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Bergwissen | Spaltenbergung Teil III – Ankerbau

Ankertiefe erreicht, Käpt'n

von Knut Pohl • 05.03.2014
In sechs Artikeln zum kompletten Wissen rund um die Notfallbergung aus der Gletscherspalte. In Teil III geht es um den Ankerbau.

Spaltenbergung ist eines der Themen, das die meisten Tourengänger, Skibergsteiger und Freerider als sehr komplex empfinden. Dabei sind die Grundprinzipien eigentlich recht einfach und das Handwerkszeug dazu ist ebenfalls kein Hexenwerk. Hat man beides einmal verstanden, ist man eigentlich für alle Situationen auf dem Gletscher gewappnet. Heute geben wir euch eine Einführung in den Bau von Ankerpunkten.

Für die Spaltenbergung kann man eine Vielzahl von Ankern zur Erstellung von Fixpunkten (Punkte, an denen die Seilsicherungskette am Gelände verankert wird) verwenden, in aller Regel wird man jedoch keinen Fels in greifbarer Nähe finden, und muss somit einen Anker in Schnee oder Eis erstellen. Je nach Festigkeit und Kompaktheit der Grundlage aus gefrorenem Wasser haben die verschiedenen Ankertypen unterschiedliche Haltekräfte, weshalb man muss den Ankertyp entsprechend wählen muss.

In den verschiedenen Phasen der Spaltenbergung kommen verschiedene Ankertypen zum Einsatz und der Bau der jeweiligen Anker kann insgesamt oft zeitraubender und komplexer sein, als der Aufbau des Flaschenzugs und die eigentliche Bergung. Spaltenbergung ist deutlich mehr, als nur ein Pulley-System zu beherrschen, und gerade Schneeanker in weichem Schnee zu erstellen braucht Erfahrung und man sollte es daher nach Möglichkeit in der Praxis üben. Im Prinzip kann man die nötigen Anker in drei Klassen einteilen.

Sturz halten

Besonders das Halten eines Sturzes ist mit Theorie allein nicht vermittelbar und man sollte es daher unbedingt unter kontrollierten Bedingungen und wenn alle Beteiligten zusätzlich gesichert sind, draußen unter realistischen Umständen üben. Gerade im Winteralpinismus mit den Ski (Splitboards lassen sich im wesentlichen gleich verwenden und daher wird hier nicht näher darauf eingegangen, ist man mit Schneeschuhen und dem Board auf dem Rücken unterwegs, funktionieren einige der hier erklärten Techniken nicht) am Fuß, ist das Abfangen eines Sturzes – egal ob in Aufstieg oder Abfahrt – relativ schwierig.

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Gerade mit der Bindung im Tourenmodus haut es einen gern erst einmal der Länge nach auf die Plauze. Wichtig ist, auf dem Gletscher Augen und Ohren offen zu halten und im Optimalfall den Spaltensturz zu beobachten, sodass man reagieren kann, bevor der Ruck vom Seil ankommt. Zuviel Schlappseil zwischen den Seilschaftsmitgliedern ist in solchen Fällen sehr gefährlich. Aber auch das Halten des Gestürzten, ist die ganze Seilschaft einmal zum Stopp gekommen, hat so seine Tücken. Diese Aufgabe fällt meist den hinteren Seilschaftsmitgliedern zu.

PICKEL Herrschen – meist bei Sommerbegehungen– harte Bedingungen und man hat daher den Pickel in der Hand, kann man diesen genauso einsetzen, wie man einen unangeseilten Rutsch halten würde. Mit einer Hand um den Hauenkopf und der anderen am Pickelschaft versucht man, sich in Bauchlage zu bringen und das Körpergewicht auf den Pickel zu drücken, so dass sich die Haue in den Schnee frisst. Meist hat man bei diesen Bedingungen dann auch Steigeisen an den Füßen und mit dieser Ausrüstung ist es meist nicht besonders kompliziert, den Gestürzten zu halten, wenn der Sturz erst einmal gestoppt ist.

SKI UND STÖCKE Sind die Ski am Fuß, wird es schon schwieriger, ganz besonders bei recht harten Bedingungen. Im Aufstiegsmodus ist es mit Tourenbindungen eventuell nicht ganz einfach, die Ski unter Kontrolle zu bringen und damit Druck aufzubauen. Zur Unterstützung empfiehlt es sich, die Stöcke direkt unterhalb der Griffe zu greifen, umzudrehen und die Griffe in die Schneedecke zu rammen, um so den Sturz zu stoppen. Zum Halten des Gestürzten wiederum sind Ski durchaus hilfreich, ob man nun über die Kanten Druck aufbaut oder gar das ganze Skiende in den Schnee rammt, mit Ski am Fuß lässt sich doch einiges an Kraft aufbringen.

