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Schnee von morgen

Schnee von Morgen | Empowerment beim „Shredden“

Ein Interview mit POW-Athletin Rosina Friedel

von Martin Svejkovsky 29.02.2024
Martin ist Mitglied bei „Protect our Winters Austria“. In seinen letzten beiden Gastbeiträgen ging er darauf ein, warum er sich bei POW engagiert und wie die NGO aufgebaut ist. Inhalt des heutigen Gastbeitrages ist ein Interview mit der POW-Athletin Rosina Friedel:

Skifahren ist in gewisser Weise ein Spiegel der Gesellschaft. Das ist für uns bei POW nichts Neues, da wir als aktive WintersportlerInnen und engagierte KlimaschützerInnen dies im täglichen Leben erfahren. Jedes Mal, wenn wir versuchen auf umweltfreundliche Weise zu unseren Skitouren oder in die nahegelegenen Skigebiete zu gelangen, übertragen wir Teile des gesellschaftlichen Diskurses über den Klimawandel in unser persönliches Leben. Mit unseren Blogbeiträgen wollen wir zeigen, wie Skifahren und Freeriden nachhaltig gestaltet werden können und so auch andere inspirieren. Als SkifahrerInnen setzen wir uns für unsere Werte ein und sind sowohl TeilnehmerInnen als auch BeobachterInnen gesellschaftlicher Entwicklungen.

Da wir bei POW auch wissen, wie sehr Klimaschutz mit Gender-Ungleichheit zu tun hat und die Debatte um Geschlechtergleichheit neben dem Klimawandel zu den brennendsten Fragen unserer Zeit gehört, ist es für uns selbstverständlich, für einen inklusiven Wintersport einzustehen. Leider ist es nach wie vor so, dass Skifahren, vor allem Freeskiing, als privilegierter Männersport gilt. Eine Person, die aktiv dazu beiträgt, dies zu ändern,  ist die POW-Athletin Rosina Friedel. 2023 gewann sie bereits den „Newschoolers Female Skier of the Year“-Award. Wie in unserem Interview deutlich wird, ist aber nicht nur das ein Grund dafür, sich ausführlich mit ihr über das Thema Skifahren und Frauen zu unterhalten.

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Martin: Kurz und knapp: Wie kommst du zum Skifahren und vor allem zum Freeskiing?

Rosi: Bis ich 15 Jahre alt war, bin ich eigentlich meistens mit dem Snowboard unterwegs gewesen. Als in meinem Freundeskreis dann aber immer mehr Leute Skifahren angefangen haben, habe ich es auch ausprobiert. Ich stellte fest, dass es mir weniger Angst macht als Snowboarden und irgendwie mehr liegt; also bin ich dabei geblieben.

Martin: Hattest du damals Vorbilder? Falls ja, waren es eher Männer oder Frauen?

Rosi: Ich denke damals und auch heute orientiere ich mich zu einem großen Teil an den FreundInnen und den Menschen, mit denen ich Ski fahre, deshalb könnte man hier von Vorbildern sprechen. Große Vorbilder oder Hardcore-Fan von bestimmten RiderInnen war ich aber nie. Später inspirierten mich vor allem die FahrerInnen, die viel Wert auf Style legen und ich so schon beim Zuschauen Lust bekomme, Skifahren zu gehen. Ich habe da aber nie Wert auf das Geschlecht gelegt.

Martin: Kannst du dich erinnern, wann du das erste Mal auf Girls-only Events gestoßen bist? Hat das etwas in dir ausgelöst?

Rosi: Als ich anfing, wurde das „Parkfahren“ gerade erst groß, es gab ein paar Events und hin und wieder Competitions. Das war noch die Zeit, bevor die FIS ins Freeskiing einstieg. Girls-only Events gab es damals nicht, da zu dieser Zeit noch sehr wenige Mädels gefahren sind.

Das erste Girls-Event, an das ich mich erinnere, war ein Event von „Shred Unit“; dort wurden wir von anderen Mädels gecoacht. Ein anderes Event, an das ich gerne zurückdenke, fand im „Penkenpark“ in Mayrhofen statt. Das Besondere dabei war, dass wir Mädels dort die Möglichkeit bekamen, Foto- und Videoaufnahmen zu machen und wir uns dabei untereinander vernetzen konnten.

Martin: Das erinnert mich an ein aktuelles Projekt, über das ich mit dir sprechen wollte, den „peanutbutter.club“. Worum geht es dabei?

