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Schnee von morgen

Schnee von morgen | Skihochtouren wie früher?

Der Klimawandel verändert die Berge

von Gerhard Mössmer (ÖAV) 20.03.2023
Warme, trockene Winter, perfekter Grip am Fels: Was für Sportkletter:innen wie ein Traum klingt, ist für begeisterte Freerider:innen und Skitourengeher:innen der Albtraum. Ja, Hitzewellen und Trockenperioden - sommers wie winters - gab es früher auch. Und ja, es gibt sie noch, die Wintertage mit minus 20 Grad und fett Powder, an denen man sich plötzlich wie in Hokkaido fühlt.

Aber dass sich die Erde dennoch kontinuierlich erwärmt und wir die Auswirkungen des Klimawandels – insbesondere im Hochgebirge - immer stärker zu spüren bekommen, ist leider Fakt, nicht Fake.

Besonders im Sommer erleben wir hautnah, dass die Berge in Bewegung sind: Alle haben wir noch die Bilder des schrecklichen Eissturzes an der Marmolada, genauso wie die Felsstürze - inklusive einer abgestürzten Biwakschachtel (1) - im Mont-Blanc-Massiv vor Augen. Ebendort wurde im letzten Sommer aus Sicherheitsgründen auch die Gouter-Hütte gesperrt. Die Randkluft am Dachstein war nur für erfahrene Alpinist:innen mit entsprechender Ausrüstung zu überwinden. Die jüngste Meldung über die, wegen Felssturzgefahr geschlossene, Tuoi-Hütte unterhalb des kleinen Biz Buin auf Schweizer Seite passt leider auch perfekt in dieses Bild.

Zugegeben, in Anbetracht der auf uns zukommenden, durch den Klimawandel bedingten Veränderungen, erscheinen diese "Luxus-Probleme" für nicht bergsteigende Personen wahrlich vernachlässigbar. Für uns ski- und hochtourenbegeisterte Menschen sind die Folgen der Erderwärmung und die damit verbundenen, größer werdenden Risiken in den (noch) vergletscherten Regionen zum Teil aber dramatisch.

Die Möglichkeiten, die wir als Bergsportler:innen haben, um einen Beitrag gegen die Erderwärmung zu leisten, sind vielschichtig (leider ist Bergsport oft Motorsport) und würden den Rahmen dieses Artikels bei weitem sprengen. Es soll im Folgenden "nur" beleuchtet werden, wie sich der Bergsport im Hochgebirge verändert und wie wir vor und während der Tour konkret auf die Veränderungen reagieren müssen, um weiterhin mit vertretbarem Risiko unserer Leidenschaft nachgehen zu können.

Dafür nehmen wir die bewährten Schlüsselfaktoren "Gelände, Verhältnisse und Mensch" genauer unter die Lupe:

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Gelände

Leider stimmen Sprüche wie "der Berg steht noch länger" und "das Gelände ändert sich eh nicht" in Zeiten des Klimawandels nicht mehr. Die Null-Grad-Grenze steigt auch im Winter, der Permafrost im Hochgebirge löst sich auf, Steinschlag und Felsstürze im Sommer sind die Folge. Dadurch verändern sich Routenverläufe und Wege müssen - auch kurzfristig - gesperrt werden. Ganz aktuell sehen wir diese Problematik am Piz Buin, wo sowohl der Zustieg von der Tuoi-Hütte aus steinschlaggefährdet ist, sowie der Bereich um den Kleinen Piz Buin auf der Vorarlberger Seite.

