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Bergwissen

Bergwissen | Spaltenbergung Teil IV – Bergungsmethoden

Mit Zug kommt die Flasche aus der Spalte

von Knut Pohl • 12.03.2014
In sechs Artikeln zum kompletten Wissen rund um die Notfallbergung aus der Gletscherspalte. Im Teil IV geht es um die verschiedenen Bergungsmethoden.

Spaltenbergung ist eines der Themen, dass die meisten Tourengänger, Skibergsteiger und Freerider als sehr komplex empfinden. Dabei sind die Grundprinzipien eigentlich recht einfach und das Handwerkszeug dazu ebenfalls kein Hexenwerk. Hat man beides einmal verstanden, ist man eigentlich für alle Situationen auf dem Gletscher gewappnet. Heute möchten wir euch die verschiedenen Methoden zur Bergung vorstellen.

Dieser Teil der Spaltenbergung ist der, auf den sich die meisten Lehrschriften fokussieren – wenn sie denn überhaupt auf die anderen Bereiche eingehen. Und auch dann werden meist nur die Flaschenzugsysteme erklärt. Ist ja auch so schön strukturiert und daher mittels Buch gut erklärbar. Aber auch hier gilt, dass man mit Wissen, Grips, Erfahrung und dem nötigen Selbstbewusstsein, in stressigen Situationen brauchbare Entscheidungen zu treffen, sehr viel flexibler und der Situation angepasster reagieren kann, als wenn man nur Schema "F" im Kopf hat. Daher heißt der aktuelle Teil auch „Bergungsmethoden" und nicht „Flaschenzug". Warum, sollte bereits bei der ersten Bergungsmethode klar werden.

Herauslaufen

Es mag nicht das wahrscheinlichste Szenario sein; so unmöglich, dass man es nicht erwähnen sollte, ist es aber auch nicht. Gerade am Randbereich eines Gletschers kann es sein, dass die Spalte, in der der Gestürzte sich befindet, einen soliden, tragfähigen Boden aufweist und irgendwo zumindest soweit an die Gletscheroberfläche kommt, dass man – eventuell mit Hilfe der Kameraden von oben – heraus steigen kann. Dabei sollten in aller Regel nicht nur der Gestürzte, sondern auch die anderen Seilschaftsmitglieder weiterhin am Seil gesichert bleiben. Auch ist eine Fortbewegung in der Spalte nur dann ratsam, wenn der Boden der Spalte wirklich zweifelsfrei tragfähig ist, also aus solidem Eis oder mehrere Jahre altem Altschnee besteht oder die Spalte sich so verengt, dass ein tieferer Sturz ausgeschlossen werden kann. Gerade in der Gletscherspalte liegende, tiefere Schneebrücken können tückisch sein. Auch ein Sondieren des Bodens mit der Lawinensonde ist denkbar.

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Selbstaufstieg

Eine weitere Methode der Spalte zu entkommen, ist der Selbstaufstieg am Seil. Wenn der Gestürzte unverletzt ist und die Spalte genug Platz für Bewegungen bietet, ist dies meist die schnellere und einfachere Methode. Hierzu zieht man zuerst Rucksack, Ski, Stöcke und Ähnliches aus und befestigt diese mit einer langen Schlinge am Klettergurt, wobei es Geschmackssache ist, ob die Last hinten am Gurt oder in der Anseilöse befestigt wird. In jeden Fall sollte sie so tief hängen, dass man sie mit den Füßen nicht erreicht. Hat man keine Schlinge oder Reepschnur zur Hand, kann man alles an das Seil klippen, sodass es in der beim Aufstieg länger werdenden Seilschlaufe unter einem baumelt.

Nun wird die Handschlaufe mittels Verschlusskarabiner in die Anseilöse des Klettergurtes gehängt. Der Klemmknoten sollte etwa auf Kinnhöhe am Seil zu liegen kommen, wobei ein Prohaska einfacher zu bedienen ist, als ein Prusik.

Die lange Reepschnur wird doppelt gelegt und in der Mitte mittels Prusik um das Seil gebunden. Nun knüpft man zwei gelegte Sackstiche in ca. 80 cm. Abstand so, dass in die Schlaufe zwischen den Sackstichen ein Fuß gesteckt werden kann und nicht so leicht wieder heraus rutscht. Die Schlingenlänge ist dann richtig, wenn der Prusik etwa auf Höhe des Klettergurtes liegt und das Bein fast gestreckt in der Schlaufe zu liegen kommt.

