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Abenteuer & Reisen

JaPOW - Eine Wintersaison in Japan | Teil 4 RECAP

Der Rückblick auf eine Saison in Japan

von Klara Stang 03.11.2024
Es ist jetzt ziemlich ein Jahr her, dass ich auf heißen Kohlen saß, um eine Wintersaison in Japan zu verbringen. Jetzt, aus der Retroperspektive, kann ich ein paar Tipps geben, was gut lief und was ich anders gemacht hätte.

Ich bin zum Winterstart letztes Jahr nach Japan geflogen. Die Saison startet dort meist Anfang Dezember, auch wenn zu dem Zeitpunkt noch nicht viel Schnee liegt und vieles von dem Bambus, der im Sommer die Berge übernimmt und zu dichtem Urwald verwuchern lässt, noch nicht bedeckt ist. Am Anfang fragt man sich tatsächlich: „Wo zur Hölle soll man hier Skifahren können?!“ Aber der Schnee kommt. Und er kommt in großen Mengen. Und dann wird auch all der Bambus langsam zu Boden gedrückt und gibt endlose Wege zum Freeriden frei. 

Eine kurze Hintergrundinfo, für alle, die hier erst einsteigen: Wir PowderGuidler Jojo und Klara haben von Dezember bis März in einer Ski- & Guiding-Schule als Ski-Tecs in Furano gearbeitet, haben Equipment gewartet und verliehen. Im Anschluss waren wir weitere drei Monate mit dem Auto unterwegs, sind bis ganz in den Süden Japans nach Miyazaki gefahren und waren neben ein paar Ausflügen in die Städte, die Berge von Nagano und zum Fuji, surfen. Den Winterteil habe ich dokumentiert, die Links zu Artikel 1, 2 und 3 findet ihr hier.

Arbeiten und Wohnen

Wir haben uns selbst um das Visum gekümmert und das hat uns den Zugang zu Jobs definitiv erleichtert, weil die Firmen die Arbeit nicht für einen machen mussten. Wir waren mit dem Work-and-Travel-Visum dort, welches man bis 30 Jahre bekommt. Wer über 30 ist und trotzdem eine Saison in Japan verbringen will, sollte sich aber nicht abschrecken lassen! Es gibt auch die Möglichkeit mit einem „Sponsored Visa“ in Japan zu arbeiten. Das organisiert dann das Unternehmen, bei dem man arbeiten will, für einen. Die Wahrscheinlichkeit, das zu bekommen, ist relativ hoch, da die Skifirmen auf Tourismus ausgelegt sind und sich über internationales Personal freuen.

Vorab wurde für uns über die Arbeit die Bleibe organisiert. Zudem gab es ein geteiltes Firmenauto und anfangs auch ein paar Firmenevents zum Kennenlernen und Fahrtraining für Linksverkehr. Jojo und ich haben, wie schon erwähnt, im Skiverleih für ein privates Guiding Unternehmen gearbeitet. Dort haben wir uns zu zweit einen Vollzeitjob geteilt (eher eine Seltenheit!) und hatten somit jeder 2,5 Tage pro Woche zu arbeiten, und zwei Tage gemeinsam frei. Wir hatten feste Stunden und Tage und somit ein planbares Gehalt. Bei vielen der Guides und SkilehrerInnen war das jedoch anders. Die Stunden für SkilehrerInnen und Guides sind abhängig von der Auslastung der Buchungen. Das heißt zu bestimmten Zeiten richtig viele Stunden die Woche, dann sah es aber auch mal eher mau aus. Oder eben morgens zwei Stunden und dann am Nachmittag nochmal zwei. Ein ganzer Tag Arbeit, aber nur relativ wenige Stunden. Wer will kann natürlich in der Off-Time Fahren gehen. Aber die Arbeitsstunden sind eben schwieriger kalkulierbar. Viele haben sich daher in der Gastronomie einen Zweitjob gesucht, der jedoch deutlich schlechter bezahlt war. Wenn man gerne Touren unternimmt, zwischendurch ein anderes Skigebiet besuchen oder einfach die Umgebung erkunden möchte, kann die Planung durch Abrufbarkeit für mögliche Unterrichtsstunden auch mal mühsam werden. In einigen Skischulen hatten die SkilehrerInnen nur zu Hochsaisonzeiten wie Weihnachten und dem chinesischen Neujahr ausreichend Arbeit (dann aber zwei bis drei Wochen jeden Tag auf Skiern), während im Januar nur wenige Stunden angefallen sind. Genaue Vertragliche Abmachungen können hier hilfreich sein.

