Zum Inhalt springen

Cookies 🍪

Diese Website verwendet Cookies, die Ihre Zustimmung brauchen.

Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung

This page is also available in English.

Zur Powderguide-Startseite Zur Powderguide-Startseite
Schnee von morgen

Schnee von morgen | Skifahren ist gleich Umweltschutz

Warum wir uns als Wintersportler für den Schutz der Natur einsetzen sollten

von Lisa Amenda 01.02.2021
Skigebietserweiterungen, Neuerschließungen oder Gourmet-Restaurants auf 3.000 Metern: Skigebiete sind schon lange nicht mehr wilde, ursprüngliche Natur. Aber was ist es, was uns wirklich zum Skifahren rauszieht? Und warum sollten wir unsere Stimme nicht nur für das neueste Equipment, sondern vor allem auch für die verbliebene Natur erheben?

Früher war für mich alles selbstverständlich. Der Sessellift. Die Ski unter meinen Füßen. Und dass hin und wieder neue Lifte gebaut werden. Ist doch schließlich gut, dann hat man noch mehr Möglichkeiten, mit Ski den Berg hinunter zu jagen. So mein zehnjähriges Ich. Ich muss zugeben, besonders viele Gedanken habe ich mir damals nicht um die Natur gemacht. Wie auch. Mit zehn Jahren hat man hauptsächlich im Kopf, wann und wo man wieder Skifahren kann und mit welchen Freunden man sich unter der Woche nach der Schule trifft. Aus. Fertig. Um mehr sollte sich ein zehnjähriges Kind, meiner Meinung nach, auch nicht kümmern müssen. Ich weiß auch gar nicht mehr genau, wann der Punkt gekommen ist, wo ich angefangen habe, Dinge zu hinterfragen. 

Ich fand es zum Beispiel schon immer cool, dass man vom Rettenbach Gletscher in Sölden auf den Pitztaler Gletscher schauen konnte. Aber musste man die beiden deshalb gleich verbinden? Diese Idee von der Verbindung besteht ja zum Beispiel schon seit meinem zehnjährigen Ich. Also seit mehr als 23 Jahren. Aus rein egozentrischer Skifahrersicht hatte der Gedanke schon seinen Reiz, aber objektiv gesehen? Totaler Quatsch. Waren doch beide Gletscherskigebiete vollkommen ausreichend. Das war mir sogar damals schon klar. 

Was ist wichtiger? Skispaß oder Pistenkilometer zu sammeln?

So ging es dann also weiter. Ich, unterwegs mit meinen Ski und die Skigebiete unterwegs mit Bagger und Planierraupe für noch mehr Pistenspaß. Aber war es das, warum ich mich jedes Wochenende ins Auto setzte, um 6 Uhr aufstand und mich bei Minusgraden in viel zu enge Skischuhe zwängte? Für noch mehr Superlativen? Für noch mehr Pistenkilometer, Verbindungsgondeln und höhere Transportkapazitäten? Ganz entschieden nein! Ich wollte einfach nur das prickelnde Gefühl von gefrorenen Wasserkristallen auf meiner Haut spüren, wenn ich einen Powderhang hinabfuhr, oder das messerscharfe Greifen meiner Kante auf einer frischpräparierten Piste. Musste ich dazu noch mehr Pisten haben? Nein! Und so kam es mir mit der Zeit immer seltsamer vor, dass Skigebiete ein anscheinend ständiges Streben nach Wachstum haben. Kaum einer schien sich mehr zufrieden zugeben. Es war ein immer mehr und immer größer. 

Schnee von morgen
presented by

Der Alpenplan und die Diskussion um das Riedberger Horn

Während meines Studiums wurde mir klar, dass es so nicht weitergehen konnte, aber der wirkliche Lichtblick kam erst danach. Und vergebt mir, es hätte früher sein können. Der geplante Ausbau des Riedberger Horns. Mein Riedberger Horn. Im Allgäu. Ich bin in den Skigebieten Balderschwang und Grasgehren quasi aufgewachsen. Habe dort Skikurse gegeben oder Kicker im Backcountry geschaufelt. Es war klar, dass man sich zu Beginn des Tages zwischen Grasgehren oder Balderschwang entscheiden musste. Eine Verbindung dazwischen? Brauchte man nicht. Das Riedberger Horn lag stets als Ruhepol dazwischen, als Flucht für Skitourengeher. Als natürliche Konstante zwischen den beiden Skigebieten. Und vor allem lag es in der Schutzzone C des Bayerischen Alpenplans. Der Alpenplan ist eine Institution des Naturschutz in Bayern. In den 50er- und 60er-Jahren erschlossen zahlreiche Berggemeinden ihre Gipfel mittels Bergbahnen und Skiliften. Erschließungshype here we come, sozusagen. Die damals einzige staatliche Stelle für Naturschutz in Bayern, die Landesstelle für Naturschutz in München, sah sich gezwungen auf die massiven Eingriffe zu reagieren und ein Instrument für nachhaltige Entwicklung zu schaffen: Der Alpenplan war geboren. Ein Konzept, das sich zum Ziel gesetzt hatte, die Bayerischen Alpen, ihre Berglandschaft und die alpine Natur damals und in Zukunft gegenüber örtlichen Interessen und vor möglichen weiteren Belastungen zu schützen. Und so auch das Riedberger Horn frei zu halten von Erschließungsplänen. Bis 2017 die Landesregierung dem Änderungsantrag zustimmte und somit eine Skischaukel ermöglichte. Daraufhin regten sich massive Proteste aus der Bevölkerung, vom Deutschen Alpenverein und aus den Medien. Kurzum: Die Bayerische Landesregierung hat sich umentschieden und rund um das Riedberger Horn das Zentrum Naturerlebnis alpin entstehen lassen.180-Grad-Wende, könnte man sagen. 

