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Schnee von morgen

Schnee von Morgen | Zwischen Gipfelträumen und Gemeinwohl

Die Gemeinwohlökonomie

von Martin Svejkovsky 06.01.2025
Martin ist Mitglied bei POW und veröffentlicht von Zeit zu Zeit Artikel bei PowderGuide, die sich mit den Themen der Nachhaltigkeit beschäftigen. Nachdem er letzten Winter den Widerspruch aus struktureller Problembekämpfung und der individuellen Verantwortung von SkifahrerInnen behandelte, beschäftigt er sich heute mit dem Konzept der Gemeinwohlökonomie. Kann diese Vision eines nachhaltigen Wirtschaftens unseren Zugang zur Natur und Bergsport für immer verändern und vor allem wie funktioniert sie überhaupt?

Ein neues Wirtschaftsmodell für Mensch und Natur 

Die Gemeinwohlökonomie versteht sich als Gegenmodell zum derzeit herrschenden Wirtschaftssystem, das auf unbegrenztem Wachstum und Profitmaximierung basiert. Statt dieser Merkmale stellt sie ein gutes Leben für alle in den Vordergrund: Menschenwürde, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit, Solidarität sowie Mitbestimmung und Transparenz. Diese Werte werden in einer Gemeinwohl-Bilanz gemessen, die Unternehmen auf freiwilliger Basis erstellen können. Dabei wird nicht nur bewertet, was ein Unternehmen leistet, sondern auch, wie es dabei handelt – von der Lieferkette bis zur Unternehmenskultur.

Das Konzept existiert seit rund 15 Jahren und wurde maßgeblich vom Ökonomen Christian Felber ins Leben gerufen, der im Jahr 2010 ein gleichnamiges Buch veröffentlichte. Bergsportgeschäfte, die dem Konzept der Gemeinwohlökonomie folgen, zeichnen sich durch eine nachhaltige Unternehmensstruktur aus. Faire Arbeitsbedingungen, langlebige Produkte, bewusster Ressourceneinsatz und die enge Zusammenarbeit mit regionalen Lieferanten prägen das Geschäftsmodell. So werden beispielsweise Reparaturservices angeboten, um die Lebensdauer der Ausrüstung zu verlängern. Dieses Handeln zeigt, dass sich ökologische Verantwortung und wirtschaftlicher Erfolg nicht ausschließen müssen.


Wie funktioniert die Gemeinwohlökonomie konkret? 

Die Gemeinwohlökonomie, kurz GWÖ, basiert auf der Idee, dass Unternehmen ihre Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Umwelt messbar und transparent machen können. Im Zentrum steht die sogenannte Gemeinwohl-Matrix, die fünf zentrale Werte abbildet: Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit sowie demokratische Mitbestimmung. Diese Werte werden in vier Bereiche des unternehmerischen Handelns integriert: Lieferanten, Mitarbeiter, Kunden und das gesellschaftliche Umfeld.

Anhand dieser Matrix erstellen Unternehmen eine Gemeinwohl-Bilanz, die detailliert aufzeigt, in welchen Bereichen bereits Fortschritte erzielt wurden und wo noch Verbesserungspotenzial besteht. Bis am Ende eines Prozesses die Gemeinwohl-Bilanz veröffentlicht wird, durchläuft ein Betrieb Phasen: Von der Selbstbewertung über die Erstellung der Gemeinwohlbilanz bis hin zur externen Überprüfung werden Lieferanten, Mitarbeiter, Kunden und das gesellschaftliche Umfeld miteinbezogen und unter die Lupen genommen. 

Ein Beispiel: Ein Hersteller von Skistöcken könnte in seiner Bilanz dokumentieren, dass er recycelte Materialien verwendet, faire Löhne entlang der Lieferkette sicherstellt und Transportwege minimiert. Gleichzeitig könnte er sich Ziele setzen, wie die Einführung von Reparaturservices, um die Lebensdauer der Stöcke zu verlängern oder die Umstellung auf erneuerbare Energien bei der Produktion, um so Emissionen zu verringern.

Auch wenn dieser Weg Engagement und ein wirtschaftliches Umdenken erfordert, liegen die Vorteile auf der Hand. Durch diese Schritte tragen Unternehmen nicht nur zu ihrer Glaubwürdigkeit bei, sie gewinnen auch Kundschaft, die Wert auf Nachhaltigkeit legt. 

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Skispaß mit Verantwortung

Für viele von uns WintersportlernInnen ist die Natur weit mehr als eine Kulisse. Sie ist Rückzugsort, Abenteuerraum und Inspirationsquelle gleichermaßen. Doch wie wir wissen, ist diese Natur bedroht: Gletscherschmelzen, Wetterextreme und schwindende Schneesicherheit sind direkte Folgen des menschengemachten Klimawandels, die den Wintersport grundlegend verändern werden. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum wir unseren Umgang mit der Natur und ihren Ressourcen überdenken sollten. Auch wenn der Einfluss individueller Konsumentscheidungen zu Recht kontrovers diskutiert wird, kann die Gemeinwohlökonomie in der kapitalistisch geprägten Marktwirtschaft als wertvoller Kompass dienen. Sie hilft, die Interessen unterschiedlichster Akteure miteinander zu verbinden und zeigt Wege auf, Wirtschaftlichkeit, Menschlichkeit und Klimaschutz in Einklang zu bringen. Ob bei der Auswahl von Ausrüstung oder der Planung der nächsten Reise: Wer die Prinzipien der Gemeinwohlökonomie berücksichtigt, leistet nicht nur einen Beitrag zum Klimaschutz, sondern unterstützt auch Unternehmen, die nach diesen Werten handeln.

