Zum Inhalt springen

Cookies 🍪

Diese Website verwendet Cookies, die Ihre Zustimmung brauchen.

Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung

This page is also available in English.

Zur Powderguide-Startseite Zur Powderguide-Startseite
Schneegestöber

SchneeGestöber 18 2019/20 | Die Arten der Frühjahrssituation – Teil 1

Von klassischer und nicht-klassischer Frühjahrssituation

von Lukas Ruetz 28.03.2020
In Lawinenwarnprodukten wird häufig nur von der „klassischen Frühjahrssituation“ gesprochen. Aber was sind dann die „nicht-klassischen“ Frühjahrssituationen? Davon gibt es drei an der Zahl, die wir im nächsten SchneeGestöber näher durch besprechen. Zum Start aber als Grundlage die häufigste der insgesamt vier verschiedenen Schneedeckenszenarien im Frühjahr.

Klassische Frühjahrssituation: Daily Melt-Freeze Cycles

Davon liest man häufig, ist es auch die mit Abstand am meisten vorkommende Schneesituation im Frühjahr. Das Frühjahr in Sachen Schneedecke beginnt in den Alpen übrigens in den niedrigen Regionen im randalpinen Bereich schon im Feber. Hochalpin kann bis in den Mai immer eine Hochwintersituation vorherrschen – sofern die Wetterlagen passen – und die erste Durchfeuchtung der Schneedecke erst dann erfolgen! Wir sprechen vom Frühjahr in Kombination mit der Schneedecke nämlich erst, wenn sie erstmals tiefergehend durchfeuchtet wird.

Bei der klassischen Frühjahrssituation weicht die Schneeoberfläche untertags auf („firnt auf“) und friert nachts wieder zu einem Harschdeckel zusammen. Dieser kann dick und tragfähig sein, aber auch nur dünn und Bruchharsch – je nach genauer Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Bewölkungsgrad. Die Dicke des Harschdeckels hängt aber auch von der Durchfeuchtungstiefe der Schneedecke ab. Ist die Schneedecke nur oberflächlich auf wenigen Zentimetern feucht und darunter noch trocken, dann können auch nur die obersten Zentimeter zu einem Harschdeckel frieren.

Ob die Schneedecke schon vollständig durchfeuchtet/durchnässt ist, oder erst die obersten Schichten feucht geworden sind, ist egal – man bezeichnet beides als die „klassische Frühjahrsituation“ sofern der tägliche Wechsel zwischen Harschdeckelbildung an der Oberfläche und Auftauen untertags gegeben ist. Denn um diesen Zyklus geht es bei diesem Schneedeckenszenario.

Schneegestöber
presented by

Mit der täglichen Durchfeuchtung nimmt die Lawinengefahr im Tagesverlauf zu. Der Harschdeckel an der Oberfläche stabilisiert die Schneedecke nämlich massiv. Meist gibt es am Morgen sogar eine niedrige Gefahrenstufe 1 und im Laufe des Vormittags ändert sich das auf Gefahrenstufe 2 oder 3 oder sogar 4. Innerhalb von 24 Stunden gibt es also Tag für Tag einen Zeitbereich wo es „supergefährlich“ ist und auf der anderen Seite im Grunde fast narrensicher.

Bei tiefergehender Durchfeuchtung nimmt die Lawinengefahr im Tagesverlauf in der Regel stärker zu als bei wenig tiefer Durchfeuchtung der Schneedecke.

Das Ausmaß des Gefahrenanstiegs hängt noch von mehreren Faktoren ab:

  • Wie schaut der Aufbau der Altschneedecke aus? Alte Schwachschichten, also ehemalige Altschneeprobleme, die sich meist schon wieder erledigt haben, werden bei der ersten Durchfeuchtung meist nochmals extrem aktiv und führen zu starker, spontaner Lawinenaktivität. Das Schmelzwasser schwächt die Verbindungen zwischen den, im trockenen Zustand eigentlich schon wieder recht gut versinterten, Kristallen.
  • Hat die Schneedecke noch eine Temperaturreserve? Bevor Schnee nämlich schmilzt, muss die eingehende Energie verwendet werden, um ihn von bspw. -7°C auf 0°C zu erwärmen.
  • Wie tief wurde die Schneedecke bereits durchfeuchtet? Die erste Durchfeuchtung ist meist am kritischsten. Eben da alte Schwachschichten noch vorhanden sind und geschwächt werden.
  • Wie stark ist die Durchfeuchtung? Je nasser Schnee wird, desto instabiler wird er. Zumindest in den ersten Wochen der Frühjahrssituation.
  • Wie lange ist es her, dass die Schneedecke erstmals durchfeuchtet wurde und wie viel Schnee ist seitdem geschmolzen? Ab einem gewissen Punkt wird Schnee nämlich nicht mehr „nasser“ und instabiler, sondern beginnt sich wieder zu verfestigen, da die Dichte wieder zunimmt. Kompakter Sommerschnee bildet sich aus. Das ist die erste Stufe von der winterlichen Schneedecke zum mehrjährigen Firn und evtl. später zu Gletschereis. Dann nimmt die Lawinengefahr wieder markant ab bis sie sich trotz durchfeuchteter Schneedecke wieder gegen Null nähert. Das ist aber ein Zeitraum von mehreren Wochen und somit meist erst im Mai oder Juni ein Thema.
  • Wie stark ist die tageszeitliche Erwärmung? Wie stark ist die Sonne (bspw. große Unterschiede zwischen Feber und Mai)? Wie mächtig ist der Harschdeckel aus der Nacht und wie lange braucht er, bis er wieder komplett durchgeweicht wurde? Ist er nur sehr dünn, kaum tragfähig und weicht schon mit den ersten Sonnenstrahlen wieder komplett auf? Oder ist er 10 oder mehr Zentimeter dick, sehr kalt an der Oberfläche und braucht bis zum späten Nachmittag bis er wieder durchnässt wird?

Anhand dieser Überlegungen wird dann das Ausmaß des Gefahrenanstiegs im Tagesverlauf von den Lawinenwarnern eruiert. Steigt die Lawinengefahr nur ganz leicht und erst später am Tag an, oder ganz leicht und dafür schon recht früh nach Sonnenaufgang? Oder steigt sie markant im Tagesverlauf an oder kontinuierlich bis zu Sonnenuntergang? Oder gar schon ganz markant ganz kurz nachdem die ersten Sonnenstrahlen die Schneedecke berühren?

Das Management der Lawinengefahr für Wintersportler geht dann (wie fast immer) nach Höhenlage und Exposition. Aber vor allem nicht nur auf örtlicher Basis, sondern auf zeitlicher Basis. Früh starten, früh wieder daheim sein. Dann genießt man meist den besten Butterzischfirn, isst daheim ein zweites Frühstück und legt sich am Nachmittag ins Freibad.

Bei der klassischen Frühjahrssituation gibt es einen mehr oder weniger stark ausgeprägten, tageszeitlichen Anstieg der Lawinengefahr. Gutes Zeitmanagement ist alles!

Ähnliche Artikel

Kommentare

Schneegestöber
presented by