Zum Inhalt springen

Cookies 🍪

Diese Website verwendet Cookies, die Ihre Zustimmung brauchen.

Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung

This page is also available in English.

Zur Powderguide-Startseite Zur Powderguide-Startseite

Sprachauswahl

PowderGuide durchsuchen

Safety-Themen

Lawine beobachtet oder selber ausgelöst? Bitte melden!

RĂĽckmeldungen sind wichtig fĂĽr den Lawinenwarndienst.

von Steffen Kruse • 06.01.2016
„Fernauslösung aus ca. 200 Meter, Anrisslänge ca. 120 Meter, Höhe max. 1 Meter, Kegel 250 Meter, ...". Diese Lawinen-Meldung erreichte am 19.12.2015 um 15:15 Uhr den SLF-Lawinenwarndienst. Wie es dazu kam und warum solche Meldungen nützlich für das Lawinenbulletin oder die Rettungsdienste sind, beschreiben Steffen Kruse von PowderGuide und Thomas Stucki vom SLF-Lawinenwarndienst in diesem gemeinsamen Text.

Es war der 19.12.2015, als mein Kollege und ich auf die erste Skitour der Saison Richtung Flüela Schwarzhorn (Nähe Davos, GR) aufbrachen. Erwartungen, auf frischen, knietiefen Powder zu stossen, hatten wir nicht, es hatte seit Wochen nicht geschneit und es herrschte „geringe" Lawinengefahr. Wir wollten einfach mal schauen wie es „da oben" so aussieht, die Berge, das Wetter und die Ruhe geniessen. Die nicht gerade üppige Schneeunterlage machte uns schnell klar, dass es spätestens bei der Abfahrt erhöhte Aufmerksamkeit brauchen würde, um den versteckten Steinen (Sharks) auszuweichen und nicht frühzeitig die Saison verletzungsbedingt beenden zu müssen.

Unterwegs zur Schwarzhornfurgga

Nach einigen hundert Höhenmetern hatten wir die erste Steilstufe vor uns, die wir beide von der Schneelage allerdings in keinster Weise als kritisch beurteilten. Kurze Zeit später erreichten wir ein Plateau, von dem aus wir zum Sattel blicken konnten. Wir stiegen langsam weiter und besprachen die möglichen Abfahrtsvarianten, wobei ich auch vor einem gewissen Hangabschnitt warnte, da ich dort schon einmal ein kleines Schneebrett ausgelöst hatte. Auch unterhielten wir uns über mögliche Aufstiegsvarianten, wobei wir auf Grund der Lawinensituation, der allgemeinen Gegebenheiten und der alten Aufstiegspur keinerlei Bedenken hatten und somit auch keine Notwendigkeit für meine „safere" Aufstiegsvariante sahen.

Bereits kurz nach der Situationsbesprechung und der Abwägung der verschiedenen Möglichkeiten hörten und spürten wir eine deutliche Setzung. Wir schauten uns an und waren mehr als gewarnt, allerdings zu spät, denn kurz darauf folgte eine weitere Setzung, der Blick zum Sattel zeigte nichts Gutes, großflächig setzte sich der Hang in Bewegung. Es brauchte keine Worte, um die Ernsthaftigkeit unserer Situation zu verstehen, dennoch rief ich lautstark....renn! Wir rannten beide weg und entkamen so knapp der Lawine. Wir waren voller Adrenalin, hatten erstarrte Gesichtszüge und blickten uns ungläubig an. Das, was gerade innerhalb von Sekunden geschehen war, hatten wir unter den aktuellen Voraussetzungen überhaupt nicht erwartet. Wir brachen die Tour ab und waren im Tal einfach nur glücklich, dass die vermeintlich sichere Geniesser-Tour nicht einen ganz anderen folgenschweren Ausgang genommen hatte.

Zuhause angekommen meldete ich meine Beobachtung sogleich dem SLF über das Onlinetool und fügte Bilder hinzu. Dies war für mich wichtig, um jeden „da draußen" über die verborgene und unerwartete Gefahr zu informieren und evtl. anderen so ein Erlebnis oder Schlimmeres zu ersparen."

