Den Wetterblog erreichen zur Zeit immer wieder Fragen nach El Niño, der ist ja heuer - oder war es doch La Niña? Was ist das alles gleich nochmal und was heißt es für die Alpen? Hatten wir das Thema nicht schon mal? Ja, hatten wir. Um es vorweg zu nehmen: es gibt immer noch keine eindeutigen, statistisch definitiven Zusammenhänge zwischen El Niño und dem Alpenwinter, auf die sich irgendwer einigen kann.
Was ist el Niño?
Holen wir etwas weiter aus: Eins der etwas größeren Zahnräder des weltweiten Wettermotors ist ein Strömungsmuster über dem Pazifik auf Höhe des Äquators, genannt Walker-Zirkulation. Am Äquator blasen die Passatwinde an der Oberfläche grob von Ost nach West, wegen Erddrehung und so.
Diese Winde schieben das Meerwasser oberflächlich mit nach Westen, so dass an den Ostküsten der Kontinente (im Pazifik wäre das die Ostküste von Australien/Südostasien) eine Art Wasserstau entsteht. An den Westküsten der gegenüberliegenden Kontinente (im Pazifik die Westküste Südamerikas) fehlt das weg geschobene Oberflächenwasser und kaltes Tiefenwasser (nährstoffreich, mögen die Fische, mögen daher auch die Fischer) steigt nach oben. Man hat nun also einen Temperaturgradient vom einen Rand des Ozeans zum anderen.
An der warmen Seite (Asien, Australien) steigt warme, feuchte Luft auf, das Wetter ist eher stürmisch und instabil und entlädt sich gern mal in Form von Hurrikans und Zyklonen. Auf der kalten Seite (Südamerika) sinkt die Luft ab, das Wetter ist vergleichsweise ruhig.
Dieser „Normalzustand" der Walker-Zirkulation ist die neutrale Phase von ENSO, der El Niño Southern Oscillation. Wenn die Walker-Zirkulation besonders stark ausgeprägt ist, weil der Ost-West Temperaturgradient des oberflächlichen Meerwassers stärker ausgeprägt ist als sonst (kalt im Ostpazifik, warm im Westpazifik), spricht man von La Niña, der kalten ENSO Phase.
El Niño ist die warme Phase von ENSO. Der Temperaturgradient im Meer verschwindet oder kehrt sich um (warm im Ostpazifik, kalt im Westpazifik), was dazu führt, dass sich auch die Walker-Zirkulation abschwächt oder umdreht, beziehungsweise verschiebt.
Warum das passiert, weiß man nicht genau, es passiert aber mit einer gewissen unregelmäßigen Regelmäßigkeit. El Niño Phasen lassen sich bisher nicht verlässlich modellbasiert vorhersagen. Um Entwicklungen abzuschätzen, werden die Meeresoberflächentemperaturen bestimmter Teile des äquatornahen Pazifiks beobachtet, woraus man dann verschiedene Indizes berechnen kann. Schlägt der Index über mehrere Monate in die eine oder andere Richtung aus, kündigt sich eine bestimmte ENSO Phase an.
Momentan befinden wir uns in einer El Niño Phase und es wird erwartet, dass die aktuelle Episode im Winter 2015/16 ihren Höhepunkt erreicht. Das ganze ist, zumindest was die Größenordnung der SST (=Sea Surface Temperature, weil man Meeresoberflächentemperatur nicht jedes Mal ausschreiben möchte) Abweichungen angeht, vergleichbar mit 1997/98, dem letzten wirklich starken El Niño, der sich zumindest in den USA als Phase mit besonders chaotischem Wetter ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat.
Grob gesagt äußert sich El Niño im Westen der USA in Form von wärmeren, nasseren Bedingungen als üblich. Bei uns gibt es, um das nochmal zu betonen, keine als bunter Klecks in eine Karte malbaren Auswirkungen. Irgendwie hängt natürlich trotzdem immer alles zusammen, es ist aber, wie üblich, nicht so einfach.
Hier kann man verfolgen, was sich gerade tut. .Aktuelle ENSO advisory der NOAAGute, ausführliche Erklärung.
Und wann wird's endlich Winter?
Die holländischen Kollegen sehen schon länger die am Wochenende nahende Winterapokalypse, mal über den gesamten Alpenbogen, mal, wie jetzt, doch eher nur im Westen in total apokalyptischer Ausprägung. Auch unser hauseigenes Orakel verteilt Andeutungen und Teaser im einschlägigen Internet, bezüglich eines möglicherweise am Freitag zu erwartenden PowderAlarms.
Was ist also los?
Die nun lang sehr zonale Großwetterlage wird in ihrer hartnäckigen Westströmung gestört. Über der Ostküste Nordamerikas wölbt sich ein Keil aus, der in den nächsten Tagen kräftiger wird und nach Osten wandert. Diese doch recht große Welle im Strom der Westdrift bleibt, wie das bei Wellen meistens ist, nicht allein im sonst glatten atmosphärischen Ozean, sondern produziert weitere Wellen. Für uns relevant eine Austrogung über Mitteleuropa, die kalte Luft zu uns schaufelt. Eine bis vor kurzem in den Modellen anwesende Tiefdruckentwicklung im Mittelmeer ist nun wieder verschwunden, womit der Großteil der Niederschläge im Nordwesten zu erwarten ist. Die Details überlassen wir wie üblich dem Orakel und stimmen derweil in den allgemeinen Seufzer der Erleichterung ein, der aus den Skigebiete zu hören ist: Der Novembersommer geht zu Ende und die Zeichen stehen zum ersten Mal auch mittelfristig nicht schlecht für jahreszeitentypisches Wetter. Wir erinnern daran, dass jahreszeitentypisch im November nicht das gleiche ist wie jahreszeitentypisch im Februar. Das FC Stubai bringt diese Thematik in folgender Grafik selbsterklärend auf den Punkt: