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Abenteuer & Reisen

Balkan Beats in Nordmazedonien

Catskiing im Šar Gebirge

von Marek Victor Klimczak 24.03.2022
Es ist Ende Februar und ich sitze im Süden von Deutschland. Beim Blick aus dem Fenster sehe ich nur grün. Immerhin scheint die Sonne. Beim Blick ins World Wide Web erkenne ich leider auch keine Prognosen, die meine Gefühle in Wallung bringen könnten. In meinen Heimatbergen, der Hohen Tatra (Polen), zeigen die Bilder in den sozialen Medien nur schöne Hänge, die sich in der Sonne spiegeln, jedoch kaum Schnee, der dazu noch hart gefroren ist.

Was soll ich nur mit meiner freien "Faschings-Woche" machen? Fasching feiern, oder wie sie hier sagen "Fasnet"? Auf keinen Fall! Ich packe meine sieben Sachen in meinen "Kampfer" (so heißt mein Camping-Bus, den Spitznamen haben meine polnischen Freunde ihm aufgrund meiner deutsch-polnischen Herkunft gegeben). Eigentlich wollte ich das Thema Krieg in diesem Artikel nicht erwähnen. Nur ein kleiner Auszug: Mein polnischer Großvater hat 1939 in Kielce (Polen) gegen die Nazis gekämpft und mein deutscher Großvater wurde 1945 mit 17 Jahren zur Verteidigung Berlins, meiner Heimatstadt, in die Waffen-SS eingezogen. Beide haben den Zweiten Weltkrieg überlebt. Zur aktuellen Situation in der Ukraine fehlen mir die Worte. Hoffentlich wird dieser Krieg bald beendet.

Zurück zu den von uns geliebten Bergen mit dem weißen Zucker. Szymon und Misiek rufen an. Sie sind im Zillertal, der Schnee soll toll sein. Ich steige in den „Kampfer“ und fahre los. Der Schnee überzeugt mich nicht, also beschließen wir, zurück in die Hohe Tatra zu fahren. Auf dem Weg dorthin streikt der Toro Rosso (Roter Opel Vivaro) von Misiek irgendwo hinter Bratislava. Werkzeug rausgeholt und repariert. Wir sind alle müde und wollen in den Powder, aber wohin sollen wir fahren? Szymek ruft Meto (Sharoutdoors) in Nordmazedonien an und fragt, ob für mich noch ein Platz im Freeride Camp frei ist. Die Freeride Academy war im letzten Jahr zum ersten Mal dort. Ich bin gespannt! In Zakopane (Hohe Tatra) packen wir alle Sachen um. Ein zweiter Bus mit Bartek, unserem Fotografen, ist auch dabei und wir fahren über die Slowakei, Ungarn und Serbien nach Nordmazedonien.

Schon die Fahrt dorthin ist ein Erlebnis. Mir wird erzählt, dass die Chinesen die Autobahn, auf der wir fahren, gebaut haben. Zirka 70 km vor der Grenze nach Nordmazedonien wird die Landschaft etwas bergiger. Die Chinesen haben eindeutig nicht an Beton und Zement gespart, um die Hänge zu sichern. Wir sind in Serbien auf einer chinesischen Autobahn und wollen in Nordmazedonien „freeriden“ - träume ich?! Nein, wir sind tatsächlich hier.

In Skopje angekommen, sehe ich zum ersten Mal die Šar Mountains (Šar Planina), die sich über das Grenzgebiet zwischen dem Kosovo und Nordmazedonien erstrecken. Der höchste Berg dieses Gebirgszuges ist der Tito Vrv mit 2747m. Die Base von Sharoutdoors ist im Hotel Scardus in Popva Šapka auf ca. 1700m, d.h. es ist relativ schneesicher. Insgesamt gibt es vier Pistenraupen, zwei davon haben sie für uns reserviert. Wir sind mit 20 polnischen Freeridern angereist und voller Erwartungshaltung. Die Bedingungen vor Ort erweisen sich als herausfordernd, da der Wettergott uns leider nicht mit Schnee verwöhnt hat. Bei der obligatorischen Begrüßung durch den Head-Guide von Sharoutdoors, Meto, am Abend findet eine Einweisung ins "Cat-Freeriding" statt. Wir besprechen, wie die Sicherheitschecks aussehen, wer unsere Guides für die Woche sind und das Gebiet wird uns auf einer Leinwand gezeigt.

