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Schnee von morgen

Schnee von Morgen | Spuren im Wald

Was Freeriden im Wald für Tier und Natur bedeutet

von Georg Rothwangl 18.12.2023
In den Ostalpen sind wir beim Freeriden oft im Wald unterwegs, manchmal die gesamte Abfahrt und manchmal nur den letzten Teil. Dabei gibt und gilt es einiges zu beachten. Schauen wir uns gemeinsam die Wunderwelt Winterwald an.

Der gesetzliche Rahmen:

Beginnen wir mit den wichtigsten Eckdaten: nach österreichischem Forstrecht ist Wald eine mit Waldbäumen (forstlicher Bewuchs) bewachsene Fläche über 1.000 m² und mit mindestens 10 m durchschnittlicher Breite – unabhängig von Grundstücksgrenzen. Ebenfalls als Wald gelten Flächen mit vorübergehend beseitigtem Bewuchs, also Flächen nach Schadereignissen (Windwurf, Borkenkäfer) oder in Folge von Nutzungen (Holzschlägerungen). Auch Forststraßen oder Holzlagerplätze zählen rechtlich zum Wald.

Der Wald erfüllt vier wichtige Hauptfunktionen, die auch so im Forstgesetz, einem Bundesgesetz, verankert sind: die Schutzfunktion, die Nutzfunktion, die Erholungsfunktion und die Wohlfahrtsfunktion. Da diese Funktionen für uns alle wichtig sind, gibt es Regeln zu ihrem Schutz und damit zum Schutz des gesamten Waldes.

Eine Regelung davon betrifft explizit das Freeriden. Im Bereich von Aufstiegshilfen (z.B. Seilbahnen) ist das Abfahren im Wald nur auf markierten Pisten oder Skirouten erlaubt. Das gilt auf jeden Fall für einen Bereich von 500 Metern zu beiden Seiten der Aufstiegshilfen, Pisten oder markierten Abfahrten. Es gibt auch Auslegungen, die von einem Bereich ausgehen, der innerhalb eines 30-minütigen-Fußmarsches erreicht werden kann. Wer gegen diese Vorschrift verstößt, begeht eine Verwaltungsübertretung. Der Strafrahmen beginnt bei EUR 150 und geht bis zu EUR 750 oder Freiheitsstrafen bis zu einer Woche.

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Interessantes Detail: das selbständige Aufsteigen und Abfahren mit Tourenski im selben Bereich (neben Aufstiegshilfen und Pisten) sind erlaubt. Das zeigt, worauf der Gesetzgeber abzielt: die Häufigkeit der Befahrung. Denn diese hat entscheidende Auswirkungen auf den Wald. Je häufiger ein Waldabschnitt im Winter befahren wird, umso größer ist die Chance, dass die Stahlkanten von Ski und Snowboards junge Bäume verletzen. Dies beeinträchtigt die Naturverjüngung des Waldes und schadet diesem auf lange Sicht. Wie oft ist nun häufig? Offensichtlich ist die Befahrungsdichte rund um Skilifte und Pisten zu groß, deshalb gibt es diese Regelung. Im freien Gelände, bei „Modetouren“ können einzelne Abschnitte auch häufig befahren werden. Hier kann jede(r) von uns bei der Tourenplanung und im Gelände darauf achten. Manchmal macht es einfach Sinn, eine Forststraße auszufahren, anstatt Abkürzungen Querfeldein zu nehmen und so den Wald zu schonen. Mehr dazu weiter unten.

Eine weitere wichtige Regelung ist der gesetzliche Schutz von Wiederbewaldungs- und Neubewaldungsflächen mit Bäumen unter drei Meter Wuchshöhe. Diese Flächen dürfen weder betreten noch mit Ski oder Snowboard befahren werden. Für diese Regelung gibt es keinen Unterschied zwischen einer einzelnen Skitourenperson und vielen Freeriden.


