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Abenteuer & Reisen

Tian Shan Traverse Teil 1 – Fahrradabenteuer in Kirgistan

Viele Höhenmeter, Blitz, Donner, Durchfall, und spektakuläre Berglandschaft

von Johannes Schwaderlapp 15.10.2019
Einige schauen zwar fragend, wenn man erzählt, dass man mit dem Rad durch Kirgistan gefahren ist, aber unter Abenteuersuchenden ist das zentralasiatische Land mittlerweile sehr bekannt. Der Großteil Kirgistans wird vom Tian Shan durchzogen, einer Gebirgskette, die sich zwischen Usbekistan im Osten und dem Uigurisch autonomen Gebiet Xinjiang im Nordwesten Chinas erstreckt. Johannes und Yannic waren 4 Wochen per Rad dort unterwegs und berichten von ihrer Reise.

Suche nach und Planung eines Abenteuers

Als ich das erste Mal einen Reisbericht über Kirgistan las, war ich sofort begeistert. Die Neugier auf das Unbekannte, wie auch das Interesse an der Sowjetvergangenheit und an der halbnomadischen Lebensweise ließen mich nicht mehr los. Im Frühsommer entschied ich, mit meinem guten Freund Yannic vor dessen Auslandssemester noch einmal eine große gemeinsame Fahrradtour zu unternehmen. Erste Gedanken an den Pamir Highway wurden aus Kosten-, Sicherheits- und Zeitgründen schnell verworfen und unsere Wahl fiel auf Kirgistan.

Um alle Verwirrung bezüglich des Ländernamens aus dem Weg zu schaffen, gehe ich an dieser Stelle kurz darauf ein: Im Deutschen sind alle drei Versionen gebräuchlich. Das Auswärtige Amt verwendet Kirgisistan. Dies sei eine Transkriptionseigenart, so Nikolai Genov, Professor am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin. Kirgistan kommt der kirgisischen Bezeichnung am nächsten. Kirgisien ist von der sowjetischen Besatzung geprägt und deshalb nicht mehr angebracht.

Wir ließen uns von verschiedenen anderen Reisberichten bezüglich der Reiseroute inspirieren und haben uns konkret an eine Streckenverlauf orientiert, der bei bikepacking.com beschrieben ist. Ein Visum erhält man bei der Einreise. So mussten wir uns nur noch die passenden Räder besorgen und Flüge buchen. In den Ebay Kleinanzeigen fanden wir beide schnell unsere Mountainbikes für jeweils etwa 100 €. Bei der Recherche zu den Flügen stellte sich heraus, dass Tickets bei Abflug von Prag anstatt Berlin deutlich günstiger sind. Sogar die Fahrradmitnahme war bei Turkish Airlines kostenlos.

Berlin-Prag-Istanbul-Bischkek

Im Zug nach Prag fragt uns um 7 Uhr morgens der Schaffner, ob wir denn mit unseren Fernsehern nicht die S-Bahn hätten nehmen können. Er meint damit unsere Fahrradkartons und ging wohl davon aus, dass wir vom Hauptbahnhof nach Berlin Südkreuz fahren wollten. Glücklicherweise dürfen wir unsere „Fernseher“ weiter mitnehmen und fliegen damit von Prag nach Istanbul. Dort müssen wir uns 12 h lang die Zeit vertreiben, bevor es weiter geht in die kirgisische Hauptstadt Bischkek. Schon am Gate in Istanbul ist zu erahnen, was den Reiz unseres Reiseziels ausmacht: Die mitfliegenden tragen überwiegend Wanderhosen.

In Bischkek angekommen, suchen wir uns ein Taxi, um zu unserem Hostel zu gelangen und werden gleich mal abgezockt, wie sich später heraus stellt. Wir bezahlten mit 1200 Som das doppelte des gewöhnlichen Preises. (800 Som entsprechen etwa 10 €.)

