Wenn man von Extremen irgendeiner Art spricht, bezieht man sich damit implizit immer auch auf ein bestimmtes Verständnis von Normalität, dem eben in diesem Fall nicht entsprochen wird. Beim Wetter orientiert man sich dabei an Messwerten aus der Vergangenheit. Angenommen man hat an Ort X seit 100 Jahren jeden Tag die Maximaltemperatur gemessen und aufgezeichnet, so hat man 365 x 100 Datenpunkte (Schaltjahre ignorieren wir ausnahmsweise), beziehungsweise für jeden Tag des Jahres 100 Vergleichswerte. Man kann also die Maximaltemperatur des 10. Januar mit der Maximaltemperatur von 99 anderen 10. Januaren vergleichen. Wenn man zählt, wie oft eine bestimmte Maximaltemperatur in den letzten 100 Jahren am 10 Januar vorkam, wird man feststellen, dass die meisten 10. Januare mit ein paar Grad Schwankungsbreite gleich temperiert sind. In einigen Jahren war der 10. Januar aber kälter oder wärmer als die Temperaturspanne, die von dieser Schwankungsbreite abgedeckt wird. Je weniger häufig eine bestimmte Temperatur vorkommt, desto weiter begibt man sich in die Außenbereiche der Gaußschen Glockenkurve, die unsere normalverteilten Temperaturen beschreibt. Sowas gab es irgendwann mal im Mathematikunterricht.
Bei Wetterfragen orientiert man sich bezĂĽglich extremen Ereignissen genau an dieser Kurve. Wenn die Temperatur in einem von 100 Jahren am 10. Januar unter einen bestimmten Wert liegt, spricht man gern von einem "Jahrhundertereignis", wobei betont werden sollte, dass solche Einschätzungen schwer zu treffen sind, wenn nur 100 Jahre an Daten zur VerfĂĽgung stehen. Besser wäre: ein 100-jähriges Ereignis ist jene Maximaltemperatur, die in den letzten 1000 Jahren am 10. Januar nur 9-mal ĂĽbertroffen wurde.Â
Die Glockenkurve geht nach außen hin nur seeeehr langsam gegen Null, das heißt sie gibt solchen und noch selteneren Ereignissen Raum. In diesem Bereich der seltenen bis so gut wie nie zu erwartenden Ereignisse bewegen sich viele Risikoabschätzungen, wie sie etwa für Gefahrenzonenpläne oder von Versicherungen und den großen Rückversicherern betrieben werden.
Aktuelle Lage
Abgesehen von der schnöden Stochastik sind auch Schlagzeilen wie „Lizard blizzard: iguanas rain from trees“ und „Hundreds of boiled bats fall from sky“ gute Indizien für Extremwetter. Und samit spannen wir den Bogen zum aktuellen Wetter!
Die gekochten Fledermäuse fielen einer Hitzewelle in Australien zum Opfer. In Sydney wurde am 6. Januar eine Temperatur von ĂĽber 47°C gemessen (zur Erinnerung: in Sydney ist zur Zeit Sommer). Ă„hnlich heiĂź war es zuletzt 1939. Man könnte also behaupten, kochende Fledermaushirne in Australien sind ungefähr ein 80-jähriges Ereignis, wobei wie bereits erwähnt eigentlich eine bessere Datengrundlage von Nöten wäre, um das definitiv festzustellen.Â