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Schneegestöber

SchneeGestöber 13 2016/17 | Schneeprofilbesprechung

Schneeprofile zu lesen lernt man unter anderem mit Beispielen

von Lukas Ruetz • 27.01.2017
Um dem „Ich-versteh-nur-Bahnhof“-Gedanken bei der Ansicht von Schneeprofilen – egal ob im Schneegestöber oder in diversen Portalen der Lawinenwarndienste – entgegenzuwirken, wenden wir uns wieder erklärenden Beispielen zu. Als einleitende Erläuterung empfiehlt sich Wie liest und interpretiert man ein Schneeprofil.

Profil Pforzheimer HĂĽtte (Stubaier Alpen) vom 26.1.2017

Wir sehen vier wesentliche Bereiche, verteilt auf eine Schneehöhe von 85cm. Die oberflächlichen Schichten (1) bestehen nur aus kantigen Kristallen - sind also aufbauend umgewandelt aber noch nicht in Form von Schwimmschnee. Diese Kristallformen sind in den Strahlungsnächten entstanden, also den wolkenlosen Nächten der letzten Tage, an denen die Schneeoberfläche durch die emittierte Wärmestrahlung massiv auskühlen konnte. Dadurch entwickelt sich ein starker Temperaturgradient vor allem in Oberflächennähe. Der dort lagernde Schnee beginnt lockerer zu werden, sich also aufbauend umzuwandeln.

Diese Auflage fühlt sich beim Spuren und Skifahren ähnlich an wie Pulverschnee, rieselt aber wesentlich stärker und zischt charakteristisch beim Schwingen. Man sackt im Regelfall noch weiter und leichter ein als in frischem Pulverschnee. Als Ausgangsprodukt vor der Umwandlung lag hier mit hoher Wahrscheinlichkeit Pulverschnee, es könnte sich aber auch um Triebschnee (Rundkorn) gehandelt haben, der immer lockerer wurde. Durch die wolkenlosen Nächte und die damit einhergehende aufbauende Umwandlung von oberflächennahen Schichten nehmen die Spannungen ab (die Härteunterschiede zwischen den bodennahen, lockeren Schwachschichten und den oberflächennahen, härteren Schichten werden geringer) und die Lawinengefahr sinkt.

Darunter folgt ein Bereich von abbauend umgewandeltem Schnee (2), also rundkörnigen Kornformen. Das kann alter Triebschnee sein oder aber einfach Neuschnee, der sich mittlerweile abbauend umgewandelt hat. Bereich 1 & 2 sind der Neuschnee seit Anfang Jänner, Bereich 3 & 4 stammen von den Schneefällen im Herbst und wurden vornehmlich in der Wärme- und Trockenperiode im Dezember umgewandelt.

Bereich 3 ist eine Schmelzkruste mit einer Korngröße von 2 bis 5 Millimetern und einem Härtegrad 4 (blauer Balken links neben der Höhenangabe zeigt den Härtegrad). Das bedeutet, dass sie nicht mehr mit einem Finger durchdringbar ist, sondern nur mehr mit dem Bleistift. Rechts im Brillensymbol der Schmelzkruste findet sich ebenfalls das Symbol für "Tiefenreif, Schwimmschnee" - das aufgestellte V. Das heißt, dass die Kruste "aufgefressen" wird bzw. wurde - also die Schmelzklumpen von der aufbauenden Umwandlung verändert werden. Die Kruste stellt die Altschneeoberfläche bis zu den Schneefällen von Anfang Jänner dar.

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Darunter, im Bereich 4, gab es mit Sicherheit einige andere Krusten von Regenereignissen und Wärmeeinbrüchen in Oktober und November. Diese wurden allerdings durch die aufbauende Umwandlung vollständig aufgelöst und zu Schwimmschnee (aufgestelltes V) umgewandelt, die Krusten wurden vollständig "aufgefressen" und auch alle anderen Schichten zwischen den Krusten wurden aufbauend umgewandelt. Mittlerweile hat dort wieder die abbauende Umwandlung eingesetzt, durch die Bodenwärme und den schwächeren Temperaturgradienten in Bodennähe aufgrund der nun mächtigeren Schneedecke (Neuschneefälle) und der Anhebung der Oberflächenniveaus, erkennbar an der Symbolform "Kantig abgerundet". Dabei werden die Schwimmschneekristalle wieder fester (Härtegrad 2, blauer Balken), rieseln nicht mehr so leicht entgegen wie Zucker und werden wieder etwas kleiner im Durchmesser - der Prozess nennt sich "Sinterung".