Beim Aufbauen der Räder am Hostel flickt Yannic das erste Mal seinen Reifen. Danach machen wir uns ein Bild von Bischkek und Yannic sucht einen Schuhmacher auf, der sich seiner Radschuhe annimmt. Die Schuhe gab es bei seinem Radkauf geschenkt dazu. Sie sahen zwar funkelnagelneu aus, fielen aber schon vor dem ersten Kilometer auf dem Rad auseinander. Ich begebe mich auf die Suche nach einem Friseur und finde nach längerem Suchen einen Salon in einem Wohnhaus. Auf Englisch kann ich mein Anliegen dort nicht kommunizieren. Allerdings ist dies beim Betreten eines Friseurs sowieso unmissverständlich und die Notwenigkeit offensichtlich. Dennoch muss ich dreimal pantomimisch darum bitten, die Haare noch kürzer zu schneiden. Letzen Endes ist der Besuch mit zweimal Waschen ein sehr luxuriöses Unterfangen und kostet 3 €.

Die Nacht verbringen wir im empfehlenswerten Sakura Guesthouse. Eine Übernachtung kostet dort 600 Som. Ein Rad oder nur den Radkarton kann man dort auch problemlos mehrere Wochen lagern.

Der Aufbruch in die Berge

Am nächsten Morgen verlassen wir die 800.000 Einwohnerstadt auf dem schnellsten Weg. Vormittags fahren wir überwiegend in der Ebene an einem Kanal entlang. In Kirgistan gibt es kaum Grundwasser und der Großteil des Wassers für die Stadt kommt mehr oder weniger sinnvoll kanalisiert direkt aus den Bergen. Wasserexperten sind sich sicher, dass Kirgistan aufgrund der schwindenden Gletscher mit großen Herausforderungen konfrontiert sein wird. Ohne das Zutun des Menschen ist die Landschaft in Kirgistans Ebenen sehr karg. In der goldenen Erde wächst von alleine wenig. Da die Temperaturen bei fast 40 Grad liegen, legen wir die ein oder andere Pause unter einem schattenspendenden Baum ein.

Mittags beginnt der erste Anstieg und schnell wird es sehr grün. Tannen säumen den Weg und die Temperaturen werden angenehm, erst recht, als wir unter dem Kegety Wasserfall stehen. Auf etwas über 2000 m schlagen wir unser Zelt auf und Yannic repariert seine Schuhe mit Epoxidkleber das erste Mal selbst – die Klebeversuche des Schuhmachers in Bischkek waren nicht sehr erfolgreich.

An dieser Stelle ein kurzer Hinweis zur Trinkwasserversorgung. Grundsätzlich ist es kein Problem Wasser mit ausreichender Qualität zu finden. Für uns beide sind nie mehr als acht Liter Trinkwasser im Gepäck. Verlässt man die Zivilisation, sind die Bäche schnell klar. Quellwasser ist natürlich auch weit oben problemlos trinkbar. Schmelzwasser direkt unterhalb von Gletscher empfehle ich allerdings nicht, da das Trinken aufgrund von Sedimenten, des geringen Mineralstoffgehalts, Bakterien und atmosphärischem Eintrag umstritten ist.

Am nächsten Tag geht es dann weiter in Richtung Kegety-Pass. Zunächst schlängelt sich der schottrige und teilweise verblockte Weg an einem Fluss entlang, gesäumt von vielen Tannen. Nach und nach wird die Vegetation immer karger und der Fluss verschwindet. Gegen Mittag treffen wir drei Jungs aus Minnesota, die auf den Spuren der alten Seidenstraße unterwegs sind. Damit es ja nicht zu schnell geht, gehen sie zu Fuß. Für das Gepäck hat jeder einen Wagen, der mich an den Golftrolley meiner Oma erinnern. Die drei sind bereits seit zwei Jahren unterwegs und bis sie in Istanbul, ihrem Ziel, ankommen, werden sie auch noch ein paar Jahreszeiten erleben. Während wir weiter die Höhenmeter abarbeiten, denke ich darüber nach, ob unsere geplante Reise mit knapp vier Wochen nicht ein wenig kurz bemessen ist und welche Motivation manche Menschen zu einer so langen Reise bringt. Ist es das Leben im Moment, oder der Gehalt der Erlebnisse? Mir würde auf längere Sicht nicht nur ein festes Zuhause, sondern auch konventionelle Bildung fehlen.