Temporäre Verankerung

Um der gesamten Sache schnellstmöglich möglichst viel Halt zu geben und die haltenden Seilschaftsmitglieder so zu entlasten, dass danach ein zuverlässiger Anker als Fixpunkt eingerichtet werden kann, wird meist zunächst eine temporäre Verankerung erstellt. Diese ist in der Regel den Belastungen eines Flaschenzuges, geschweige denn weiteren Stürzen (tiefere Schneebrücke bricht ein oder Ähnliches) nicht gewachsen, schafft aber genug Freiraum, damit mindestens eines der Seilschaftsmitglieder einen definitiven Anker errichten kann.

Meist fällt die Aufgabe, eine temporäre Verankerung zu errichten, demjenigen Seilschaftsmitglied zu, dass am nächsten an der Spalte und dem Gestürzten ist, also meist dem Seilzweiten. Bei großen Gruppen oder wenn der Gestürzte leicht zu halten ist, kann die temporäre Verankerung auch weggelassen werden. Ist ein Seilschaftsmitglied aus der Mitte der Seilschaft gestürzt, ist es meist ein Seilschaftsmitglied unterhalb der Spalte, das die temporäre Verankerung erstellt. Der definitive Anker kann dann meist oberhalb, aber je nach Situation auch unterhalb der Spalte errichtet werden.

Unabhängig von der Beschaffenheit der Gletscheroberfläche sollte man für jede Art der Verankerung losen Schnee, Firn, morsches Eis etc. nach Möglichkeit schnell weg kratzen, bevor man die Verankerung erstellt.

SCHNEE Am ehesten wird man bei Touren auf dem Gletscher relativ weichen Schnee des selben Jahres antreffen. Um hier eine temporäre Verankerung zu erstellen, rammt man am besten mindestens einen Ski mit dem Ende mindestens bis zur Bindung durch die Handschlaufe in den Schnee (Twintips, stark gerockerte Ski und Splitboards sind hier klar im Nachteil), sodass die Handschlaufe die Last unmittelbar an der Schneeoberfläche (oder darunter) überträgt. Optimalerweise wird der Ski leicht nach hinten geneigt eingerammt und zeigt mit den Kanten in die Belastungsrichtung, damit diese nicht in die Reepschnur schneiden. Handschuhe, Mütze oder Ähnliches können zusätzlich vor der Kante schützen. Dabei hält man die Skispitzen während der gesamten Belastungsdauer mit den Händen nach hinten oder kniet sich vor den Ski und lehnt sich mit der Schulter dagegen, um ein Herausrutschen aus dem Schnee zu verhindern.

Ein solcher Skianker kann verstärkt werden, in dem quer vor den eingesteckten Ski ein weiterer Ski in den Schnee gerammt oder vergraben wird.

HARTER FIRN Die Technik des gesteckten Pickels eignet sich bei harten Firnbedingungen, wie sie vor allem im Sommer vorkommen, um einen temporären Anker einzurichten. Dazu wird der Pickel mit dem Schaft durch die Handschlaufe in die Schneedecke gerammt und man kniet sich anschließend auf die Haue, um diese unten zu halten. Am besten schaut man dabei von der Spalte weg, da man so mit den Füßen dem Zug besser entgegen wirken kann und bei eventuellem Ausbruch des temporären Ankers besser positioniert ist.

EIS Im eher unwahrscheinlichen Fall, dass man Blankeis vorfindet, kann man den Pickel mit der Haue in das Eis schlagen und die Handschlaufe in die Ă–se am Schaftende einclippen.

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Definitive Verankerung

Die definitive Verankerung wird meist vom letzten der Seilschaft erstellt, und zwar so, dass das Seil vor der temporären Verankerung in den Anker eingehängt werden kann. Hat sich der Seilschaftsletzte versichert, dass die anderen Seilschaftsmitglieder den Gestürzten (mit Hilfe der temporären Verankerung) problemlos halten können, entlastet er vorsichtig das Seil und geht, ohne sich aus dem Seil auszubinden nach vorne, um den definitiven Anker zu erstellen. Ist das Seil dafür zu kurz, kann er sich mittels Nabelschnur, Prusikschlinge oder ähnlichem selbst am Seil sichern (siehe Teil IV).

Bei einer Zweierseilschaft muss der Seilhintere den Sturz halten, die vorläufige Verankerung erstellen und während er diese sichert, den definitiven Anker erstellen. Das geht z.B. in dem man den temporären Anker mit einem Ski erstellt und während man sich davor kniet und gegen den Ski lehnt mit beiden Armen um diesen herum greift um dahinter das Loch für den Anker auszuheben.