Der Gebirgszug der Šar Mountains hat eine Größe von ca. 1600 km2, je zur Hälfte im Kosovo und Nordmazedonien liegend. Das Gelände ist sehr abwechslungsreich, vom alpinen Charakter bis hin zu mellow tree-runs. Ich habe die Täler nicht gezählt, aber man kann sie mit dem Arlberg vergleichen, nur ohne Lifte. Und man darf überall mit der Pistenraupe hinauf fahren! Insgesamt waren wir vier Tage mit unserer Raupe in den Šar Mountains unterwegs. Jeder Tag war wundervoll. Selbst bei schlechter Sicht haben unsere Guides im Wald schöne Abfahrten für uns gefunden. Überzeugt euch selbst auf den Bildern, die euch einen super Einblick ins Gelände verschaffen!

Das Hotel Scardus muss sich nicht hinter westeuropäischen Hotels verstecken. Die mazedonische Küche, mit viel regionalem Gemüse, ist sehr zu empfehlen. Wir gönnten uns natürlich die All-Inclusive-Variante. Darüber hinaus hat das Hotel einen Swimmingpool und zwei Saunen, die wir ausgiebig genutzt haben. Mittagessen gab es entweder auf einer Berghütte oder direkt am Berg zwischen den Pistenraupen.

Hat mich das Catskiing überzeugt? Ja und nein. Die Abfahrten sind spektakulär, man kommt unten an und schon geht es wieder hinauf zum nächsten Run. Täglich hatten wir Abfahrten zwischen 3000 – 4000 hm in unverspurtem Gelände. Jedoch sind die Pistenraupen laut und riechen auch etwas nach Diesel. Gerade beim Gedanken an den Klimawandel fühle ich mich ertappt. Betreiben wir hier Bergsport oder Motorsport? Das frage ich mich aber nicht nur beim Catskiing, sonder auch, wenn ich die Karawanen über den Fernpass an den Wochenenden beobachte…

Zurück nach Nordmazedonien, denn das Highlight unserer Reise kommt noch! Am letzten Tag möchten wir den höchsten Berg Nordmazedoniens aus eigener Kraft besteigen. Der Korab (2764m) befindet sich im Grenzgebiet zwischen Albanien und Nordmazedonien. Genauer gesagt geht es auf den Korab II, oder wie wir ihn getauft haben: „Capybara“. Der Berg ähnelt dem Rücken eines Wasserschweins. Zwei Splitboarder und zehn Tourengeher machen sich gemeinsam auf den Weg. Ja, Splitboarder akzeptieren Skifahrer und anders herum auch! Zunächst müssen wir mit zwei Bussen von Popva Šapka nach Trnica im Mavrovo-Nationalpark fahren, ca. 75 km Entfernung und 1,5 h Fahrt. Dort hat Meto uns mal wieder überrascht. Das Hotel „Korab Trnica“ übersteigt unsere Erwartungen. Das Abendessen ist so umfangreich, dass wir die Vorspeise mit dem Hauptgang verwechselten. Nur der Tiger (Misiek) hat alles aufgegessen. Deswegen gab es auch gutes Wetter am nächsten Tag!

Am Morgen (6:00 Uhr) erwarten uns ca. 1300 hm Aufstieg. Wir müssen jedoch zuvor mit Geländefahrzeugen eine Straße im Grenzgebiet hochfahren, um unseren Startpunkt zu erreichen. Dieser befindet sich in einer wilden Schlucht umringt von imposanten Felsen. Die Straße war aufgrund von Steinschlag gesperrt und wurde einen Tag zuvor erst wieder freigegeben. 2018 hat Adam Ondra in dieser Schlucht die erste Route im Schwierigkeitsgrad 9a+, „Czech Trip“, gemeistert. Wir sind gespannt. Wir passieren noch eine Polizeistation, wo unsere Pässe geprüft werden, bevor wir mit unserer Tour im Korabtal beginnen. Es ist ein herrlicher Tag mit Postkartenwetter. Wir haben mal wieder Glück! Die Tour ist lang, wir nutzen unsere Steigeisen und Eispickel im letzten Gipfelanstieg und werden mit einem atemberaubenden Panorama belohnt. Wir sehen die Šar Mountains mit dem Tito Vrv (2747m), den Mavrovosee und blicken Richtung Kosovo. Meto erzählt uns, dass einige dieser „Lines“ noch jungfräulich sind und niemand sie mit Ski- oder Snowboard befahren hat. Wir wollen auf jeden Fall wieder hierher zurückkommen. Vor uns liegt eine Abfahrt mit 1300 hm, die guten Powder bietet. Nordmazedonien hat den Weg in unsere Herzen gefunden. Die Mazedonier haben uns in ihren Kreis aufgenommen. Ich vermisse sie schon jetzt. Danke!

Anreise aus Deutschland:

Am besten mit dem Flugzeug von Frankfurt am Main nach Skopje, anschließend per Bustransfer nach Popva Šapka.

Kosten:

1500 € für 6 Nächte, 5 Tage Catskiing inkl. Guiding, Hotel und Vollverpflegung, zzgl. Anreise und Getränke

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