In diese Gedanken vertieft, erreichen wir schnell die Passhöhe von 3832 m. Von dort genießen wir das erste Mal einen grandiosen Ausblick auf unzählige Berge des Tian Shan. Die Kontraste zwischen Wolken, blauem Himmel, Schneefeldern und unterschiedlichsten Grüntönen verzücken.

Der Weg auf der anderen Seite nach unten ist meiner Meinung nach nicht einmal mit einem Motocross passierbar. Es ist extrem steil und teilweise sehr schuttig, teilweise total verblockt. Im Zweifel rutschen wir auf dem Hosenboden. Bei unseren ersten Abfahrten müssen wir uns erst einmal daran gewöhnen, unsere Räder dabei sehr zu belasten. Wie ihr Euch denken könnt, braucht man in Kirgistan entweder Schraubenkleber oder Ersatzschrauben, denn die Vibrationen rütteln alles locker.

Im Talgrund am Nachmittag warnt der Rotstich der Haut vor einer zu langen und zu hohen UV-Belastung - und das trotz Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50! Deshalb ist man gut beraten, einen Hut mit einer breiten Krempe dabeizuhaben und ungeachtet der Wärme lange Kleidung zu tragen. Fahrradhandschuhe sind ebenfalls als Sonnenschutz zu empfehlen.

Am Abend stellen wir unser Zelt an einem Bachlauf in der Nähe von Nomaden auf. Während wir unser Essen kochen, kommen mehrere Jungs beritten zu uns und schenken uns eine Flasche Kymes, ein in Zentralasien weit verbreitetes, mit Kefir vergleichbares Getränk, meist aus Stutenmilch gewonnen. Beim Gärprozess entsteht ein wenig Alkohol, aber vor allem Kohlensäure. Das Getränk wird über einem schwelenden Feuer hergestellt, was dem Ganzen eine rauchige Note verleiht. Die durchdringendste Geschmacksnote jedoch ist Stall. Voller Dankbarkeit trinken wir ein paar Schlucke aus der Cola-Flasche und versuchen, das Gesicht nicht zu verziehen.

Die kleinen Jungs holen einen Teenager herbei, der sogar ein wenig Englisch spricht. Wir werden gefragt, ob wir nicht mit in ihr Zuhause auf einen Tee kommen wollen. Die Jungs sind sehr zurückhaltend. Natürlich wollen wir die Menschen kennenlernen. So reiten wir, während zwei der Jungs auf unseren viel zu großen Fahrrädern fahren, zu dem Bauwagen, in dem die Jungs mit ihren Großeltern den Sommer über wohnen. Dort werden wir herzlich empfangen und mit Tee, Brot, Butter und Marmelade verköstigt. Dabei versuchen wir ein paar Worte Kirgisisch oder Russisch zu lernen. Sie erzählen uns, dass recht viele Reisende mit dem Fahrrad durch das Tal kommen. Die Familie befürchtet, für unfreundlich gehalten zu werden, da niemand an ihrem Bauwagen vorbeikommt. Ich gehe davon aus, dass die Zurückhaltung der Reisenden einfach missinterpretiert wird. Nach dem leckeren Chai kehren wir zu unserem Zelt zurück. Kurze Zeit später werden wir mit noch mit einer weiteren Flasche Kymes beschenkt... In der Nacht erleben wir das erste Mal den unbegreiflichen Sternenhimmel.

Am nächsten Morgen werden wir nach unserem kleinen Frühstück mit Haferflocken und Milchpulver wieder zu einem Tee eingeladen. Wir lachen nochmal viel mit der Familie. Der Opa hat übrigens ein Gebiss. Seine oberen Schneidezähne lässt er andauern auf die untere Lippe fallen und bläst dann seinen Mund auf – sehr lässig!

