Der WetterBlog wurde von der aktuellen Großwetterlage und den Dingen, die man darüber lesen muss, ziemlich unsanft aus dem Sommerschlaf geweckt. Noch schlaftrunken haben wir uns erstmal umgeschaut, was man so lesen muss. Welt.de sieht im kalten Herbst ein "böses Omen" und verlinkt unter anderem einen Klimawandelskeptikerblog, der uns am Anfang einer neuen Eiszeit wähnt und vermutet, dass das National Snow and Ice Data Centre (NSIDC) böswillig Meereisfläche unterschlägt, der DWD Satire betreibt und "Fakten verschleiert", und so weiter. Da hätten wir uns am liebsten gleich wieder umgedreht und noch ein Ründchen geschlafen. Wer (zusätzlich zum WetterBlog!) was anderes lesen möchte, findet auf WetterOnline eine brauchbare, wenn auch kurze Zusammenfassung der Situation. Allen, die es mit dem Interesse an Polarwirbel und Co ernst meinen, sei diese ausführliche Erläuterung empfohlen (eher lang und komplex, auf Englisch).
Was ist also los?
Der Polarwirbel schwächelt in der Tat. Tiefdruckzentren im Bereich der Aleuten und westlich von Grönland pumpen warme Luft in Richtung Pol. Zuletzt hat sich dadurch eine HochdruckbrĂĽcke zwischen Alaska und Spitzbergen gebildet, die den kalten Polarwirbel mit einem warmen BrĂĽckenschlag ĂĽber den Pol zerteilt. Die Teilung ist schon nicht mehr gar so ausgeprägt wie noch vor ein paar Tagen, die gestörte Grundstruktur besteht aber nach wie vor.Â
Temperaturverteilung in 850hPa auf der Nordhalbkugel, Reanalyse vom 30.10.: HochdruckbrĂĽcke ĂĽber dem Pol gut zu sehen.
Woran liegt das?
Tja, das wüssten viele gern etwas genauer. Die Druckverteilung hängt vermutlich mit dem Meereis zusammen, wirklich mit Sicherheit sagen kann es aber niemand. Die Ausdehnung des arktischen Meereises im Oktober war dieses Jahr sehr gering (das Sommermininum war hingegen nicht so extrem wie in einigen früheren Jahren, siehe Abbildung unten). Durch die verhältnismäßig großen, warmen, eisfreien Wasserflächen entsteht eine deutlich positive Temperaturabweichung über der Arktis (Abbildung weiter unten). Die Kontinente hingegen verfügen über eine bereits recht flächige Schneebedeckung (Eurasische Schneedecke weiter fortgeschritten als sonst oft um die Zeit) und sind kalt. Die Situation ist auch bekannt als WACCy Muster - Warm Arctis, Cold Continents. Je ausgeprägter das Kaltluftreservoir in Sibierien, desto hartnäckiger kann es sich dort halten, dem Polarwirbel im Weg liegen und bei Atlantikblocks kalte Luft nach Mitteleuropa schaufeln. Über den Zusammenhang zwischen wenig Meereis, warmem Wasser und verhältnismäßig viel Schnee und Kälte auf den Kontinenten darf mit einiger Berechtigung spekuliert werden. Es wird immer wieder vermutet (Beispiel), dass wenig Meereis indirekt zu mehr Schnee und kälteren Wintern führt (warmes Wasser verdampft, warme, feuchte Luft trifft auf kalten Kontinent, produziert dort Niederschlag, WACCy fördert Zirkulationsstörungen, usw.), es gibt jedoch auch Studien, die anderer Meinung sind und der Zusammenhang konnte bisher nicht definitiv und schlüssig mit Klimamodellen reproduziert werden (Beispiel).