Auch die Wohnsituation vor Ort kann ganz unterschiedlich ausfallen. Man sollte sich bewusst sein, dass das Teilen von Zimmern mit Fremden gängige Praxis ist, enge Apartments oft mit zu vielen Menschen belegt sind und die Privatsphäre eingeschränkt sein kann, da viele Personen auf kleinem Raum zusammenleben. Wir hatten richtig Glück und ein ziemlich großes und schönes Haus, direkt an den Skiliften von Furano. Jojo und ich haben uns ein Zimmer geteilt, andere Zimmer waren doppelt belegt und gegen einen Aufpreis gab es auch Einzelzimmer. Das Wohnen ist aber nicht günstig. Wir haben 60.000 YEN gezahlt, das sind ca. 400 Euro pro Kopf für ein geteiltes Zimmer, die vom Gehalt abgezogen werden. Jap, wohnen in Japan ist nicht günstig.

Am Anfang war es bei uns im Haus ruhig und gemütlich, über die Saison wurden jedoch immer mehr Leute eingestellt und irgendwann waren wir statt zu sechst zu zehnt. Das war dann mit einem Bad, einer Toilette und einer Küche etwas schwieriger. Trotzdem, im Schnitt haben wir wirklich gut abgeschnitten und uns wohl gefühlt, wir haben noch ganz andere Zustände bei den Unterbringungen erlebt.

Aber jetzt mal Hand aufs Herz, wie war meine Season-Work-Erfahrung

Der Winter in Japan ist eine Erfahrung, die ich nicht missen wollen würde; die mir wundervoll in Erinnerung geblieben ist, mit vielen Aufs und Abs (wortwörtlich – die Berge sind nicht so hoch, daher geht man die gleiche Tour gut zwei- bis dreimal am Tag, wenn sie gut ist), die aber auch nicht immer das war, was ich mir vorgestellt hatte. Man lernt viele Menschen kennen, aber enge Verbindungen waren für mich eher eine Ausnahme. Es herrschen unterschiedlichste Vorstellungen davon, wie die Season verbracht wird. Die einen sind im Partymodus und leben ihre 20er, andere sind schon lange dabei und genießen es, die Welt zu bereisen. Wieder andere machen eine Auszeit vom Alltag und bauen die Zeit in ihr gap year ein. Dass man beim Reisen viele Bekannte macht und nur manche tatsächlich bleiben, ist nichts Neues. In Japan hatte ich aber nochmal stärker das Gefühl, dass auch der Zugang zu den Locals besonders schwierig war. Vielleicht lag es daran, dass auf Hokkaido nicht so viele Menschen Englisch sprechen und Japaner meines Eindruck nach auch gar nicht so sehr auf der Suche nach engerem Kontakt mit den Reisenden sind. Das Erlernen der Sprache war für uns zudem viel schwieriger und so ist ein Austausch eher schwierig gewesen. Das heißt aber nicht, dass sie nicht neugierig sind! Zudem sind sie immer hilfsbereit, freundlich und höflich, aber Freundschaften aufzubauen dauert hier länger als in manch anderen Kulturkreisen.

Auch die Einstellungen zum Wintersport waren in Furano sehr unterschiedlich. In unserem Team hatten wir nicht viele andere, die Touren-motiviert waren und tatsächlich Ahnung vom Freeriden und damit einhergehenden Gefahren hatten. Die Guides dagegen waren immer voll ausgelastet und hatten nicht viel Freizeit. Viele waren tatsächlich in Japan das erste Mal abseits der Pisten unterwegs und LVS, Schaufel und Sonde waren ihren völlig neu. Wieder andere haben dort einen Park gesucht, den es aber nicht gab. Wir sind mit der Einstellung nach Japan gereist, dass der Großteil nur zum Powdern und Touren kommen und der Vibe ähnlich wie in den Alpen ist. Diese Erwartung wurde aber dann doch schnell korrigiert. Der Powderhype ist, zumindest in Furano und Umgebung, noch nicht so stark angekommen und oft hat man die Tourengebiete noch für sich allein und findet auch drei bis vier Tage nach dem letzten Schneefall noch unverspurte Hänge. Wer sich sicher im Gelände bewegt, hat hier unendliche Möglichkeiten, jedoch sollte einem bewusst sein, dass es keine Bergrettung, keinen Lawinenbericht und auch nicht so viele Informationsquellen zu Tourengebieten gibt.  Es kommen zwar viele Touristen, um den „Chamagne Powder“ in Japan zu finden, diese merkt man jedoch nicht so stark. Wer hier eine Tour bucht, bekommt mit Sicherheit seinen Powder, jedoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass man die gleiche Tour macht, wie die 400 Gäste vor einem, relativ hoch. Praktisch ist also, dass viele geführten Touren die gleichen Routen gehen, man selbst kann diese aber einfach meiden und hat den Berg für sich.