Bald sitzen wir wieder im Sattel. Außer Sichtweite kippen wir die beiden Flaschen Kymes weg. Es tut uns leid und es liegt teilweise an der schlechten Kommunikation, aber uns ist keine Möglichkeit eingefallen, die Geschenke ohne Missverständnisse zurückzugeben. In den anderen Tälern ist den Kirgisen bekannt, dass Kymes Touristen nicht nur nicht schmeckt, sondern auch fast immer zu Durchfall führt.

Am Vormittag erreichen wir den Pereval Karakol auf 3400 m. Das letzte Stück hieven wir die Räder über ein großes Schneefeld, Überbleibsel einer Wechte. Bei der Abfahrt ins Tal fahren wir Kilometer um Kilometer und wundern uns, wo die Höhe herkommt, die wir abbauen. Das entspannte Radeln kommt uns aber auch sehr gelegen, da mir der Bauch vom Kymes ein wenig weh tut. Nichts zu essen ist aber auch keine Option, da wir die Energie brauchen.

Wir fahren an wunderschönen Blumenwiesen vorbei. Die Idylle wird nur ein paar Mal von aggressiven Hunden unterbrochen. Im Notfall muss man einfach die Füße hochziehen oder mit Steinen bewaffnet sein. Nach Stunden bei ordentlichem Gegenwind erreichen wir den Talausgang. Die nachfolgende Straße teilen wir uns mit Autos und großen LKWs. Der Schotter staubt extrem und teilweise haben sich nervige Rillen gebildet. Aber wir kommen bald in ein atemberaubendes Tal, das von einem reißenden Strom gebildet wurde. Die Rottöne der Felsen in der Abendsonne sind beeindruckend.

Als uns ein VW-Bus mit italienischem Kennzeichen überholt, bin ich überrascht. Ein paar hundert Meter weiter wartet der Bus am Straßenrad und wir wechseln ein paar Worte mit dem Fahrer. Verblüfft stellen wir fest, dass er allein reist. Er berichtet uns, dass er vor sechs Tagen in Stockholm losgefahren ist und nur die nächsten zehn Tage in Zentralasien verbringen wird. Sein Reisestil ist für uns zwar nicht nachvollziehbar, aber er ist sehr sympathisch.

Der Blitz verfehlt uns – der Durchfall trifft uns

Am nächsten Tag geht es weiter durch die Steppe Kirgistans. Immer wieder fahren wir durch kleine Ortschaften. Ab und an machen wir eine kleine Pause, weil der Kymes grüßt. In Chaek wird erstmal eine Shoppingtour unternommen. Ich kaufe mir einen Hut mit Krempe und Yannic findet nach stundenlangem Wühlen Schuhe in Größe 44 – seine Fahrradschuhe haben endgültig den Geist aufgegeben. Bevor wir wieder in die Berge abbiegen, machen wir an einer kleinen Siedlung Halt und suchen in einem Laden Zuflucht vor einem Staubsturm und kurzem Regenschauer.

Wir fahren weiter, aber der Himmel wird rasch immer dunkler und es beginnt zu gewittern. Wir sind ein wenig ratlos, was wir machen sollen. In das Dorf zurück mit Möglichkeiten zum Unterstellen sind es 3 km. Als dann ein Blitz 2 km neben uns einschlägt, ist die Entscheidung schnell gefallen und wir düsen zurück Richtung Dorf. So richtig Schutz bietet der Friedhof nicht, an dem wir warten, aber das Gewitter zieht dann schnell weiter. Anschließend beginnen wir den Anstieg zum Songköl. Die Höhenmeter sind härter als gedacht und so brauchen wir recht lange, bis wir den Pass überwinden. Bei der kurzen Abfahrt vom Pass zum dahinter gelegenen See verliere ich die Mutter, die meinen Gepäckträger bei der Hinterradbremse am Rahmen befestigt. Dadurch reiße ich mir eine Triangel in eine der Radtaschen. Um den Gepäckträger wieder zu fixieren, kommt endlich der erste Kabelbinder zum Einsatz.