IM SCHNEE Egal, wie weich oder hart, kompakt oder locker die Schneedecke ist, wenn kein Blankeis vorliegt, gibt es eigentlich nur eine Verankerung, die brauchbar ist: Der T-Anker.

Dieser Anker, der auch als "Toter Mann" bekannt ist, hat seinen Namen von der T-förmigen Form und wird erstellt, in dem ein Gegenstand quer zur Belastungsrichtung eingegraben und mittig mit einer Bandschlinge oder Reepschnur (mindestens 8 mm Durchmesser oder dünnere mehrfach) abgebunden wird, in die ein großer Karabiner als Zentralpunkt eingehängt wird.

Ist der Schnee ausreichend hart (z. B. gut gesetzter Altschnee), wird in der Regel ein Pickel vergraben, bei weicherem Schnee nimmt man ein Paar Ski (ein einzelner Ski geht auch, dann sollte man aber die Schlinge mit Handschuhen, Mütze o.Ä. unterfüttern, um die Schlinge vor den Stahlkanten zu schützen). Hierzu wird ein Schlitz quer zur Belastungsrichtung ausgehoben, wobei die vordere Wand leicht überhängen sollte und man vermeiden sollte, vor dem Schlitz auf dem Schnee unkontrolliert herum zu trampeln.

Das bringt Unstabilitäten in die Schneedecke. Anders ist es, wenn der gesamte Bereich vor dem Schlitz grossräumig verdichtet wird, das kann die Festigkeit eines T-Schlitz durchaus erhöhen. Bei kompaktem Schnee wird der Schlitz mit der Schaufel des Pickels mehr ausgekratzt als gegraben, ansonsten kommt die Lawinenschaufel zum Einsatz. Die Tiefe des Schlitzes hängt von der Beschaffenheit der Schneedecke ab, ein eher flacher Schlitz, der in einer komprimierten Altschneedecke liegt, ist unter Umständen stabiler, wenn darunter zum Beispiel lockerer Schwimmschnee droht.

Nun wird der als Anker dienende Gegenstand mit einem Ankerstich (bei glatten Pickelschäften, Skistöcken u. Ä. besser mit einem Prusikknoten) abgebunden und in den Schlitz gelegt (Tipp: Der Schlitz kann zur Not auch Schmaler als Ski oder Pickel sein. Man kann die Skienden oder den Pickelschaft vom Loch her seitlich in die Schneedecke rammen.). Bei hartem Schnee sollte eventuell eine Führungsrinne für die Schlinge freigekratzt werden. Der Aushub wird nun wieder in das Loch geschüttet und festgetreten. Achtung! Ein T-Anker darf nur senkrecht zum vergrabenen Gegenstand belastet werden!

Hat man bei zu weichem Schnee Bedenken, vor allem, wenn man einen Pickel oder kleineren Gegenstand vergraben hat, kann man den Anker mit einem zweiten T-Anker oberhalb verstärken, in dem man z. B. einen Rucksack abbindet und vergräbt, und dann die Schlingen der Anker im Zentralpunkt zusammenführt und passend ablängt.

Eine weitere Möglichkeit, einen T-Anker zu verstärken, ist einfach zwei Ski, Stöcke oder Ähnliches vor dem quer liegenden Anker senkrecht in den Schnee zu setzten und den Anker so zu einem H-Anker auszubauen.

IM EIS Einen definitiven Anker zu erstellen, wenn Blankeis vorhanden ist, ist relativ einfach. Meist werden dazu einfach zwei Eisschrauben diagonal versetzt voneinander eingedreht und mittels Ausgleichsverankerung oder fixiertem Kräftedreieck abgebunden. Sind nicht genügend Eisschrauben vorhanden oder die Eisqualität nicht zweifelsfrei, kann man – vorausgesetzt ein Abalakow-Fädler ist im Gepäck – einen Fixpunkt aus mehreren Eissanduhren zusammen binden.

Seilschaft sichern

In den Zentralpunkt des nun erstellten, definitiven Ankers wird dann mittels Microtraxion, Ropeman, Prohaska, Prusik o. Ä. das Seil eingehängt und der Anker unter Spannung gebracht. Nach dem vorsichtigen Lasttransfer durch Lösen der temporären Verankerung wird das Seil zur Sicherheit mit einem Mastwurf in einem separaten Karabiner gesichert.

Ist die gesamte Seilschaft so gesichert, kann mit der eigentlichen Bergung begonnen werden.

In Teil IV: Bergungsmethoden

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