Der fachliche Hintergrund

Soweit einmal der gesetzliche Rahmen. Aber was ist der eigentliche Sinn hinter den Verboten? Wie schon erwähnt, der Erhalt der vier Waldfunktionen. Ein gesunder Wald hat einen großen Mehrwert für Natur und Bevölkerung. Er ist Heimat für viele Tiere und Pflanzen, Wasserspeicher, reinigt die Luft von Staubpartikel, wandelt CO2 in Sauerstoff um (Wohlfahrtsfunktion), und gerade in den steilen Alpentälern, wo wir mit unseren Ski unterwegs sind, verhindert der Wald ein Abrutschen der Hänge und schützt Infrastruktur vor Lawinen und Muren (Schutzfunktion). Das primäre Produkt des Waldes ist Holz – ein geniales Material mit vielen Einsatzmöglichkeiten (Nutzfunktion). Ein intakter Wald tut uns also allen gut. Entscheidend für einen gesunden Wald ist der natürliche Nachwuchs der Bäume. Wenn der Anwuchs nicht aufkommt oder zu viele Bäume gefällt werden, dann kann das Ökosystem Wald kippen. Ein Beispiel dafür ist die karstige Küstenlandschaft von Kroatien. Dort standen einst weitläufige Wälder, welche zum „Fundament“ von Venedig wurden. In der Folge wurde die dünne Humusschicht durch Erosion abgetragen und das gesamte Gebiet verkarstete.

Ski vs. Baum

Alle Funktionen des Waldes sind wichtig und bedingen sich gegenseitig. FreeriderInnen sind besonders mit der Schutzfunktion konfrontiert. Die meisten Schutzwälder in den Ostalpen liegen zwischen 1.300 und 2.100 Meter. Diese sind oft gerade im Bereich der Baumgrenze licht und bieten sich deshalb für unsere weitläufigen Turns hervorragend an. Freeriden im Wald ist ja eine feine Sache. Aufgrund des geringen Windeinflusses liegt der Schnee oft butterweich und aufgrund der geringeren direkten Sonneneinstrahlung lässt der Harschdeckel etwas länger auf sich warten. Bei schlechter Sicht sind die Bäume hilfreiche optische Referenzpunkte. Gerade im lichten Hochwald, durch Schneisen, auf Schlägen (Flächen im Wald, wo alle Bäume gefällt wurden) und in flachen Gräben können wir genüsslich durch den Schnee schwingen. Genau hier liegt auch die Herausforderung: freie Flächen im Wald, die so groß sind, dass wir mit Freude dort freeriden, sind fast immer Wiederbewaldungsflächen, und dürfen – wie oben geschrieben – nicht befahren werden. Das Gesetz ist hier eindeutig – und mit gutem Grund. Im Wald ist viel erlaubt, und auf diesen Flächen hat der Schutz der Waldverjüngung Vorrang. Das ist für den Waldbesitzer wichtig und auch für uns, denn wir möchten ja auch in Zukunft noch gesunde Wälder in den Alpen haben. Somit bleibt uns am ehesten der lichte Hochwald. Allerdings hat unsere Befahrung, wenn dieser sehr licht ist, unter Umständen negative Auswirkung auf den natürlichen Baumnachwuchs (Naturverjüngung). Mit den Stahlkanten der Ski und Snowboards verletzten wir die jungen Bäume – unter der Schneedecke. Meist leidet besonders der Terminaltrieb – also die Spitze des Baumes. Diese ist für das gesunde Wachstum des Baumes besonders wichtig. Werden diese Spitzen mehrere Winter hintereinander verletzt (oder von Wildtieren im Sommer verbissen), dann verkümmert der Baum und der Wald wird an dieser Stelle geschwächt. Vorausschauende Waldbesitzer tun vieles, damit der Wald diverser und klimafitter wird. Sie schneiden bei Jungwaldflächen deshalb oft etliche Fichten um und lassen diese als Humuseintrag im Wald liegen. Tannen, Kiefern, Lärchen und Rotbuchen lassen sie hingegen oft stehen. Wenn nun genau die Baumspitzen dieser Bäume beschädigt werden, dann verletzt dies nicht nur den Wald allgemein, sondern ganz konkret die Artenvielfalt und Resilienzfähigkeit des Waldes. Je mehr unterschiedliche, zu diesem Standort passende, Baumarten in einem Wald vorkommen, umso besser kann sich der Wald vor Krankheitserregern wie Käfer und Pilze schützen. Eine Durchmischung mit unterschiedlichen Baumarten erhöht auch die Widerstandsfähigkeit gegen Starkwetterereignisse. Bei Bäumen gibt es Flach-, Tief- und Herzwurzler. Tief- und Herzwurzler überstehen starke Winde besser und können Flachwurzler in ihrer Umgebung unterstützen.