Hürden und Kritik: Warum die Gemeinwohlökonomiekein Allheilmittel ist

Trotz der vielen aufgezeigten Vorteile sollten auch die Grenzen der Gemeinwohlökonomie thematisiert werden. Die zentrale Herausforderung ist und bleibt dabei die herrschende Marktlogik. „Die schönsten Nachhaltigkeitsberichte und die besten Ethik-Performances nutzen wenig, wenn jene, die sich unethisch verhalten, billiger anbieten können und preislich im Vorteil sind,“ gibt auch der Erfinder der Gemeinwohlökonomie Christian Felber zu. Denn auch Unternehmen, die nach den Prinzipien der GWÖ handeln, konkurrieren mit großen Ketten und Online-Händlern, die oft keine Rücksicht auf Umweltstandards nehmen.

Auch der bürokratische Aufwand, der mit der Erstellung einer Gemeinwohl-Bilanz verbunden ist, sollte nicht unterschätzt werden. Gerade kleine Unternehmen könnten sich davon abgeschreckt fühlen.Schließlich stellt sich die Frage der Exklusivität: Der zusätzliche Aufwand, der in Produkte der Gemeinwohlökonomie investiert wird, spiegelt sich häufig im Preis wieder und macht sie damit nicht für alle zugänglich. Und so kann der wünschenswerte nachhaltige Konsum oftmals kaum auf alle Bevölkerungsgruppen ausgedehnt werden.

Während die GWÖ in Nischenmärkten wie dem Bergsportsektor durchaus erfolgreich sein könnten, erscheint eine großflächige Umsetzung in allen Branchen unrealistisch. Der Wachstumszwang, der dem kapitalistischen System innewohnt, lässt sich nicht einfach aushebeln. Selbst Unternehmen, die nach gemeinwohlorientierten Prinzipien arbeiten, müssen sich den Regeln des Marktes unterwerfen.

Hier ist die Politik gefragt, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um ein solches System fair zu gestalten. Sie hat die großen Hebel in der Hand, um nachhaltiges Wirtschaften nicht nur möglich, sondern auch attraktiver zu machen. Die Green Claims Directive der Europäischen Union, die bis 2026 umgesetzt werden muss, kann hier beispielsweise helfen, indem sie Unternehmen verpflichtet, glaubwürdige Angaben zu ihren ökologischen Versprechen zu machen und so Greenwashing bekämpft. Ein weiterer Schritt könnte die Ausweitung des Reparaturbonus auf weitere Bereiche wie Kleidung sein. Dies würde eine nachhaltige Nutzung erleichtern und gleichzeitig dazu beitragen, dass Unternehmen durch Reparaturdienstleistungen Wertschöpfung erzielen können, ohne Gewinneinbußen befürchten zu müssen. Wenn für Reparaturen Preise verlangt werden können, die für die Kundschaft attraktiver sind als ein Neukauf und gleichzeitig so kalkuliert werden, dass Unternehmen keine Gewinneinbußen erleiden, bleibt der Profit erhalten und Ressourcen können geschont werden.

Auch eine Offenlegungspflicht, die durch die CSRD der EU getrieben wird, kann den GWÖ-Unternehmen zugutekommen, besonders in der Kleidungsindustrie. Sie könnte zu mehr Transparenz führen und die Entscheidung der KonsumentInnen für nachhaltige Produkte erleichtern. Es stellt sich jedoch erneut die Frage der Anreize: Nur wenn nachhaltiges Wirtschaften nicht nur ideell, sondern auch ökonomisch belohnt wird, können Gemeinwohlökonomie und andere Nachhaltigkeitsansätze eine echte Alternative im Wettbewerb darstellen.

Gemeinwohl für wenige oder gutes Leben für alle? 

Trotz der genannten Hürden bleibt die Gemeinwohlökonomie meiner Meinung nach ein wertvoller Ansatz. Gerade in Nischen zeigt sie, dass es bis zu einem gewissen Grad möglich ist, ökologisches und soziales Verantwortungsbewusstsein mit wirtschaftlichem Handeln zu verbinden. Natürlich liefert die GWÖ keine Patentlösung für alle Probleme, doch sie bietet einen wichtigen Impuls, um unsere Beziehung zur Natur und unseren Konsum neu zu überdenken. 

SchneesportlerInnen stehen als NutzerInnen der Natur in einer direkten Abhängigkeit zu ihr. Wer die Berge nutzt, sollte sich fragen, wie er zu ihrem Erhalt beitragen kann. Kleine Schritte, wie die Entscheidung für langlebige Produkte oder die Nutzung von Reparaturservices und lokalen GWÖ-Händlern, können ein Anfang sein. Die GWÖ ist dafür ein vielversprechendes Konzept, das in Nischen wie dem Bergsport seinen Platz finden kann. Doch solange die Marktwirtschaft von Wachstum und Profitstreben dominiert wird, bleibt ihre Wirkung begrenzt. Das sollte uns jedoch nicht davon abhalten, die Mechanismen hinter unserem Zusammenleben zu reflektieren und in unserem eigenen Einflussbereich aktiv zu werden, um gemeinsam eine noch bessere Zeit in den Bergen verbringen zu können. 

Quelle: 

https://germany.econgood.org/

https://austria.econgood.org/

https://www.bundeskanzleramt.gv.at/themen/nachhaltige-entwicklung-agenda-2030/erfolgsgeschichten-agenda-2030/gemeinwohl-oekonomie-at.html

https://gwoe.17plus.org/

https://christian-felber.at/buecher/die-gemeinwohl-oekonomie/

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