Das heißt, momentan finden in der Schneedecke an diesem Standpunkt zwei wesentliche Prozesse statt: Zum einen die aufbauende Umwandlung in den oberflächennahen Schichten, zum anderen die abbauende Umwandlung in den bodennahen Schichten. Beides momentan als positiv zu werten, weil Spannungsabbau statt findet. Allerdings ist die aufbauende Umwandlung im Bezug auf nächste Schneefälle wiederum negativ.

Profil Marchenthorn (Nordalpen) vom 26.1.2017

Das Bild bei diesem Profil zeigt sich vollständig konträr. Es handelt sich allerdings um eine andere Exposition und Region - was das Ganze leicht erklärt. Der Überblick zeigt hier einen sehr guten Schneedeckenaufbau, da es sich fast nur um abbauend umgewandelten Schnee handelt - mit nur einer dünnen, eingelagerten Schmelzkruste aber keinen Schwachschichten. An der Oberfläche ist der Schnee feucht aufgrund von Exposition Süd, der Hangsteilheit von 41°, der Lufttemperatur von knapp 0°C, der Höhenlage und der Aufnahmezeit rund um Mittag. Beim Erweiterten Säulentest (Extended Column Test, ECT) konnte kein Bruch erzeugt werden. Die Ausgangslage für weitere Schneefälle präsentiert sich hier positiv.

Profil Tuxerjoch (Tuxer Alpen) vom 23.1.2017

Beim Schneeprofil am Tuxer Joch im Zillertal erkennt man im Wesentlichen drei Bereiche. An der Oberfläche (1) befindet sich rundkörniger Schnee als Folge der abbauenden Umwandlung oder von Windeinfluss. Teilweise ist noch filziger Schnee (/) mit von der Partie, also Kristalle die noch an Neuschnee erinnern. Danach folgt ein Bereich (2) der von einer Abwechslung von Krusten und aufbauend umgewandelten Schichten gekennzeichnet ist - dieser Abschnitt ist extrem inhomogen.

Das sollte schon von vornherein die Alarmglocken läuten lassen! In diesem Fall stammen die Krusten vermutlich von Oktober und November und dem wechselhaften Wettercharakter in diesem Zeitraum: Neuschnee, Regen, Wärmeeinbruch, Kälte, Regen, usw. Da wir uns hier auf knapp 2400m in einem Nordhang befinden, konnten die herbstlichen Schneefälle liegen bleiben, geregnet hat es aber zwischendurch meist über 2400m hinauf - dadurch sieht man an diesem Standort die Einflüsse des Wetters sehr gut.

Darüber lagert der angesprochene, abbauend umgewandelte Schnee, der den Spannungsaufbau mitbringt. Es wurde hier mehrmals ein ECT durchgeführt: Die Ergebnisse waren unterschiedlich, was auf eine schwierige Gefahreneinschätzung hinweist. Teilweise brechen die Brüche über den gesamten Block (Ergebnis: ECTP), teilweise in der gleichen Schwachschicht nur über Teile des Blocks (ECTN).

Am Boden (3) finden wir eine Kruste, die für die Lawinenbildung wenig Bedeutung hat. Diese Menge an Schichten sauber aus dem Profil herauszuarbeiten und eventuell noch den Wetterperioden zuzuordnen und damit Rückschlüsse auf andere Regionen, Höhenlagen oder Expositionen zu erhalten, fordert ein hohes Maß an Erfahrung.

Merke: Schneeprofile zu lesen ist keine Hexerei. Sie zu interpretieren und Schlüsse für die Praxis zu ziehen gestaltet sich schwerer. Für den Laien - und damit die meisten Wintersportler - sind Schneeprofile bezüglich Prozessverständnis interessant, weniger zur Tourenplanung oder zur eigenen Gefahrenabschätzung.

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