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Schnee von morgen

Schnee von morgen | Die Theorie der planetaren Grenzen

Bis an die Grenzen – und darüber hinaus?!

von Lisa Amenda 22.02.2021
Zu unserem letzten Schnee von morgen-Beitrag gab es eine rege Diskussion rund um das Thema Nachhaltigkeit im Wintersport und im allgemeinen. In den Kommentaren ist häufiger der Begriff "planetare Grenzen" gefallen. Deswegen wollen wir den heutigen Beitrag dazu nutzen, eben diesen Begriff und die dahinter stehende Theorie kurz zu erklären. Wo stoßen wir als Menschen an die Grenzen unseres Planeten? Und was passiert, wenn wir diese Grenzen überschreiten?

Menschen haben Grenzen, die Erde auch

Im Wintersport wollen wir oftmals unsere Grenzen ausloten. Wir brüsten uns damit, an unsere Grenzen gegangen zu sein oder vielleicht darüber hinaus. Wir wollen wachsen und uns in unserem Sport weiterentwickeln. Dazu ist es notwendig, unsere Grenzen immer mal wieder zu hinterfragen, auszuloten und neu zu setzen. Doch es gibt auch andere Bereiche, wo es uns vielleicht nicht so gut tut, immer an unserer eigenen Grenze zu sein. Dann ist es irgendwann genug. Es reicht. Und wir wollen nur noch auf Pause drücken. Die Reserven sind ausgezehrt, die Vorräte leer. Damit sind wir nicht allein: Auch unsere Erde hat ihre Grenzen. Und leider kann sie das Ausloten der Grenzen nicht nutzen, um weiter zu wachsen, wie wir im Sport. Wenn die planetaren Grenzen erschöpft bzw. ausgereizt sind, geht es bei der Erde eher in die andere Richtung. Doch wo liegen ihre Grenzen und was heißt das genau?

Die Idee hinter der Theorie

Grundsätzlich beschäftigt sich die Theorie der planetaren Grenzen mit der Frage, wie belastet die Erde ist bzw. ob die Erde schon überlastet ist. Und vor allem inwiefern der Mensch dazu beiträgt. Wir befinden uns nicht mehr im Holozän, sondern sind im Anthropozän angekommen - dem Zeitalter, in dem der Mensch einen maßgeblichen Einfluss auf unseren Planeten hat.

Den Anstoß zur spezifischern Auseinandersetzung mit dem Thema gab es 2008 auf einem Wissenschaftsforum in Schweden, bei dem sich WissenschaftlerInnen und unterschiedliche Interessengruppen überlegten, welche Wechselwirkungen zwischen menschlichem Handeln und ökologischen Prozessen bestehen. Nach Ansicht der WissenschaftlerInnen kann sich die Menschheit innerhalb der Grenzen dieser ökologischen Prozesse weiter- und fortentwickeln. Werden die Grenzwerte jedoch überschritten, kann das zu Veränderungen der ökologischen Rahmenbedingungen führen. Das bedeuetet wiederum ein Risiko für künftige Generationen.

"Planetare Grenzen" wurde dann als Begriff im Jahr 2009 etabliert. 29 internationale Wissenschaftler schlossen sich in einer Arbeitsgruppe um Johan Rockström, Direktor des Stockholmer Resilienz-Zentrums, zusammen und identifizierten zunächst neun Bereiche, in denen die Grenzen der Belastbarkeit unseres Planeten quantifizierbar sind. Diese Bereiche werden als planetare Grenzen oder auch als kritische planetare Grenzen bezeichnet.

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Neun Bereiche der planetaren Grenzen

Es wurden neun Prozesse definiert, über die sich die Widerstandskraft und die Belastungsgrenzen des Planeten bestimmen lassen:

1. Verlust der Artenvielfalt

2. Klimawandel

3. Biogeochemische Kreisläufe

4. Abbau der Ozonschicht

5. Abholzung und Änderung der Landnutzung

6. Ozeanversauerung

7. Süßwassernutzung

8. Belastung der Atmosphäre mit Aerosolen

9. Freisetzung von neuartigen Stoffen

Auf der oben dargestellten Grafik von Steffen et al. werden die definierten Prozesse dargestellt. Nach außen hin ist jeweils der Belastungsspielraum gezeigt. Wenn diese Belastungsgrenzen erreicht werden, oder wie oben zu sehen, überschritten werden, besteht die Gefahr von irreversiblen Schäden an der Natur und somit an der Lebensgrundlage von uns Menschen.

