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Wetterblog

WetterBlog 1 2016/17 | Wintereinbruch am Wochenende?

Und GrĂĽĂźe vom Polarwirbel

von Lea Hartl • 01.11.2016
Zum Einstieg in die WetterBlog Saison 2016/17 widmen wir uns einer aktuellen Frage von PG User Peleiade: "Was muss ich lesen? Der Polarwirbel schwächelt, extreme Milde auf den Aleuten und es droht sogar ein Polarwirbelsplit Anfang November? Was bedeutet das umgerechnet in Neuschnee?"

Der WetterBlog wurde von der aktuellen Großwetterlage und den Dingen, die man darüber lesen muss, ziemlich unsanft aus dem Sommerschlaf geweckt. Noch schlaftrunken haben wir uns erstmal umgeschaut, was man so lesen muss. Welt.de sieht im kalten Herbst ein "böses Omen" und verlinkt unter anderem einen Klimawandelskeptikerblog, der uns am Anfang einer neuen Eiszeit wähnt und vermutet, dass das National Snow and Ice Data Centre (NSIDC) böswillig Meereisfläche unterschlägt, der DWD Satire betreibt und "Fakten verschleiert", und so weiter. Da hätten wir uns am liebsten gleich wieder umgedreht und noch ein Ründchen geschlafen. Wer (zusätzlich zum WetterBlog!) was anderes lesen möchte, findet auf WetterOnline eine brauchbare, wenn auch kurze Zusammenfassung der Situation. Allen, die es mit dem Interesse an Polarwirbel und Co ernst meinen, sei diese ausführliche Erläuterung empfohlen (eher lang und komplex, auf Englisch).

Was ist also los?

Der Polarwirbel schwächelt in der Tat. Tiefdruckzentren im Bereich der Aleuten und westlich von Grönland pumpen warme Luft in Richtung Pol. Zuletzt hat sich dadurch eine Hochdruckbrücke zwischen Alaska und Spitzbergen gebildet, die den kalten Polarwirbel mit einem warmen Brückenschlag über den Pol zerteilt. Die Teilung ist schon nicht mehr gar so ausgeprägt wie noch vor ein paar Tagen, die gestörte Grundstruktur besteht aber nach wie vor. 

Temperaturverteilung in 850hPa auf der Nordhalbkugel, Reanalyse vom 30.10.: HochdruckbrĂĽcke ĂĽber dem Pol gut zu sehen.

Woran liegt das?

Tja, das wüssten viele gern etwas genauer. Die Druckverteilung hängt vermutlich mit dem Meereis zusammen, wirklich mit Sicherheit sagen kann es aber niemand. Die Ausdehnung des arktischen Meereises im Oktober war dieses Jahr sehr gering (das Sommermininum war hingegen nicht so extrem wie in einigen früheren Jahren, siehe Abbildung unten). Durch die verhältnismäßig großen, warmen, eisfreien Wasserflächen entsteht eine deutlich positive Temperaturabweichung über der Arktis (Abbildung weiter unten). Die Kontinente hingegen verfügen über eine bereits recht flächige Schneebedeckung (Eurasische Schneedecke weiter fortgeschritten als sonst oft um die Zeit) und sind kalt. Die Situation ist auch bekannt als WACCy Muster - Warm Arctis, Cold Continents. Je ausgeprägter das Kaltluftreservoir in Sibierien, desto hartnäckiger kann es sich dort halten, dem Polarwirbel im Weg liegen und bei Atlantikblocks kalte Luft nach Mitteleuropa schaufeln. Über den Zusammenhang zwischen wenig Meereis, warmem Wasser und verhältnismäßig viel Schnee und Kälte auf den Kontinenten darf mit einiger Berechtigung spekuliert werden. Es wird immer wieder vermutet (Beispiel), dass wenig Meereis indirekt zu mehr Schnee und kälteren Wintern führt (warmes Wasser verdampft, warme, feuchte Luft trifft auf kalten Kontinent, produziert dort Niederschlag, WACCy fördert Zirkulationsstörungen, usw.), es gibt jedoch auch Studien, die anderer Meinung sind und der Zusammenhang konnte bisher nicht definitiv und schlüssig mit Klimamodellen reproduziert werden (Beispiel).

