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Schneegestöber

SchneeGestöber 1 2020/21 | Déjà-vu auf das Frühwinter-Krustensandwich

Markante Schneefälle im Herbst entpuppen sich später oft als mögliche Schwachschichten

von Lukas Ruetz 21.11.2020
Nach einem fulminanten Start in die Saison im September und Oktober holt uns der November mit dem herbstlichen Hochdruck – der WetterBlog berichtete – auf den Boden der Tatsachen zurück. Die Schneedecke aperte sonnseitig wieder bis weit hinauf aus, schattseitig hingegen bilden sich bei dieser Konstellation aus gesetzter aber geringmächtiger Altschneedecke und anhaltendem Schönwetter facettierte Schwachschichten aus.

Rückblick aus Sicht der Schneedecke

Bereits in der letzten Septemberwoche gab es einen markanten Schneefall bis in die höheren Tallagen. Für viele Locals war es der Start in die neue Saison mit einem Steinski auf gutmütigem Untergrund. Anfang Oktober folgte ein Föhneinbruch samt leichtem Regen bis in hochalpine Lagen. Mitte Oktober kam das zweite, markante Neuschneeereignis mit einer mäßigen Erwärmung danach. Ende Oktober folgte ein dritter starker Schneefall bis in die Täler mit teils einem halben Meter Neuschnee. Am 03.11. regnete es wieder leicht bis in nahezu hochalpine Gefilde und am darauffolgenden Tag blieb die Luft sehr warm, neblig und feucht. Seitdem herrscht mehr oder weniger warmes Hochdruckwetter mit meist klarem Himmel und recht trockener Luft vor, selten unterbrochen von kaum nennenswertem Neuschnee.

Durch die Wärmeeinbrüche bildet sich an der Obergrenze des Neuschnees eine Schmelzkruste. Darunter bleibt der Schnee vorerst pulvrig oder, wenn bereits vorher gesetzt, kompakt. Das Hochdruckwetter seit etwas über zwei Wochen verändert die Schneedecke allerdings massiv – vor allem schattseitig wo der Schnee liegen geblieben ist, aber auch sonnseitig auf den hohen Bergen, die in allen Expositionen schneebedeckt sind. In sehr steilen Südhängen findet untertags durch die hohen Temperaturen und die Sonnenstrahlung Schmelzumwandlung statt – der Schnee schmilzt oberflächlich. Nachts friert die Schneeoberfläche wieder, kühlt stark aus und bildet ein starkes Temperaturgefälle zu tieferen Schneeschichten. Dadurch übernimmt in der Nacht die aufbauende Umwandlung – auch in sonnseitigem Gelände. Allerdings ist die Schmelzumwandlung untertags wieder so stark, dass sich kaum oder nur leicht ausgeprägte, aufbauend umgewandelte Schwachschichten bilden können.

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Schattseitig und in nur zeitlich kurz oder schwach besonnten Hängen schaut die Situation völlig anders aus. Zwar sind dort auch mehrere Schmelzkrusten in der Schneedecke durch Regen und feucht-warme Luft vorhanden. Allerdings findet hier bei Schönwetter keine Schmelzumwandlung mehr statt. Auch bei Temperaturen bis einige Grad über 0. Die Schneeoberfläche kühlt bei klarem Himmel immer stark aus und bleibt im Schatten deutlich unter 0°C. Dadurch bleibt der Schnee kurzfristig gesehen wie er ist. Allerdings werkelt die aufbauende Umwandlung durch das Temperaturgefälle zwischen der kalten Oberfläche und den viel wärmeren Schneeschichten darunter ununterbrochen. Wie in einem Ameisenhaufen wuselt der Wasserdampf unaufhörlich 24 Stunden pro Tag von einem Kristall zum nächsten und friert dort wieder an. Die gesamte Schneedecke wandelt sich allmählich aufbauend um, die Kristalle werden größer und lockerer. Eine Altschneeschwachschicht entsteht. Am stärksten ist dieser Prozess direkt unterhalb der Schmelzkrusten.

Vorerst verändert sich die Schneedecke im Grunde aber nicht zum Negativen. Außer, dass sich eine tragfähige Schneeoberfläche langsam immer mehr zu Bruchharsch entwickelt. Denn nicht nur die Schneeschichten zwischen den Krusten wandeln sich um, auch die Krusten selbst werden von unten her langsam „aufgefressen“. Die Schmelzformen der Kruste verwandeln sich langsam zu lockeren, glasigen und kantigen Kristallen. Denn vorhandene Schwachschichten werden erst dann zum Problem, wenn ein geeignetes Schneebrett über ihnen liegt. Das fehlt derzeit meistens noch.

Der einzige Effekt für den Wintersport ist vorerst das tiefere Einsinken oder Durchbrechen durch die Schneedecke.

Ausblick

Altschneeschwachschichten sind also durch das Hochdruckwetter seit Anfang November bereits vorhanden. Ob und wie sich diese auf die Lawinensituation auswirken, kann man nicht voraussagen. Das kommt auf den weiteren Verlauf an, vor allem auf die Häufigkeit und Intensität von neuen Schneefällen.

Theoretisch könnte sich auch gar kein relevantes Altschneeproblem daraus entwickeln – das ist allerdings sehr unwahrscheinlich. Wenn es weiterhin wochenlang bei klarem Himmel und kaum Neuschnee bleibt, werden die wuselnden Ameisen riesige Becherkristalle in der dünnen Schneedecke bilden – die uns beim Anschauen schon entgegen rieseln. Dann könnte uns über den ganzen Winter ein bodennahes Altschneeproblem begleiten, sobald die lockere Schneedecke vom geeigneten Schneebrett überlagert wird.

Beide Szenarien, baldige starke Schneefälle oder weiter anhaltendes Schönwetter, weisen Vorteile auf:

Wenn es gleich viel und regelmäßig schneit, gibt es wahrscheinlich nur wenige Tage bis maximal wenige Wochen ein Problem.

Wenn es weiterhin bei klaren Himmel bleibt und die Altschneeschwachschichten erst irgendwann im Dezember oder Jänner nach Neuschnee zum Altschneeproblem werden, kann man die in den letzten drei Wintern so seltenen Schwimmschneekristalle, erschaudernde Schneedeckentestergebnisse und das mehrschichtige Schneedeckensandwich wieder eine Saison lang intensiv bewundern. So wie beispielsweise 2014/15, 2015/16 und 2016/17.

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