In der Nähe des Seeufers schlagen wir unser Zelt auf und kochen zu Abend. Schnell kommen wieder Jungs einer nahegelegenen Jurte vorbei. Lange überlegen wir hin und her, ob die herannahenden Wolken vielleicht wieder ein Gewitter bringen. Nachdem die Sonne bereits untergegangen ist, fragen wir die Jungs, ob wir in deren Jurte mit schlafen dürfen. Der Gedanke, in der Hochebene bei einem Gewitter zu zelten, beunruhigt uns. Gemeinsam mit den Buben fahren wir zur Jurte und man wehrt unsere Anfrage nicht ab. Wir bekommen auch noch einen Eintopf mit Kohl, Kartoffeln und Schaf, bevor wir gemeinsam mit der Familie zu siebt in einer Jurte schlafen. Interessant fand ich zu beobachten, dass die Jurte absolutes Hoheitsgebiet der Mutter war.

Am nächsten Morgen diskutieren Yannic und ich, ob wir der Familie Geld geben sollten. Einerseits wollen wir uns gerne damit erkenntlich zeigen, andererseits finde ich die Vorstellung, dass man dies mit Geld tun kann, keineswegs trivial, sondern eher gesellschaftlich konditioniert. Deshalb lassen wir es und versuchen mit Gesten unsere Dankbarkeit auszudrücken. Ein sehr lauter Streit des Ehepaares nach der Verabschiedung lässt mich allerdings vermuten, dass aus Sicht des Ehemanns die Frau Geld von uns verlangt haben sollte. Natürlich sind das nur Spekulationen. Jedoch wird uns im Laufe des Tages auch bewusst, dass sehr viele Nomaden um den Songköl Geld mit der Beherbergung verdienen.

Beim Zähneputzen am Wegesrand treffen wir auf ein sehr nettes Pärchen aus Chemnitz. Von ihnen bekomme ich einen neuen, sehr stabilen Kabelbinder für meinen Gepäckträger. Im Anschluss überwinden wir die paar Höhenmeter bis zum Moldo-Ashuu Pass. Die Abfahrt vom Pass Richtung Baetov ist unglaublich schön. Die ersten 40 km können wir rollen lassen. Später geht es in der Ebene weiter nach Baetov. Hier gibt es einige Apotheken und per Zeichensprache ist mein Durchfallproblem schnell erklärt. Später nehme ich Imodium. Zur Einnahme sollte man sich allerdings nicht leichtfertig entschließen, da ohne die Darmperistaltik die schädlichen Bakterien länger im Gastrointestinaltrakt verweilen. In Baetov übernachten wir in einem Hotel und kochen endlich mal wieder richtig viel Gemüse.

Am nächsten Tag legen wir einen Ruhetag ein und ich bewege mich nicht weit von der Toilette weg. In den Apotheken versuche ich, Elektrolyte zu bekommen, da mein Körper in den letzten Tagen ganz schön ausgelaugt wurde. Ich werde nicht fündig. Bei der Nachfrage nach Kalium und Natrium wird mir einmal Kaliumpermanganat angeboten. Das lehne ich dankend ab. Ich versuche, mit Datteln und Bananen meinem Körper wieder viele Elektrolyte zuzuführen.

Tash Rabat, At Bashi und Naryn

Nach der Erholung fühle ich mich am darauffolgenden Tag wieder fit genug, um ein paar Kilometer zu treten. Kurz bevor wir unseren ersten Pass erklimmen, treffen wir auf zwei Hamburger. Die beiden sind schon einige Zeit unterwegs und wir haben Sorge, dass wir uns körperlich ähnlich entwickeln könnten. An den schlackernden Hosen erkennt man immer ganz gut, wie sehr die Reise die Energieressourcen der Personen schon verbraucht hat. Als wir die Hamburger treffen, sind sie seit sieben Tagen ohne Einkaufsmöglichkeit unterwegs und einer der beiden hat extrem mit seinem Magendarmtrakt zu kämpfen. Sie wirken ausgezehrt. Mir wird bewusst, dass ich mit meinen Beschwerden noch ziemliches Glück habe.