Rosi: Ganz kurz zusammengefasst stellt der „peanutbutter.club“ eine Community dar, in der sich FLINTA-Personen (Anm. d. Red.: Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender Personen) austauschen und zusammen „shredden“ gehen können. So lernt man Gleichgesinnte kennen und kann neue Kontakte knüpfen.

Martin: Wann und von wem wurde das Projekt ins Leben gerufen?

Rosi: Ich wurde von einem ähnlichen Projekt, den „Boobiebrettler“, die das Thema Geschlechtergleichheit schon seit längerer Zeit sehr erfolgreich in der Skateszene etablieren, inspiriert und habe deshalb den „peanutbutter.club“ gestartet. Momentan mache ich die organisatorischen Dinge noch alleine und meine Sponsoren unterstützen mich dabei. Um Hilfe bin ich natürlich immer froh.

Martin: Wie denkst du, wird das Projekt wahrgenommen? Habt ihr Zulauf?

Rosi: Ich habe das Gefühl, es kommt gut an und unsere gemeinsamen Sessions sind immer gut besucht. Im Herbst hatten wir ein Repair&Care Event bei „SpurArt“. In ihrer Skiwerkstatt in Innsbruck konnten wir Frauen gemeinsam unsere Ski für den Winter bereit machen. Außerdem haben wir im Winter einen Lawinenkurs angeboten, um auch abseits vom Snowpark präsent zu sein. All diese Events waren gut besucht. Beim Lawinenkurs hat man gemerkt, dass das Thema Sicherheit beim Freeriden für viele Mädels eine große Rolle spielt.

Es gibt mittlerweile eine kleine Stammcrew, doch wir sind immer offen für neue Gesichter! Gerade wenn man erst mit dem Fahren im Park angefangen hat, berichten viele davon, wie sehr die Gruppe dabei hilft, sich gegenseitig zu stärken und den Kopf frei zu bekommen.


Martin: Neben dem „peanutbutter.club“ hast du noch ein anderes Girls-only Projekt ins Leben gerufen. Was genau steckt hinter „Bucket Clips“: Wie kam es zu der Idee?

Rosi: Ursprünglich hatten wir in Kooperation mit „Newschoolers“ ein anderes Filmprojekt geplant, allerdings kam leider etwas dazwischen. Durch die Inspiration des Snowboardfilms „Uninvited“, in dem ausschließlich Frauen zu sehen sind und der von Frauen produziert wurde, kamen wir auf die Idee, ein solches Projekt auch für Skifahrerinnen auf die Beine zu stellen. Leider gab es bis dahin noch keinen Independent Girls-only Skifilm und so sammelten wir Clips von uns und welche, die uns zugeschickt wurden. Daraus schnitten wir einen Film, in dem jedes Mädel seine eigene Plattform bekommt. Im Endeffekt war ich wirklich super zufrieden mit dem Endergebnis und fand die Einsendungen echt cool!

Martin: Warum denkst du, ist es wichtig, solche Projekte auch im Video-Format zu organisieren?

Rosi: Ich denke, es ist ein gutes Mittel, um die Vielfalt des Freeskiing zu zeigen. Als außenstehende Person könnte man vermuten, Frauen würden hauptsächlich an Competitions wie Weltcups oder Olympia teilnehmen. Tatsächlich sind die Wettkämpfe aber nur ein Teil der Szene, auch in anderen Bereichen wie Urban Skiing oder Freeriden gibt es Frauen, die es wirklich drauf haben und das sollte man auf jeden Fall zeigen. Die Videoform eignet sich dafür am besten.

Martin: Wie war es, die Clips zu sammeln und Mädels zu finden, die mitmachen?

Rosi: Wir haben dieses und letztes Jahr Mädels angeschrieben und gefragt, ob sie etwas schicken wollen und Filmaufnahmen von sich haben. Außerdem haben wir letzten Winter mit der Unterstützung von „Newschoolers“ einen Open Call gestartet, aus dem ein zweiter Teil entstanden ist.


Martin: Würdest du sagen, dein Geschlecht hat Auswirkungen auf deine Art, Ski zu fahren?

Rosi: Ich denke schon, dass es Auswirkungen auf mein Skifahren hat, da ich viel nachdenke. Mir erscheint es manchmal so, als würden sich Männer weniger über die Konsequenzen sorgen und das hat natürlich Folgen. Außerdem hat der weibliche Zyklus definitiv Auswirkungen auf unsere Emotionen und wie wir uns fühlen, was beim Skifahren eine große Rolle spielt.

Martin: Glaubst du, die gemeinsam erlebte Zeit und gelungene Bestärkung unter den Mädels hat auch Auswirkungen auf ihr Leben außerhalb des Skisports?