Das Queren von steinschlaggefährdeten Bereichen – wie hier am Beispiel des Grand Couloir am Normalweg des Mt. Blanc eindrücklich zu sehen – wird durch Auflösung des Permafrosts immer heikler:

Durch das Abschmelzen der Gletscher wird auch das Erreichen selbiger immer anspruchsvoller. Im Sommer erschweren bzw. versperren Schutt, Morast, sowie Moränen und Gletscherseen den Weg: Für den Zugang zum Hofmannskees auf der Heiligen Bluter Seite des Großglockners ist inzwischen die Mitnahme eines Schlauchbootes dringend empfohlen und selbst im Winter müssen auf der Kalser Seite die Ski zwischen Ködnitzkees und Adlersruhe geschultert werden, da der steile Aufschwung ausgeapert und nicht mehr mit Ski machbar ist.

Aber auch beim Freetouring in Gletscherskigebieten sind wir dramatisch mit dem Rückgang der Eisriesen konfrontiert: So ist zum Beispiel die beliebte Freeridevariante am Rettenbachferner in wenigen Jahren de facto weggeschmolzen (siehe Kartenausschnitte unten in der Bildergalerie). Dagegen ist es ein schwacher Trost, dass man bei der Freeride-Abfahrt vom Pitztaler-Gletscher über den Taschachferner nicht mehr durch den Eisbruch manövrieren muss. Aber obwohl der Bruch beinahe verschwunden ist, bleibt die Spaltensturzgefahr dennoch erhalten. Den schneearmen Wintern - und vorallem Sommern - geschuldet, sind die Spalten weniger hoch mit Schnee bedeckt, was auch im Winter zu erhöhter Spaltensturzgefaht führt. Auch Bergschründe und Randklüfte sind schwieriger bis gar nicht zu überwinden. Wir werden uns leider daran gewöhnen müssen, bei Skihochtouren und bei Freerideabfahrten über vergletschertes Gelände auch in der Abfahrt mehr und mehr das Seil auszupacken, um gesichert an diesem abzufahren.

Ebenso werden ehemals vergletscherte Übergänge, die vor einigen Jahren noch einfach passierbar waren, zum Problem. Diesem Umstand wurde auf vielbegangenen Routen, wie z. B. jener von der Breslauer-Hütte auf die Wildspitz über das Mitterkar-Joch Rechnung getragen und ein Klettersteig installiert. Fehlt die Stahlseilversicherung, heißt es abseilen: So wird man bei vielen klassischen Skihochtouren-Durchquerungen ohne dieses Manöver nicht mehr auskommen.

Verhältnisse

Noch dramatischer als das Gelände verändern sich auf Grund des Temperaturanstiegss die Verhältnisse: Stein- und Eisschlag werden ständige Begleiter, blanke Gletscher im Sommer die Normalität. Dementsprechend werden sich die Jahreszeiten für unsere Unternehmungen nach vorne verschieben. Die Skihochtourenzeit wird sich in den März verlagern und die Hochtourensaison wird bereits im Mai beginnen und Ende Juli Geschichte sein. War früher eine Begehung der Eiger-Nord-Wand bei winterlichen Bedingungen außergewöhnlich, ist dies heutzutage auf Grund der herrschenden Steinschlaggefahr im Sommer ein absolutes Muss. Zudem müssen wir – selbst im Winter - die Null-Grad-Grenze stets im Auge behalten. Der bewährte Spruch "Der frühe Vogel fängt den Wurm" erhält mehr Bedeutung denn je. Friert es allerdings über Nacht nicht mehr durch, nützt auch der zeitigste Aufstieg nichts mehr, denn dann tragen Schnee und Spaltenbrücken tragen nicht mehr. Auch führen Gletscherbäche 24 Stunden sehr viel Wasser und sind ohne künstliche Stege kaum noch zu überwinden.

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1) Das Fourche-Biwak war Ausgangspunkt für die Besteigung des Mont Maudit über den Kuffner-Grat – eine der großen klassischen Touren im Mont-Blanc gebiet. Die Schachtel stürzte im Sommer 2022 mit samt eines Felssturzes ins Tal.

Die aktuell herrschenden Verhältnisse am Berg sind insbesondere in der Planung von noch größerer Bedeutung als bisher.