Ein Problem, das ich bei Saisonarbeit sehe, ist, dass man schnell ausgenutzt werden kann, wenn man nicht aufmerksam ist. Der Stellenwert von Arbeit ist in Japan ein anderer und die Erwartungen an Arbeitnehmer sind höher. Zudem hat man also SaisonarbeiterIn oft nicht so viel Handlungsspielraum. Schnell findet man sich in einer Situation wieder, in der man plötzlich mehr Stunden arbeitet, höhere Mieten zahlt oder Aufgaben übernimmt, für die man eigentlich nicht eingestellt wurde. Hier haben wieder diejenigen einen Vorteil, die nicht auf den Job angewiesen sind, ihn eher als Zusatz zu ihrer Reise betrachten oder spezielle Qualifikationen mitbringen, die das Unternehmen benötigt. Durch das Wohnen beim Arbeitgeber entsteht oft eine Abhängigkeitsdynamik. Wer nicht macht, was von ihm oder ihr verlangt wird, dem droht eine Kündigung. Doch mit der Kündigung verliert man nicht nur binnen weniger Tage seinen Job, sondern auch die Unterkunft. Daher: Achtet darauf, eure Verträge genau zu lesen, klärt offene Fragen vorab und erinnert eure Vorgesetzten gelegentlich an die vereinbarten Bedingungen.

Trotzdem, auch wenn ich hier ein paar Kritikpunkte habe, hat die Saison riesigen Spaß gemacht! Ich stand fast täglich auf den Ski, denn dank der guten Lage unseres Skishops konnte ich auch in der Mittagspause zwei bis drei Runden fahren. Wir hatten eine gute Unterkunft und viele nette Leute um uns. Unsere Arbeit wurde fair entlohnt und wir hatten eine gute Balance zwischen Freizeit und Arbeiten mit der Möglichkeit Urlaub zu nehmen und im Frühling Hokkaido zu umfahren und sogar die Insel Rishiri zu erkunden. Wir hatten einen japanischen Winter, wie man sich ihn vorstellt. Furano ist, im Gegensatz zu Niseko, ziemlich urig und authentisch. Die Liftanlagen hier fahren im Schneckentempo, auf den Pisten wie abseits davon gibt es noch genug Platz für alle und der PowPow ist genau der, weswegen wir hierhergekommen sind. Im Frühjahr sind wir aber dann doch früher gegangen als geplant, denn wenn es hier einmal anfängt warm zu werden, dann schmilzt auch ganz schnell mal alles weg. Es entsteht ein massives Nassschnee-Problem, die tageszeitliche Erwärmung tritt gefühlt am Vormittag ein und gruselig oft hört man von massiven Lawinen. Zeit für uns zu gehen und Hokkaido Sayōnara「さようなら」 (Auf Wiedersehen) zu sagen.

Empfehlungen und Alternativen

Was uns wirklich viel Freiheit beschert hat, war, dass wir uns ganz am Anfang ein Auto zugelegt haben. Ein sogenanntes Kei-Car. Das sind japanische Kleinstwagen mit kleineren Motoren, die ziemlich günstig als Gebrauchtwagen zu kaufen und gut wieder zu verkaufen sind. Diese Kei-Cars sind von der Nachweispflicht für einen eigenen Stellplatz befreit und werden staatlich gefördert, sodass Kfz-Steuern, Maut und Versicherung bei ihnen viel günstiger ausfallen. Aber nur weil sie klein sind und wenig PS haben, heißt das nicht, dass sie es nicht draufhaben. Wir hatten einen Nissan Kei-Van, Fünfsitzer mit einer Liegefläche hinten von 175, höhergelegt und mit Allrad. Damit kamen wir überall hoch und runter. Ohne das Auto wären wir kaum zu den Startpunkten für die Touren gekommen und hätten auch nur halb so viel von Hokkaido gesehen. Das geteilte Auto der Firma war super für den Alltag, aber eben nicht, um damit Touren zu gehen oder es für Ausflüge herzunehmen.

