis auftauchen folgt gewissen Regeln – Übergänge in der Gletscherform sind besonders gefährlich. Wenn das Eis beispielsweise über eine Geländestufe fließt, entstehen Spannungen, die Risse verursachen. An der Eisoberfläche abfließendes Wasser bildet in der Regel keine langen Spalten, wie sie durch die Eisbewegung entstehen, sondern Gletschermühlen – runde Löcher durch die das Wasser von der Oberfläche in, beziehungsweise unter den Gletscher gelangt. Gletschermühlen sind auch auf ansonsten harmlos wirkenden Teilen des Gletschers anzutreffen.
Gletscher und mit ihnen die Spalten verändern sich von Jahr zu Jahr, mitunter beträchtlich, vor allem nach einem so heißen Sommer wie dem letzten. „Ich weiß eh von letztem Jahr wo die Spalten sind" ist keine gute Risikomanagementstrategie. Generell gilt es besonders nach den ersten Schneefällen aufzupassen, wenn Spalten verborgen aber nicht zugeschneit sind. Am Besten ist es, unbekannten Zonen fernzubleiben, auch wenn Spuren durchführen.
Der Schnee
Es gilt als universelles Gesetz, dass Schnee alles ansehnlicher macht. Schnee nimmt der Natur die Ecken und Kanten und verbreitet jeden Winter Schönheit und Ruhe. Die frühwinterliche Schneedecke ist aber nicht nur hübsch anzusehen, sondern legt häufig auch den Grundstein für den weiteren Winter.
Im Herbst folgen auf die ersten mehr oder weniger mageren Schneefälle häufig relativ lange Phasen mit stabilem, sonnigem Wetter. Die Schneedecke mag zwar noch nicht sehr mächtig sein, aber schon recht geringe Mengen reichen um den Boden zu isolieren. Das heißt, dass auch Boden der vor dem Schneefall gefroren war unter dem Schnee bald wieder um die 0 Grad hat. Die Schneeoberfläche dagegen kühlt bei ruhigem Strahlungswetter stark aus. Es entsteht ein scharfer Temperaturgradient innerhalb der Schneedecke zwischen dem warmen Boden und der sehr kalten Oberfläche. Das begünstigt die aufbauende Umwandlung und die Kristalle werden kantig und immer bindungsloser. Das ist erstens nicht so toll zum drin Skifahren, da man um so mehr auf den Untergrund durchfällt, und bleibt zweitens oft den ganzen Winter über ein Problem als bodennaher Schwimmschnee. Wenn sich dann noch der ein oder andere Harschdeckel bildet, es nochmal ein bisschen drauf schneit und der Wind geht, ist die Ausgangslage denkbar ungünstig. Die Schneedecke kann gerade bei geringer Schneemächtigkeit leicht gestört werden. Auch wenn so wenig Schnee liegt, dass eine Verschüttung unwahrscheinlich ist (kann natürlich nie komplett ausgeschlossen werden), reicht es unter Umständen um über Felsen mitgerissen zu werden und sich zu verletzen.
Die Leute
Neben den Faktoren Gelände, Wetter und Schnee ist ein nicht unwichtiger Aspekt des Saisonbeginns das soziale Umfeld. Das ist wahrscheinlich die schwierigste Herausforderung des Frühwinters. Zum einen platzt man vor Motivation sobald man das erste Mal in der Saison Gletscherluft geschnüffelt hat, zum andern ist es meistens gesünder, gerade jetzt die Zen-buddhistische Gelassenheit eines erfahrenen Kiffers an den Tag zu legen.
Warum? Erstens sind die ersten Schneetage des Winters naturgemäß am Gletscher, und ebenso naturgemäß wohnst du nicht am Gletscher. Der Körper ist um diese Jahreszeit die Höhe wahrscheinlich einfach nicht gewöhnt und ermüdet dementsprechend schneller. Außerdem sind wintersportspezifische Bewegungsmuster über den Sommer ein wenig eingerostet.
Zweitens betrifft das nicht nur dich, sondern die meisten Menschen da oben. Viele übermotivierte, eventuell von der Höhe überforderte Menschen. Tiefstehende Sonne. Und Alkohol. Verglichen mit der Liftschlange jeder Gletschergondel im Herbst ist ein Moshpit ein Workshop für Ausdruckstanz. Tipp hierzu: Körperlich vorbereitet in die Saison gehen. Auf der Piste gut einfahren und auch einmal ein Technikprogramm einschieben. Nicht stressen lassen. Müsliriegel und Wasser dabeihaben. Bier nachher umso mehr genießen.
Stephan Skrobar ist staatlich geprüfter Skilehrer und Skiführer, fährt im Fischer Freeski Team, ist Alpinausbildner für den steirischen Skilehrerverband, Team Manager des Pieps Freeride Teams und Leiter vom Die Bergstation Freeride & Alpin Center. Stephan betreibt auch eine Kommunikationsagentur und liebt gepflegten Punkrock. Beide (Stephan und Punkrock) sind nicht immer ernst zu nehmen.