Naturschutz geht vor allem uns Skifahrer an - weltweit

Doch worauf will ich mit diesem Beispiel hinaus? Klar, mich hat die Erschließung des Riedberger Horns aufgewühlt, weil es mein Heimatskigebiet war und ich mir beim besten Willen nicht vorstellen konnte, dass da jetzt ein Lift gebaut werden soll. So war es auch, als die Pläne für die Verbindung zwischen Sölden und Pitztal noch einmal konkreter wurden. Immer, wenn wir persönlich von einer Erschließung oder ganz generell einer Sache betroffen sind, fühlen wir uns emotional angesprochen. Ist einfach so. Wenn jetzt aber der ehemalige Präsident Trump ankommt und mehrere Tausend Hektar der amerikanischen Public Lands für die Öl- und Gasindustrie freigibt, oder ein italienischer Investor in British Columbia das höchste Gletscherskigebiet der Welt bauen will, dann könnte uns das hier in den Alpen doch eigentlich relativ egal sein. Oder? 

Ich muss zugeben, dieser Artikel sollte ursprünglich mal ganz anders aussehen. Denn als ich das Thema für Schnee von morgen vorgeschlagen habe, war Donald Trump noch Präsident der USA. Es sollte hier über seinen oben genannten Umgang mit den Public Lands in den Vereinigten Staaten gehen und was wir daraus lernen können. Trump ist seit bisschen mehr als zehn Tagen nicht mehr im Amt und Joe Biden hat mit mehreren Executive Orders folgenschwere Entscheidungen von Trump mit sofortiger Wirkung wieder rückgängig gemacht: darunter der Wiedereintritt in das Pariser Klimaabkommen und eben der Stopp der neugeplanten Öl- und Gasförderung in sogenannten Public Lands. Die Public Lands sind im weitesten Sinne Landflächen, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind und von der Regierung verwaltet werden. So gesagt gehören Public Lands jedem Amerikaner. Zum Kajaken, Klettern, Wandern und Skitouren gehen. Allerdings haben eine Vielzahl der Public Lands auch ein erhöhtes Vorkommen an fossilen Energien. Das veranlasste Politiker dazu, Teile der Public Lands für die Öl- und Gasförderung freizugeben. Und genau diese Themenidee brachte mich auf das Thema für heute.

Hinterfrage den Status Quo

In meinem letzten Schnee von morgen Artikel habe ich über die Alpen als Wildnis geschrieben und ob es sie so heute überhaupt noch gibt. Achtung Spoiler - herausgekommen ist, dass die Alpen eine gewachsene Kulturlandschaft sind und dass wir sie mit jedem unserer Schritte noch heute beeinflussen. Das fängt mit dem Mittagessen an und hört mit dem Liftpass auf. Doch warum ich auf genau dieses Thema hier zu sprechen komme, ist weil es gar nicht so weit von uns entfernt ist. Skigebiete werden immer weiter ausgebaut, Parkplätze asphaltiert und Gourmetrestaurants auf knapp 3.000 Meter Höhe gebaut. Die Alpen, die Skigebiete, sind nicht mehr die Wildnis, die unberührte Kulturlandschaft, die weiß bekleidete Hänge an einem Powdertag vermuten lassen. Aus den Alpen wird Geld gemacht. Viel. Und wir sind ein Teil davon. 

Deshalb will ich dich heute dazu aufrufen, Dinge zu hinterfragen. Macht es Sinn, dass Skigebiete immer größer werden? In den Alpen oder egal wo auf der Welt? Macht es Sinn, dass wir noch mehr von unserer eh schon verbauten und versiegelten Landschaft opfern? Oder lässt es uns, wenn wir an unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten glauben, alle, wie der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Kenneth Boulding sagt, zu Verrückten oder Ökonomen werden? Und wenn ja, wollen wir das sein? Also wirklich? Oder wollen wir lieber einen Schwung nach dem anderen mit unseren Ski unter den Füßen ziehen. Die Lifte nutzen, die schon da sind, oder die Berge aus eigener Kraft erklimmen und das bisschen Natur, das noch da ist, schützen. Mit jeder Stimme, die wir haben. Denn diese erfolgreichen Projekte oben haben uns doch gezeigt, dass es sich lohnt, die eigene Stimme zu erheben, und dass wir als Wintersportler die Kraft haben Dinge zu verändern. 

Ähnliche Artikel

Kommentare

Schnee von morgen
presented by