Für den Autokauf und Verkauf ist es ratsam sich japanisch sprechende Hilfe zu suchen, die Dokumente zur Anmeldung etc. gibt es nur auf Japanisch und der „Namechange“ bzw. Besitzerwechsel des Autos ist obligatorisch. Der bürokratische Aufwand konkurriert stark mit dem in Deutschland. Man sollte meinen Japan sei moderner – falsch gedacht.

Eigenes Equipment mitbringen war für uns ein Fluch und Segen. Fluch, weil Reisen mit Ski im Gepäck immer ein Fluch ist, Segen, weil gleiches Equipment dort neu oft viel teurer war. Es gibt zwar recht gute Secondhand-Angebote, dafür muss man aber viele der „2nd Street“, „BookOff“ und „Wonder REX“ Stores durchstöbern. Denn es gibt auch verdammt viel Ramsch. Aber auf diesem Weg sind wir auch im Sommer an unsere Surfboards gekommen. Man braucht allerdings die Zeit dazu und eine Portion Glück.

Ob ich nochmal einen Winter Saisonarbeit machen wollen würde, weiß ich nicht. Eventuell mit einer Gruppe guter Freunde, die ich mit auf ins Gelände nehmen kann oder als „light“ Version, eventuell mit eigener Unterkunft und noch mehr Möglichkeiten auch während der Saison das gap-year zu nutzen. Wenn man auf einen Winter in Japan hinspart, kann man auch ohne zu arbeiten ziemlich viele coole Sachen machen, für gar nicht so viel Geld. Touren gehen kann man überall kostenlos, die Skigebiete (außer Niseko) sind okay vom Preis. Aber Niseko kann ich sowieso nur als Zwischenstopp empfehlen. Der Spitzname „Little Australia“ ist zutreffend und von dem Japan, das man sich erhofft, ist hier nicht viel übrig. Um Niseko herum gibt es wiederum auch wunderschöne Touren. Wir haben ein paar Leute getroffen, die sich vor Ort sechs Wochen einen beheizten Camper gemietet haben. Da man in Japan fast überall kostenlos und ohne Probleme stehen kann, wäre das meine Option für das nächste Mal. Auf Hokkaido und auch sonst fast überall in Japan, gibt es in jeder Gemeinde einen „Onzen“, also öffentliche heiße Quellen. Meist zahlt man 2 - 4 Euro Eintritt und kann sich dort aufwärmen, waschen, oft auch saunieren. Für Ramen zahlt man im Schnitt 6 -10 Euro, ein Preis, der die Qualität der Suppen allemal wert ist! Auch Okonomiyaki (japanische Kohl-Pfannkuchen, sehr lecker!) und andere einfache Gerichte gibt es für wenig Geld und beste Qualität. Das Leben in einem beheizten Camper kann somit sogar ziemlich luxuriös sein. Einen Preis für die Miete kann und will ich hier nicht nennen, aber es ist sicher ein guter Weg, um die Insel und die verschiedenen Regionen zum Touren kennenzulernen.


Mein Fazit

Das Touren und Freeriden in Japan ist unbeschreiblich. Es ist für mich etwas ganz Neues gewesen, sich zwischen meterhohem Bambus und Schlingpflanzen seinen Weg durch den verschneiten Urwald zu suchen. Oder auf einem Vulkan zwischen heißen, nach Schwefel riechenden Dampfwolken seine Lines zu fahren. Auf Hütten heiße Rahmen schlürfen und grünen Tee trinken. Im Tiefschnee versinken und von dem eigenen Spray erblinden, sodass man kurz oben und unten verliert. Ein Tag im Schnee in Japan ist etwas ganz Besonderes, auf so viele Art und Weisen. Und am besten schließt man ihn ab mit einem heißen Bad in einer der traditionellen japanischen „Onzen“, egal ob in einem wilden im Wald, den man erst mir Schnee selbst runterkühlen muss, bis er erträgliche Temperaturen hat oder in einem der kleinen Gemeindebäder. Egal wie man es macht, ob als Season Work oder als Reise: Japan lohnt sich! Wer das Glück hat Zeit mitzubringen, sollte dies tun. Denn es dauert eine ganze Weile bis man tatsächlich mit Herz und Seele in diesem wunderschönen, leicht verrückten Land ankommt und dann gibt es täglich irgendetwas zu entdecken.

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