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Schnee von morgen

Schnee von morgen | Corona, Camping und der Klogang am Berg

Wo es drückt.

von Benjamin Stern (ÖAV) 30.11.2020
„Der Sommer war gut, sogar besser als in den Vorjahren.“ Das konstatiert Petra Zwölfer vom Hotel Lamm im Bergsteigerdorf St. Jodok, Schmirn- & Valsertal. Sie bestätigt damit einen Trend, der auch in anderen Regionen bemerkbar war: Corona hat das Frischluft- und Bewegungsbedürfnis der Bevölkerung gesteigert. Zurecht, wenn man bedenkt, dass die Ansteckungsgefahr in geschlossenen Räumen deutlich größer ist als im Freien.

Wirtschaftlich ist der Sommer also vielerorts besser ausgefallen als anfangs befürchtet und von den gesundheitlich positiven Effekten durch Outdoor-Sport haben dieses Jahr mehr Menschen profitiert. Ein guter Punkt inmitten zahlreicher Negativmeldungen.

#vanlife

Doch auch dieser Punkt hat eine andere Seite: In einigen Regionen hat die unter dem Hashtag „#vanlife“ beworbene Freiheit, seinen Campingbus überall zu parken, zu einem regelrechten Ansturm durch Wildcamper*innen geführt – mit teils negativen Auswirkungen auf die Natur. 

Einer dieser Hotspots war der Tiroler Bezirk Reutte. Obwohl die Rechtslage in Tirol eindeutig ist: Das Campieren außerhalb von Campingplätzen ist verboten. Davon ausgenommen ist lediglich das alpine Notbiwak (siehe: Campen in den Bergen – was ist erlaubt?)

„Der naturverbundene Alpinist, der hin und wieder auf einem einsamen Gipfel nächtigt, ist nicht das große Problem. Das Problem ist die schiere Menschenmasse, mit der wir mittlerweile in einigen Bereichen konfrontiert sind“, berichtet Albert Kerber von der Bergwacht Reutte. 

Am Säuling haben teilweise über 40 Personen pro Nacht ihre Lager aufgeschlagen. Zwischen Plansee und der Grenze Ammerwald, auf einer Strecke von 10 Kilometern, hat die Bergwacht an Sommerwochenenden bis zu 800 Wildcamper*innen gezählt. Kerber schätzt, dass dieses Jahr in seinem Bezirk ca. 3.000 Vergehen verzeichnet werden. Meist bleibt es bei einer Ermahnung, bei groben Verstößen oder bei Uneinsichtigkeit müssen die Betroffenen aber mit Strafen bis zu 1.000 Euro rechnen. 

Auch wenn viele Camper*innen sich selbst als naturverbunden bezeichnen würden, so bestätigen die Ausführungen Kerbers, dass das nicht auf alle zutrifft: Allein am Säuling sammelt das Deutsche Bundesheer pro Jahr ca. 100kg Müll ein. Das Problem habe in den vergangenen Jahren zugenommen und sich seit der Coronakrise noch einmal verschärft. 

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Die Klosettfrage

Keine Lust, den Kontrolleur zu spielen, hat ein Bauer im Senderstal. Es sind spezielle Hinterlassenschaften der Wildzelter*innen, die ihn besonders stören: „Wenn auf meinem Feld acht Personen nächtigen, heißt das auch, dass diese acht Leute irgendwann aufs Klo müssen – dort, wo meine Kühe grasen,“ so der Landwirt. 

Da derartige Meldungen aus mehreren Regionen bekannt sind, hat der Österreichische Alpenverein gemeinsam mit dem Programm Bergwelt Tirol – Miteinander Erleben, den Tiroler Schutzgebieten und der Landwirtschaftskammer Tirol eine Kampagne unter dem Titel „Alles Wurst?!“ ins Leben gerufen. Ziel ist, das Thema „Klogang am Berg“ zu enttabuisieren und durch Aufklärungsarbeit dazu beizutragen, den sensiblen Hochgebirgsraum zu schonen und Konflikte mit anderen Lebensraumpartner*innen zu vermeiden. 

Erleichterung

Folgende Empfehlungen sollen für Erleichterung sorgen:

  • Wo vorhanden, immer Toiletten-Infrastruktur nutzen
  • Abstand halten zu Bächen, Seen und Tümpeln
  • Klopapier verwenden (verrottet deutlich schneller als Papiertaschentücher) bzw. gebrauchtes Papier wieder mitnehmen
  • Notdurft einschaufeln oder unter Steinen/Zweigen verstecken oder im Tal entsorgen
  • Stadel, Reviereinrichtungen und Gerätschaften sind keine Klos
  • Das gilt auch für Hunde

Die Kampagne ist der Teil der Aktion "Saubere Berge", mit der sich der Alpenverein schon seit 50 Jahren für Abfallvermeidung im Gebirge einsetzt. 

Winterruhe?

Auch wenn coronabedingt noch viele Fragezeichen über der Wintersaison schweben, so ist doch davon auszugehen, dass sich der Outdoor-Trend auch in den nächsten Monaten fortsetzen wird. Dabei ist vor allem ein weiterer Zuwachs beim ohnehin schon boomenden Skitourensektor zu erwarten. „Die Lawine rollt“ – so titelte der Spiegel kürzlich in Anspielung auf den bevorstehenden Rekord-Skitourenwinter und die zu erwartende Zunahme an unerfahrenen Personen. Im Sommer hat sich diese Zunahme in der Unfallstatistik signifikant niedergeschlagen: Im Vergleich zum Durchschnittswert der vergangenen zehn Jahre gab es um 30 Prozent mehr Alpinunfälle. Daher wird eindringlich appelliert, das Ausbildungsangebot der alpinen Vereine und Bergführerbüros zu nutzen. 

Was die Wildcamper*innen betrifft, so geht Albert Kerber davon aus, dass diese temperaturbedingt weniger werden. Wobei angesichts der noch unklaren näheren Zukunft der Beherbergungsbetriebe eine genaue Prognose schwierig ist. „Wir bleiben jedenfalls optimistisch“, hofft Petra Zwölfer auf eine baldige Öffnung ihres Hotels im Bergsteigerdorf St. Jodok, Schmirn- & Valsertal. 

Aktuell sind wir zur Eindämmung von Covid-19 aufgerufen, uns in „rücksichtsvollem Verhalten“ zu üben. Für einen möglichst freudvollen Winter für alle wäre wünschenswert, dieses Verhalten auch auf den Berg zu übertragen. 

Speziell für Wildtiere ist der Winter eine herausfordernde Jahreszeit, in der sie sorgsam mit ihren Energiereserven umgehen müssen. Störungen durch Wintersportler*innen können für sie teilweise lebensbedrohlich sein. In einem der nächsten „Schnee von Morgen“-Beiträge wird dieses Thema näher behandelt. 

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