Safety-Themen
presented by

In der Lawinenwarnzentrale

Steffens Beobachtung gelangte um 15:15 Uhr in die Lawinenwarnzentrale am SLF. Die Lawinenwarner waren gerade beim sogenannten „Briefing", ihrer zweimal täglich stattfindenden Lagebesprechung. Die Meldung kam gerade rechtzeitig, um noch in die Prognose für den nächsten Tag einzufliessen. Dank der Fotos war den Lawinenwarnern sofort klar, dass die Lawine in einer bodennahen, kantig aufgebauten Schneeschicht angerissen und die Situation brenzlig war – brenzliger als prognostiziert. Ein Rückruf an Steffen zur Klärung der näheren Umstände zeigte, dass sich die Altschneesituation mit wenig Neuschnee deutlich verschärft hatte: Selten war der Frühwinter so schneearm wie dieser. Während an vielen Orten fast kein Schnee lag und eher Wanderverhältnisse vorherrschten, gab es erst oberhalb von rund 2600 m wenige grössere, zusammenhängende Schneeflächen. Die dünne Schneedecke hatte sich an schattigen Hängen stark umgewandelt und war dadurch sehr weich und bindungsarm. Zuoberst lagen rund 15 cm Schnee, die einige Tage zuvor bei milden Temperaturen gefallen waren. Sind schwache Schneeschichten vorhanden und wird diese schwache Schneedecke eingeschneit, spricht man von einem Altschneeproblem . Bei dieser Lawine war genau dies, die dünne und ungünstige Altschneedecke, die von gebundenem Schnee überlagert wurde, das Hauptproblem. Solche Situationen bleiben in der Regel über mehrere Wochen erhalten, dürften uns also diesen Winter noch weiter beschäftigen.

NĂĽtzliche RĂĽckmeldungen

Die Meldung von Steffen war ausserdem Mitte Dezember eine von wenigen und daher besonders wertvollen Informationen aus dem Gelände. Aufgrund der Schneearmut waren zu dem Zeitpunkt nur wenige Leute unterwegs. Aber auch im Allgemeinen tragen Rückmeldungen aus dem Gelände zu einer besseren Datenlage und besseren Prognose der Lawinengefahr bei – egal ob Neuschnee, Lawinen, Wummgeräusche, Rissbildungen, Triebschnee beobachtet wurde – oder auch nichts von alledem. Seit diesem Winter gibt es für die Leute, die in den Schweizer Alpen unterwegs sind, eine vereinfachte Möglichkeit, eigene Beobachtungen aus dem Gelände direkt an den Lawinenwarndienst des SLF zu schicken - über die SLF-App „WhiteRisk" oder die SLF-Webseite. Der Lawinenwarndienst freut sich, via dieses Tool von Euren Beobachtungen zur erfahren. Wie es funktioniert, ist hier beschrieben.

Übrigens: Auch in einem Skigebiet ist es wichtig, ausgelöste Lawinen dem örtlichen Pisten- und Rettungsdienst zu melden, auch wenn niemand zu Schaden gekommen ist. Ohne den Abgang selbst beobachtet zu haben, ist es nämlich oft nicht eindeutig, ob jemand verschüttet wurde oder nicht. In einem Skigebiet führt diese Unklarheit vielfach zu vorsorglichen Suchaktionen, die aufwändig und teuer sind. Die Mitteilung an den Pisten- und Rettungsdienst: „Wir haben diese Lawine ausgelöst, es ist niemand drin", kann also viel Aufregung und Aufwand verhindern.

Von: Steffen Kruse (Powderguide) und Thomas Stucki (SLF-Lawinenwarndienst)

Anmerkung der Redaktion:

Auch die Lawinenwarndienste anderer Regionen wissen Rückmeldungen zu schätzen und bieten teilweise entsprechende Meldemöglichkeiten, beispielsweise für Tirol 

Auch unser Schneestöberer Lukas Ruetz hat einen informativen Artikel zur Thematik auf seine Homepage verfasst. Link zu seinem Artikel.

Ă„hnliche Artikel

Kommentare

Safety-Themen
presented by