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Schneegestöber

SchneeGestöber 2 2020/21 | Warum klarer Himmel für Schwachschichtbildung öfter die entscheidende Rolle spielt als tiefe Temperaturen

Die Entwicklung von Altschneeschwachschichten geht weiter

von Lukas Ruetz 28.11.2020
Täglich grüßt das Murmeltier mit Sonnenschein und einem meist wolkenlosen Himmel. Vor allem in Nähe der Oberfläche herrscht in der Schneedecke dadurch ein massives Temperaturgefälle auf wenigen Zentimetern – oft trotz Plusgraden bis in hohe Lagen.

Mit jedem Schönwettertag arbeitet der Ameisenhaufen der Schneedecke unter Hochdruck an der Bildung von Altschneeschwachschichten weiter. Meist lernt oder hört man, dass tiefe Temperaturen für die Bildung von aufbauend umgewandelten Schwachschichten verantwortlich sind. Allerdings herrschen momentan – wenn überhaupt – nur leichte Minusgrade, auch auf den höheren Bergen. Natürlich ist das Gehörte nicht falsch: Kälte begünstigt die großflächige, aufbauende Umwandlung in der Schneedecke. Viel häufiger ist allerdings eine lange Schönwetterperiode bei niedrigem Sonnenstand im Herbst, Früh- oder Hochwinter für die Schwachschichten verantwortlich als tiefe Temperaturen. Weil sich für die Schneedecke damit der gleiche Effekt ergibt.

Einfluss des Temperaturgefälles

Ausschlaggebend für die Art der Umwandlung in der Schneedecke ist der Temperaturgradient. Also die Temperaturänderung pro Zentimeter Schneedecke oder auf gut Deutsch: Wie stark das Temperaturgefälle ausgeprägt ist. Wenn die Schneedecke überall gleich temperiert ist, beispielsweise von oben bis unten überall -5°C kalt, wird im Ameisenhaufen aber genauso stark gearbeitet. Allerdings nicht in der aufbauenden Umwandlung, sondern in der abbauenden Umwandlung. Die Schneedecke wird dann kompakter und die Schneekristalle kleiner und runder.

Die Ameisen beginnen den Haufen in Form der aufbauenden Umwandlung zu verändern, sobald die Temperatur sich um 0,15°C pro Zentimeter ändert, oder 15°C pro Meter. Die Kristalle werden dann kantiger, größer und locker. Je größer der Temperaturunterschied auf kleinem Raum wird, desto stärker wird die aufbauende Umwandlung.

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Einfluss der Absolut-Temperatur

Aber auch die Absolut-Temperatur ist ausschlaggebend: Eine durchgehend auf -15°C temperierte Schneedecke baut sich langsamer abbauend um als eine durchgehend auf -1°C temperierte Schneedecke.

In Physik in der Schule hat man mal gelernt: Temperatur ist nichts anderes als die Bewegungsgeschwindigkeit der Moleküle. Je wärmer es ist, desto schneller zappeln diese. Je wärmer es in einer Schneedecke ist, desto schneller baut sich diese um – egal ob abbauend oder aufbauend. Weil die Ameisen darin einfach schneller arbeiten können. Eine Oberflächentemperatur bei einer 1m mächtigen Schneedecke von -15°C und einer Temperatur der Schneedeckenbasis von 0°C weist den exakt gleich stark ausgeprägten Temperaturgradienten auf, wie eine Schneedecke mit einer Oberflächentemperatur von -31°C und bei einem Meter unter der Oberfläche mit -16°C. Der Gradient beträgt jeweils 15°C auf 1m Schneehöhe. Trotzdem ist die aufbauende Umwandlung im absolut wärmeren Bereich wesentlich stärker, weil dort schneller gearbeitet und umgewandelt wird.

Die Oberflächentemperatur

Da die Schneedecke an ihrer Basis immer 0°C oder nur wenig kälter ist, spielt die Oberflächentemperatur der Schneedecke die Hauptrolle für die Bildung persistenter Schwachschichten bei einem bodennahen Altschneeproblem.

Die Oberflächentemperatur ist ein Produkt aus

  1. Einstrahlung
  2. Abstrahlung
  3. Lufttemperatur
  4. Luftfeuchtigkeit

Alle vier Parameter spielen eine wesentliche Rolle.