Rosi: Ich denke, das kommt darauf an, welche Erlebnisse man in der Gruppe sammelt. Wenn man tolle Momente teilt oder sich etwas Neues traut, dann hilft das auf jeden Fall. Ein gemeinschaftliches Hobby stärkt die Zusammengehörigkeit und dadurch kann auch das eigene Selbstbewusstsein stärker werden. Wenn man etwas tut, das einem Spaß macht, dann ist man besser gelaunt und zeigt diese positive Einstellung auch seiner Umwelt. Wenn es einem gut geht und man eine gute Zeit hat, wirkt sich das auf andere Menschen aus. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Erfolge im Sport auf jeden Fall eine Auswirkung auf mein Auftreten als Person haben. Auch wenn man Probleme hat, beispielsweise mit Druck oder Angst umzugehen, dann schafft die Gemeinsamkeit einen Rahmen, in dem man diese Sorgen teilen kann und man geht aus bestimmten Situationen gestärkt hervor.

Martin: Wie denkst du, würde der Skisport von einer geschlechtsgleicheren Verteilung profitieren?

Rosi: Ich denke schon, dass so etwas eine positive Auswirkung hätte. Es wäre für Frauen sicherlich leichter, in so einem männerdominierten Sport Fuß zu fassen. Außerdem merke ich, dass in Frauengruppen oft eine andere Stimmung herrscht, weil man sich gegenseitig mehr motiviert und bei anderen Frauen sieht, was sie können, ohne abgeschreckt zu sein. Das kann einen selbst inspirieren. Ich denke aber auch Männer beeinflussen den Sport positiv und würde das nicht nur einem Geschlecht zuschreiben.


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Martin: Du selbst hast ja gesagt, es ist schön zu sehen, dass man im Skisport nicht immer den krassesten Trick oder „fettesten“ Sprung machen muss, um etwas zu erreichen, was ja der „Newschoolers Award“ auch zeigt. Was genau meinst du damit?

Rosi: Ich meinte damit, dass es schön ist, zu sehen, wenn sich der Einsatz für mich und in der Szene auszahlt. Ich denke, man kann auch damit erfolgreich sein, wenn man einfach kreativ Ski fährt und Dinge macht, die einem Spaß machen. Der Award ist gewissermaßen ein Beweis dafür, wie weit man kommen kann, wenn man sich selbst keinen Druck macht, immer noch weiter ans Limit zu gehen oder noch einen krasseren Filmpart abzuliefern. Er zeigt, dass man auch ohne diese Superlative dazu in der Lage ist, den Menschen etwas bieten zu können. Mir persönlich gibt es viel, diese Bestätigung von außen zu bekommen. Ich habe das Gefühl, das Richtige zu tun, auch wenn es vielleicht nicht mit dem gesellschaftlichen „höher, weiter, krasser” vereinbar ist.

Martin: In vielen gesellschaftlichen Sphären gibt es ganz klar geschlechtsspezifische Kleiderordnungen. Können Subkulturen wie Skaten oder Skifahren so etwas aufbrechen?

Rosi: Das ist schwer zu sagen. Ich denke, es spielt für viele nach wie vor eine Rolle, auch beim Skifahren zu zeigen, dass man eine Frau ist; beispielsweise ist es Trend, Strähnen absichtlich nicht unter dem Helm zu verstecken. Ich denke, bezogen auf Mode gibt es nach wie vor einen Unterschied, wie sich Männer und Frauen kleiden. Man kann aber beobachten, dass Frauen-Skibekleidung oft sehr körperbetont geschnitten ist, obwohl das nicht wirklich funktional ist. Viele Mädels tragen deshalb lieber Snowboard- oder Männer-Klamotten.

Martin: Dank Engagements wie deinem tut sich einiges bei der Gleichberechtigung im Skisport; was wäre dein Wunsch für die Zukunft?

Rosi: Bezogen auf die Skiszene würde ich mir manchmal mehr Lockerheit wünschen und dass neben den Wettbewerben auch der kulturelle Teil wie Filmparts usw. mehr Beachtung bekommt. Im Snowboarden lässt sich ja erkennen, dass man auch erfolgreich sein kann, ohne Competitions zu fahren. Leider stehen viele Frauen vor der Entscheidung, entweder ihre professionelle Skikarriere zu beenden oder einem offiziellen Verbandsteam beizutreten und an Wettbewerben teilzunehmen, da ihnen ansonsten finanzielle Unterstützung fehlt.


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