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Ski vs. Wild

Der Wald ist Lebensraum für viele Tierarten. Was vielen von uns in der warmen Stube nicht bewusst ist: der Winter ist der entscheidende Faktor, der entscheidet, welche Wildtiere bei uns gerade noch leben können. Nur jene Tierarten, die so angepasst sind, dass sie die Winterzeit überleben, können hier heimisch sein. Das bedeutet: im Winter sind Wildtiere ganz knapp an ihrer (Über-)Lebensgrenze. Wenn wir beim Freeriden die Tiere stören und sie deshalb mehr Kalorien verbrauchen als sie über die karge Nahrung aufnehmen, kann dies der Unterschied zwischen Leben und Sterben für sie sein. Da die Flucht viel Energie kostet, verharren die Tiere im Tiefschnee länger als sie es im Sommer tun würden. Das heißt: sie bleiben länger in ihrer Deckung und treten erst relativ spät die kräfteraubende Flucht an. Irrtümlich kann dies für uns „zutraulich“ wirken. Tatsächlich haben die Tiere aber innerlich großen Stress und fühlen sich unter Druck.

Möglichkeiten für FreeriderInnen

Wenn euch der Lebensraum Wald am Herzen liegt, weil euch ein funktionierendes Ökosystem mit einer Vielzahl an Pflanzen und Tieren wichtig ist – dann könnt ihr aktiv dazu beitragen, dass es dem Wald und seinen Bewohnern im Winter gut geht.

  • Beachtet die gesetzlichen Regelungen.

  • Bei größeren freien Flächen im Wald, haltet euch entlang des Waldrandes. Besser im lichten Hochwald fahren als direkt über den freien Schlag (Fläche, wo alle Bäume gefällt wurden).

  • Informiert euch über Lenkungsmaßnahmen und haltet euch daran.

  • Möglichst auf bekannten und beschilderten Routen bleiben.

  • Nicht in der Dämmerungszeit und in der Nacht unterwegs sein. In dieser Zeit sind besonders viele Tiere mit ihrer täglichen Nahrungsaufnahme beschäftigt.

  • Trefft ihr auf Tiere, die in einer Gruppe unterwegs sind, dann weicht großräumig aus.

  • Einstands- und Fütterungsgebiete ebenfalls großräumig umfahren. Informationen über diese Gebiete erhaltet ihr auf den Webseiten der Bundesländer (überall dort, wo es freiwillige Lenkungsmaßnahmen gibt) und über diverse Tourenplattformen – vor allem jene, die mit Digitize the Planet zusammenarbeiten. Digitize the planet ist ein gemeinnütziger Verein, der gesetzliche und freiwillige Hinweise und Sperrungen im Outdoorbereich sammelt und als Open Data zur Verfügung stellt.

  • Seht ihr viele Tierspuren im Schnee, dann meidet das Gebiet

  • Vermeidet Lärm und nehmt Hunde an die Leine.

Der Wald und seine Tiere werden es euch nicht danken – aber ihr habt mit eurem rücksichtsvollen Verhalten ein Stück dazu beigetragen, dass die Natur, in der ihr so gerne unterwegs seid (= abseits der Pisten) geschont wird und eine Chance hat, ihre Vielfalt zu bewahren.

Eure Checkbox fürs Freeriden im Wald:

  • 500 m zu beiden Seiten von Liftanlagen und Pisten ist das Abfahren im Wald verboten.

  • Jungwaldflächen (= freie Flächen) unter drei Meter Wuchshöhe dürfen nicht befahren werden.

  • Bei freien Flächen im Wald am besten entlang von Hochwaldrändern oder im lichten Hochwald abfahren.

  • Markierten oder viel befahrenen Routen folgen.

  • Nur tagsüber unterwegs sein und Lärm vermeiden.

  • Möglichst großen Abstand zu Tieren halten und diese nicht verfolgen.

Georg Rothwangl ist Mitarbeiter in der Abteilung Raumplanung und Naturschutz des Österreichischen Alpenvereins und dort für Naturraummanagement und Besucherlenkung zuständig. Er ist selbst im Winter gerne als Skitourengeher und Freerider unterwegs, früher mit Snowboard, nun mit Powderlatten.

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