Aufgrund der massiven Veränderungen der letzten Jahre sind aktuelle Informationen – insbesondere über den Zustand der Gletscher - wichtiger denn je. Diese erhalten wir heute nicht mehr wie früher aus der gedruckten Führerliteratur, sondern vielmehr aus Internetportalen, wie z. B. alpenvereinaktiv.com, aus den sozialen Netzwerken (wobei diese Informationen stets kritisch hinterfragt werden müssen), oder durch einen Anruf auf der Alpenvereins-Hütte.

Bei analogen Karten ist es wichtig, auf den letztmals vermessenen Gletscherstand zu achten. Achtung: Auch GPS-Tracks, die über vergletschertes Gelände führen, sind mit Vorsicht zu genießen, wenn diese bereits einige Jahre alt sind!

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Mensch

Nicht nur die Berge, auch die Ausrüstung, die wir mitführen, ist eine Andere geworden: Wurde der Steinschlaghelm auf Skihoch- und Hochtour früher noch belächelt, ist er heute (fast) Standard. Auf Grund von installierten Klettersteigen ist auch ein entsprechendes Set auf manchen Touren bereits obligatorisch. Inzwischen muss auch bei einigen, ehemals vergletscherten Übergängen abgeseilt werden, was wiederum entsprechendes Material (Abseilgerät, etc…), insbesondere aber auch entsprechendes Know-How voraussetzt. Beim Überwinden von Bergschründen, Randklüften und immer steiler werdenden Gletscheraufschwüngen, ist man mitunter froh über ein zweites Eisgerät.

Achtsames Steigen, um Steinschlag in ausgeaperten Flanken zu vermeiden, ist genauso gefragt, wie eine entsprechende Klettertechnik im "aufgesteilten Schutthaufen". Ein Paradebeispiel dafür ist das ehemals mit Firn und Eis bedeckte "Eisleitl" (man darf gespannt wie lange sich der Name noch hält) am Großglockner. Grundsätzlich müssen wir auf Tour achtsamer sein und steinschalggefährdete Bereiche meiden, in dem wir Abstand zu diesen Bereichen halten, oder - z. B. bei Traversierungen – diese schnellstmöglich passieren.

In Bezug auf den Faktor Mensch dürfen auch die zunehmenden heißer werdenden Sommer nicht außer Acht gelassen werden: Hohe Temperaturen - auch in großer Höhe - und intensive Strahlung, gekoppelt mit mühsamen Schuttgelände, fordern unseren Organismus. Trat man früher an heißen Sommertagen die Flucht ins Hochgebirge an, gilt es in Zeiten wie diesen, auch in der Höhe die Hitze am Radar zu haben.

Durch Auflösung des Permafrostes werden Steinschlagereignisse – wie dieses hier bei einer Hochtour im Zillertal – häufiger.

Fazit

Wir werden mit Sicherheit auch weiterhin tolle Tage im Hochgebirge erleben dürfen. Wir müssen uns aber auch der zunehmend größer werdenden, objektiven Gefahren bewusst werden und der Tatsache ins Auge blicken, dass manche Touren anspruchsvoller werden, manche nur noch in einem kleinen Zeitfenster machbar sein werden und manche Touren gar nicht mehr mit einem vertretbaren Risiko begangen werden können.

Dem Umstand der Veränderung müssen wir in der Planung noch mehr Beachtung schenken und uns diesbezüglich mit den Schlüsselfaktoren Gelände, Verhältnisse und Mensch noch intensiver auseinandersetzen. Dazu müssen wir in der Planung zwingend aktuelle Informationen einholen. Gedruckte Führerliteratur und Kartenwerke (3) können das bei einigen Touren inzwischen nicht mehr leisten, da sich die Berge - insbesondere Gletschervorfeld und Gletscher - leider zu rasch verändern.

3) Was aber nicht heißen soll, dass wir diese Informationsquellen gar nicht mehr benötigen: Diese liefern uns andere, wichtige Information.

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