Die Lufttemperatur steht in direktem Austausch mit der Schneedecke durch die „Berührung“ – wie wenn wir auf eine heiße oder kalte Herdplatte greifen und sich die Wärme von der Platte auf die Hand überträgt. Man spricht hier von der fühlbaren Wärme oder Wärmeleitung.

Die Luftfeuchtigkeit beeinflusst die Oberflächentemperatur durch die Sublimation der Schneedecke. Je weniger Luftfeuchtigkeit, desto stärker „verdampft“ der Schnee an der Oberfläche weil mehr Wasser in der Luft Platz findet. Verdampfen oder Verdunsten kühlt die Schneeoberfläche. Je mehr Schnee sublimiert, desto stärker wird die Oberfläche damit gekühlt. Man spricht hier von der latenten, versteckten Wärme. Weil sie erst frei oder entzogen wird, wenn ein Phasenübergang stattfindet. Von fest zu gasförmig entzieht Wärme. Von gasförmig zu fest – also wenn sich Reif am Boden bildet – wird ein bisschen Wärme frei.

Bei der Strahlung unterscheiden wir jeweils kurzwellige Strahlung, dazu zählt die Sonnenstrahlung, und langwellige Strahlung, also die Wärmestrahlung, die man von der Infrarotkabine kennt. Kurzwellige Strahlung erzeugt der Schnee von selbst keine. Er kann nur durch kurzwellige, einfallende Strahlung erwärmt werden. Nicht aber durch das eigene Ausstrahlen kurzwelliger Strahlung abkühlen.

Bei der langwelligen Strahlung schaut das Ganze anders aus. Schnee ist der perfekte Strahler im langwelligen Bereich – ein sogenannter schwarzer Körper. Nur sehen wir Menschen mit unseren Augen nur kurzwellige Strahlen. Schnee strahlt durchgehend massiv Wärmestrahlung ab und kühlt dadurch aus. Und jetzt kommen wir zum springenden Punkt.

Der klare Himmel

Ist der Himmel wolkenfrei, kommt keine langwellige Strahlung von Wolken retour zur Schneedecke. Meist spricht man der Einfachheit halber von der Reflexion der langwelligen Strahlung an einer Wolkendecke. Das ist so nicht ganz richtig, ändert aber nichts am Verständnis. Eigentlich nehmen die Wolken die langwellige Strahlung der Erdoberfläche auf – in unserem Fall von der Schneedecke. Sie wandeln diese Strahlung in Wärme um und im Gegenzug strahlen sie wieder „neue“, langwellige Strahlung Richtung Erdoberfläche ab.

Im Endeffekt kann sich die Schneeoberfläche bei einem Wolkenschirm wenig bis kaum abkühlen. Meist bleibt sie dann im Bereich der Lufttemperatur stehen. Ist die Luft deutlich wärmer als 0°C, kann die Schneedecke natürlich nicht so warm werden wie die Luft. Dann schmilzt sie einfach stattdessen dahin.

Bei klarem Himmel kühlt sich die Schneeoberfläche massiv unter die Lufttemperatur ab. In Kombination mit niedriger Luftfeuchtigkeit geht das bis 20°C unter die umgebende Lufttemperatur.

Derzeit bewegt sich die Schneeoberfläche meist 7 – 15°C unterhalb der Lufttemperatur. Dort wo die Sonne nicht oder nur ganz flach hin scheint, ist das 24h pro Tag der Fall. Dort wo die Sonne noch kurzwellige Strahlung hinbringt, kann sich die Schneedecke für wenige Stunden deutlich erwärmen.

Der derzeitige Temperaturgradient

Damit ergibt sich momentan ein massiver Gradient in der Schneedecke. Vor allem in nicht besonnten Bereichen rund um die Uhr.

Massiv ist der Gradient nicht nur durch die tiefe Oberflächentemperatur sondern auch durch die geringe Schneehöhe. Bei wenig Schnee ist die Temperaturänderung pro Zentimeter bei gleicher Oberflächentemperatur schließlich stärker als bei viel Schnee.

Fazit

Meist gibt es im Frühwinter eher warme, lang anhaltende Hochdrucklagen. Diese sind fast immer die Verantwortlichen für die Bildung eines bodennahen Altschneeproblems. Natürlich baut auch eine lang anhaltende Kältewelle die Schneedecke stark aufbauend um. Wenn es lange extrem kalt bei klarem Himmel bleibt, ist die Umwandlung noch intensiver. Nur kommt das sehr, sehr selten in dieser Form vor.

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