Bei einigen Prozessen gibt es Kippelemente ("Tipping Points") im Erdsystem. Werden diese Kippelemente überschritten, kann es zu unumkehrbaren Veränderungen kommen. Die Grenzen sind so definiert, dass an den "sicheren Handlungsspielraum" eine "Zone der Unsicherheit" anschließt. Diese Unsicherheit besteht, weil die komplexen Zusammenhänge im System nicht hundertprozentig bestimmt werden können. Die Menschheit soll zudem noch die Möglichkeit haben, entsprechend zu handeln. Außerdem sind einige Erdsystemprozesse sehr träge, wie zum Beispiel das Klimasystem. Das heißt, dass hier Änderungen erst nach einer gewissen Zeit eintreten. Im Anschluss folgt die gefährliche Zone, in der eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Beeinträchtigung des Systems besteht.

Für jeden Prozess wurden unterschiedliche Messgrößen definiert. Beim Klimawandel zum Beispiel die CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Die Grenze liegt hier bei 350 ppm und wir haben sie mit 405 ppm bereits deutlich überschritten. Beim Verlust der Artenvielfalt die Messgröße die die Aussterberate in Anzahl der Arten pro Million pro Jahr (E/MSY). Die Grenze ist hier mit 10 E/MSY definiert und wir lagen laut Steffen et. al im Jahr 2015 bei 100-1000 E/MSY.

Ursprünglich wurde das Konzept nur im globalen Maßstab angewandt. Allerdings wurde dabei nicht beachtet, dass einige Prozesse regional sehr unterschiedlich auftreten. So wurden Grenzwerte in einigen Regionen überschritten, ohne globale Auswirkungen zu haben. 2015 wurde die Theorie überarbeitet und es wurden sub-globale Grenzen definiert. Diese regionalen Grenzen haben zwar nicht unbedingt die gleichen Einheiten wie die globalen Grenzen und werden in der Grafik oben auch nicht berücksichtigt, sie bieten aber die Möglichkeit das Ausmaß der Nutzung unserer Erdsysteme auch auf regionaler Ebene zu beurteilen.

Global gesehen sind die Bereiche Landwirtschaft und Ernährung für die Überschreitung von vier der insgesamt neun Belastungsgrenzen verantwortlich. Dazu zählt vor allem übermäßiger Nährstoffeintrag in terrestrische und aquatische Ökosysteme sowie ein übermäßiger Landnutzungswandel und Biodiversitätsverlust.

Das Modell der planetaren Grenzen umfasst nur die ökologische Dimension. Die soziale wird vollkommen außen vor gelassen. Das kritisierte die Wirtschaftswissenschaftlerin Kate Raworth und ergänzte 2012 die klassische Darstellung um einen nach innen geöffneten Kreis, der an einen Donut erinnert, und der die soziale Ebene widerspiegelt.

Anwendung in der Praxis

Nach der ersten Veröffentlichung im Jahr 2009 hat das Modell eine große Beachtung gefunden und damit auch erste Anwendungsfelder. Unter anderem wurde aus den Planetaren Grenzen das Zwei-Grad-Ziel als Klimaschutzleitplanke definiert. Allerdings halten viele WissenschaftlerInnen dieses Ziel heute nicht mehr für ausreichend, um das Überschreiten von Kipppunkten zu verhindern. Selbst in der Outdoorbranche sind die Planetaren Grenzen angekommen. So hat zum Beispiel der schwedische Hersteller Houdini die eigene Nachhaltigkeitsstrategie auf dem Modell der planetaren Grenzen aufgebaut.

Weitere Informationen zum Modell der planetaren Grenzen

Steffen et al., 2015: Planetary boundaries: Guiding human development on a changing planet

Stockholm resilience center, Erklärung zu planetaren Grenzen (English)

Houdini Strategie basierend auf dem Konzept der planetaren Grenzen

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