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Was passiert jetzt?

Der ausgeprägte polwärts-gerichtete Wärmetransport begünstigt die Ausbreitung planetarer Wellen in die Vertikale (vertikal wave activity flux), also Störungen, die sich von unten aus der Troposphäre in die Stratosphäre ausbreiten. Auch in der Stratosphäre zeigt der Polarwirbel derzeit eine zweigeteilte Struktur, wie sie in der Regel nur im Hochwinter bei einer Stratosphärenerwärmung auftritt. Dass der Polarwirbel in allen relevanten Atmosphärenschichten so früh in der Saison derart unrund verläuft, ist in der Tat ungewöhnlich und bisher scheint sich niemand an eine vergleichbare Situation erinnern zu können. Da das Ganze vor dem Strahlungsminimum stattfindet, kann die Sonne wenig ausrichten um die Situation rasch aufzulösen, so wie etwa bei dem sehr späten Split im vergangen April.

Wie schon öfter im WetterBlog besprochen, geht ein gestörter Polarwirbel mit geschwächter oder ganz zum erliegen kommender Westdrift einher. Blockinglagen häufen sich. Hätten wir die aktuelle Druckverteilung im Hochwinter, wäre ein nachhaltig winterlicher Wetterabschnitt in Mitteleuropa einigermaßen wahrscheinlich, bedingt durch einen Atlantikblock und den eisigen Einfluss des kontinentalen Ostens. Da das Ganze so früh in der Saison stattfindet, ist die Sache nicht so recht eindeutig. Es fehlen die Erfahrungswerte, um die Situation statistisch einzuschätzen, der Polarwirbel könnte sich wieder fangen, es könnte nicht richtig in die Stratosphäre durchgreifen oder nur von kurzer Dauer sein, die Westdrift wieder anspringen. Wie sich Entwicklungen in der Stratosphäre grundsätzlich auf das Troposphärenwetter auswirken, ist auch eher undurchsichtig. Dennoch enthält die großräumige Konstellation durchaus Winterpotential (beziehungsweise Kältepotential, Niederschlag ist dann ja wieder ein anderes Thema) für die nächsten Wochen und man darf gespannt sein, wie sich der November entwickelt.

Konkrete Aussichten

Der in letzter Zeit recht goldene Oktober ist zu Ende. Am heutigen Mittwoch (2.11.) erreicht aus Nordwesten eine Kaltfront die Alpen. Die Schneefallgrenze sinkt bis Donnerstag Richtung ca. 1000m, weit im Osten unter Umständen auch tiefer. Die Niederschläge fallen aber nicht allzu ergiebig aus und klingen bis Donnerstag Mittag weitgehend ab. Der Freitag verläuft aus heutiger Sicht bei Zwischenhocheinfluss wieder etwas sonniger.

Spannend wird es am Wochenende. Die Strömung dreht zunächst auf SW und es wird föhnig im Norden, während im Süden Stauniederschläge einsetzen. Am Sonntag naht dann schon wieder eine Kaltfront. Der Niederschlag weitet sich auf den ganzen Alpenraum aus und die Schneefallgrenze sinkt. Die Modelle halten es derzeit für wahrscheinlich, das sich zudem noch ein Italientief entwickelt, das in Kombination mit kalter Luft im Norden dafür sorgt, dass der Niederschlag noch bis deutlich in die nächste Woche hinein anhält. Teilweise werden vor allem für den südeuropäischen Raum in Wochenfrist sehr hohe Niederschlagssummen gerechnet (potentielles Hochwasserproblem). Es dürfte sich eine recht markante Luftmassengrenze bilden, die sich mehr oder weniger quer über die Schweiz und Österreich legt und vermutlich langsam nach Süden wandert. Die genaue Lage der Luftmassengrenze bestimmt, ob es bis in die höheren Täler scheint oder doch eher weit rauf regnet. Überhaupt ist die Entwicklung ab dem Wochenende alles andere als in Stein gemeißelt, aber immerhin tut sich einiges!

Was der Polarwirbel mit der weiteren Entwicklung macht, beziehungsweise ob er überhaupt etwas damit macht, bleibt abzuwarten. Für die nächsten Tage interessant sind erstmal eher das Italientief und die Front am Wochenende.

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