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Schneegestöber

SchneeGestöber 1 2023/24 | Weihnachstauwetter

... und der Einfluss von Regen auf die Schneedecke

von Lydia Knappe 04.02.2024
Diese Saison hat erfreulicherweise sehr schneereich gestartet und für eine gute Grundlage gesorgt. Bis kurz vor Weihnachten ist das auch so geblieben. Pünktlich zu Weihnachten ist das sogenannte Weihnachtstauwetter eingetreten.

Das Weihnachtstauwetter

Diese mild-nasse Witterungsperiode tritt in Mitteleuropa kalendergebunden zwischen dem 15. Dezember und 15. Januar in knapp sieben von zehn Jahren auf und wird als klimatologische Singularität oder wiederkehrende Witterung bezeichnet. Unter einer Singularität wird in der Meteorologie generell eine rares, aber wiederkehrendes kurzfristiges Wetterereignis in einer bestimmten Region verstanden. Ein Auslöser für das Weihnachtstauwetter kann die Ende November einsetzende Polarnacht in Skandinavien sein. Durch die fehlende Sonneneinstrahlung bildet sich ein Kältehoch. Wenn dieses durch eine Ostströmung verlagert wird, kann sich damit der Weg für feucht-warme Luft von Westen und Südwesten öffnen. Diese bringen Regenfälle und milde Temperaturen. Die Niederschläge können bis in Gipfelhöhe reichen. Aufgrund von gefrorenem Boden bietet sich keine Versickerungsmöglichkeit, weshalb der Niederschlag in Oberflächenabfluss übergeht und typische Strukturen im Schnee, wie Schmelzkanäle, hinterlässt (siehe Bild). Das Auftreten dieser Singularität ist zwar statistisch signifikant, jedoch ist ihre Kalenderbindung nicht so stark, dass sie Wettervorhersagen eingesetzt werden kann. Zudem ist die eindeutige Erklärung solcher Singularitäten in einer Region wie Europa schwer, da Temperaturen und Niederschläge einer starken interannualen (periodischen) Variabilität unterliegen. Gerade in den Alpen kann auch die komplexe Orographie zu lokalen Effekten führen.

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Wie wirkt sich dies jedoch auf die Lawinensituation aus? - Der ambivalente Einfluss von Regen auf die Schneedecke

(Auch in vorherigen Schneegestöber haben wir das Thema schon aufgegriffen)

Der negative Einfluss:

„Regen führt kurzfristig fast immer zu einer Zunahme der Lawinengefahr“ (Mair & Nairz 2010). Dies hängt zum einen mit der zusätzlichen Belastung des perkolierenden Wassers innerhalb der Schneedecke zusammen, zum anderen kann der Regen die unter den Schneekristallen vorherrschenden Verbindungen stören und somit als einer Art Gleitmittel fungieren, gerade durch die gehemmte Versickerungseigenschaften des gefrorenem Bodens, was zu einem Abfluss zwischen Boden und Schneedecke und somit einer Instabilität führt. Dies kann sich in einer spontanen Lawinenaktivität äußern.

Der positive Effekt:

Da durch die positiven Temperaturen eine Schmelzmetamorphose angetrieben wird, kann Regen mittel- und langfristig einen stabilisierenden Effekt haben. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Temperaturen nach dem Niederschlagsereignis sinken. Durch genügende Abkühlung gefriert das Wasser in den Poren und die Schneedecke verfestigt sich. Schmelzkrusten, Harschdeckel und Schmelzkanäle gehen als erkennbare Formen im Gelände einher.

Auswirkungen:

Folgt einer solchen Warmphase eine Kaltphase, mit der potenziell eintretenden Voraussetzung, dass der feucht-nasse Schnee nicht komplett durchfriert, herrscht ein tückisches Lawinenproblem: kalt auf warm. Dabei entsteht ein großer Temperaturgradient innerhalb der Schneedecke, was aufbauende Umwandlungsprozesse in der Schneedecke und somit mögliche Schwachschichten begünstigt. Durch den Regen kann sich, wie bereits erwähnt, ein Schmelzharschdeckel bilden. Aufgrund von Kondensations- und Resublimierungsprozessen innerhalb der Schneedecke, welche aus dem Dampfdruckgradienten zwischen tieferem feuchterem wärmeren Schnee und dem oberflächennahen trockenerem kälteren Schnee resultieren, bildet sich unterhalb des Schmelzharschdeckels eine sich aufbauend umwandelnde Schicht. Mit frischem (Trieb-) Schnee kann sich nun das Neuschneepaket samt Harschdeckel auf der Schwachschicht lösen. Zu beachten ist, dass sich diese Schwachschicht erst im Verlauf nach dem Einschneien herausbildet.

Die Auswirkungen des sowohl negativen als auch positiven Effekts auf die Lawinensituation konnten auch diesen Winter durch das Auftreten des Weihnachtstauwetters beobachtet werden. Spontane Gleitschneelawinen gingen ab, anschließend stabilisierte sich die Schneedecke durch fallende Temperaturen, vor einer möglichen Schwachschichtbildung wurde im Lawinenbulletin Tirol gewarnt

Resümee:

Das warm-feuchte Wetter, welches um die Weihnachtszeit häufig die Aussichten auf Schnee zum Schmelzen bringt, kann durch bestimmte Konstellationen von Großwetterlagen erklärt werden. Der Niederschlag, der bis in große Höhen als Regen fallen kann, wirkt sich zunächst negativ auf die Lawinensituation aus, bewirkt jedoch auch, durch eine antreibende Schmelzmetamorphose, eine Stabilisierung der Schneedecke. Das skifahrerische Vergnügen wird allerdings durch sich bildende Harschdeckel, Schmelzkrusten und -kanäle gebremst. Mit Vorsicht zu beachten ist ein sich anschließender Niederschlag in Form von Schnee durch gesunkene Temperaturen. Dies kann nach etwa zwei Tagen nach dem Niederschlagsereignis in einer Schwachschicht innerhalb der Schneedecke resultieren.

Literatur:
Mair, R. & Nairz, P. (2010): Lawine. Praxis-Handbuch von Rudi Mair und Patrick Nairz. Die 10 entscheidenden Gefahrenmuster erkennen. Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck.

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