Der weitere Verlauf des Weges erinnert aufgrund der Landschaft und alter Scheunen sehr an den Wilden Westen. Der nächste leichte Anstieg wird von einem zwanzigminütigen Gespräch mit einer kirgisischen Oma unterbrochen. Wir verstehen uns zwar gegenseitig so gut wie nicht, genießen aber irgendwie unsere soziale Interaktion. Ein paar Kilometer später werden wir von einer anderen Oma, ihrer Tochter und deren Sohn eingeladen. Die drei sind extrem freundlich und zuvorkommend. Eigentlich haben wir überhaupt keinen Hunger, doch die Mutter möchte uns so vehement eine Mahlzeit in der schönen Nachmittagssonne anbieten, dass wir nicht ablehnen können. Ich schenke dem Sohn, der noch sehr klein ist, eine Banane. Irgendwann kommt der Vater zurück vom Wasserholen. Wir haben mit den Gastgebern sehr viel gelacht, bis die Oma und Mutter beim Gehen von uns Geld wollen, und davon auch noch viel zu viel. Die Oma bediente sich, als ich im Geldbeutel nachsehe, direkt selber. Das Geld hole ich mir allerdings zurück. Wir versuchen, den Ausnehmern zu erklären, wie unverschämt wir deren Herangehensweise finden und lassen nur eine Kleinigkeit dort.

Nach der Jurte müssen wir noch ein paar Höhenmeter erklimmen, bevor eine lange wunderschöne Abfahrt auf uns wartet. Wir suchen uns einen Schlafplatz in einem Flussbett. Die Befestigungen einer Radtasche von Yannic halten leider den Drop In in das Flussbett nicht aus, doch mit einem Schweizer Taschenmesser lässt sich viel reparieren.

Nach dem Frühstück machen wir einen kleinen Abstecher nach Tash Rabat, eine gut erhaltene Karawanserei aus dem 15. Jahrhundert. Tash Rabat bedeutet „Steinerne Herberge“. Mich wundert, warum genau an dieser Stelle entlang der ganzen Seidenstraße durch Kirgistan diese eine feste Herberge liegt. Aufschluss gibt die Geschichte des Ortes: Es wird vermutet, dass das Gebäude ein Nestorianisches oder Buddhistisches Kloster aus dem neunten oder zehnten Jahrhundert ist.

Auf dem Rückweg treffen wir vier Franzosen. Ein Pärchen ist mit einem Tandem unterwegs. In Gesprächen mit Kirgisen wird man häufig nach dem Preis der Räder gefragt. Unsere Mountainbikes sind für die Kirgisen ganz normal bepreist, aber die Tandemfahrenden erzählen uns, dass sie aus Scham, ein 8000 € Gefährt zu besitzen, die Kirgisen anlügen, wenn diese Frage aufkommt. Den restlichen Tag rollen wir entspannt, seit langem mal wieder auf einer Teerstraße. Zwar gibt es eine alternative Schotterpiste mit weniger Verkehr, aber auf dem Stück zwischen Tash Rabat und At Bashi ist sowieso nicht viel los und bei gutem Straßenbelag können wir das wundervoll weite Tal visuell perfekt genießen. An dem Flusslauf, an dem wir nächtigen, sind am späten Nachmittag viele Menschen auf der Suche nach einer Abkühlung.

Weiter geht es auf der Teerstraße nach Naryn. Am späten Vormittag kommen wir dort an und rasten bei der CBT (Community Based Tourism). Dort nutzen wir das WLAN, um mal wieder in Kontakt mit der Welt außerhalb Kirgistans zu kommen. Außerdem tauschen wir mit anderen Reisenden Erlebnisse aus. An der CBT kann man auch ein Permit beantragen, wenn man an die Landesgrenze zu China reisen möchte. Es gibt einen Bereich nahe der Grenzen, wo dies erforderlich ist.

Es folgt ein Großeinkauf, da wir die nächsten Tage ohne Versorgung auskommen müssen. Am Nachmittag geht es weiter in die Berge. 

TEIL 2 FOLGT DEMNÄCHST.

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