Nun wird der Klemmknoten der Handschlaufe soweit wie möglich nach oben geschoben und belastet. Dann zieht man das Bein an, während man den Prusik der Beinschlaufe soweit wie möglich nach oben schiebt. Nun stellt man sich auf das Bein, sodass der Prusik am Seil greift und während man sich aufrichtet, schiebt man den Klemmknoten der Handschlaufe am Seil so weit wie möglich nach oben, um sich dann erneut in den Klettergurt zu setzen. Um Anwendungsfehlern die Konsequenzen zu nehmen, kann man das Seil unterhalb der Fußschlaufe in regelmäßigen Abständen mit einem Karabiner mittels Mastwurf in die Anseilöse klippen und so die maximale Sturzhöhe verringern.

Alternativ kann man auch Tibloc und Seilrolle mit Rücklaufsperre verwenden. Dazu wird die Seilrolle mittels Verschlusskarabiner in die Anseilöse gehängt und der Tibloc mit geeignetem Karabiner oberhalb in das Seil. In diesen wird dann die (etwas längere) Fußschlaufe eingehängt.

Bremsknoten können im Selbstaufstieg am Seil überwunden werden, indem man sich mit freien Verschlusskarabiner in den Bremsknoten einhängt, um danach die Handschlaufe vom Seil zu lösen und oberhalb vom Bremsknoten wieder anzubringen. Nun stellt man sich in der Fußschlaufe auf, klippt sich wieder in die Handschlaufe ein, um sich erst dann aus dem Knoten auszuhängen. Danach kann dieser gelöst werden.

Bei Überhängender Spaltenlippe empfiehlt es sich, dass sie Kameraden diese von oben abtragen. Ist das nicht möglich oder will man aktiv dabei helfen, kann das Seil zwischen Handschlaufe und Fußprusik durch einer in der Anseilöse befestigten Seilklemme mit Umlenkrolle oder eine Gardabremse umgelenkt werden, um in einen direkt am Klemmknoten der Handschlaufe eingehängten Karabiner eingeklippt zu werden. Dazu muss die Handschlaufe direkt nach dem Klemmknoten mit einem Achter abgebunden sein. Mit dieser Seilverkürzung kann man sich sehr nah an die Spaltenlippe heran heben. Auch das Verkürzen der Handschlaufe ohne Umlenkung kann bereits hilfreich sein.

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Mannschaftszug

Bei großen Gruppen und nur einem Gestürzten ist meist der Mannschaftszug die mit Abstand schnellste und effektivste Methode, den Gestürzten zu bergen. Ist die Gruppe groß und der Gestürzte leicht zu halten, kann sogar unter Umständen auf einen Anker verzichtet werden. Besteht allerdings nur im geringsten die Gefahr, dass ein strauchelndes Seilschaftsmitglied bereits zu Problemen führen könnte, wird zuerst ein belastbarer Anker errichtet, in den das Seil eingeklippt wird. Dann ziehen alle Seilschaftsmitglieder, koordiniert durch das vorderste Mitglied gleichmäßig wie beim Tauziehen den Gestürzten hinauf. Oft ist es dazu sinnvoll, die Ski auszuziehen.

In jedem Fall sollte man sich ein Bild der Lage machen und nach Möglichkeit mit dem Gestürzten Kontakt aufnehmen, bevor man anfängt einfach los zu ziehen.

FlaschenzĂĽge

Getreu dem physikalischen Prinzip Arbeit = Kraft x Weg hilft ein Flaschenzug bei der Bergung, in dem er die nötige Kraft verringert, den Weg, den das Seil eingezogen werden muss, aber verlängert. Mit solchen Kraftuntersetzungen arbeitend, können auch schwache Menschen schwere Kameraden problemlos bergen und die Bergung kann unabhängig vom Zustand des Gestürzten erfolgen. Ähnlich dem Ankerbau hat auch der Aufbau eines Flaschenzugs im Winter deutlich mehr Tücken zu bieten, als im Sommer und schnell führen der weiche Schnee an der Lippe der Spalte und rund um den Anker oder vereisende Seile zu Schwierigkeiten. Aber grundsätzlich unterscheidet sich das Vorgehen nicht von dem im Sommer.

EINFACHER FLASCHENZUG Dieser Aufbau stellt die Grundform des Flaschenzugs dar, ist relativ einfach im Aufbau und braucht verhältnismäßig wenig Material. Mit seiner 3:1 Untersetzung bietet er genug Unterstützung für die Bergung, auch wenn die Reibung im System groß ist. Hierzu wird das Seil im Ankerpunkt umgelenkt und mit einer Rücklaufsperre versehen. Dazu kann eine Seilrolle mit integrierter Rücklaufsperre verwendet werden, oder ein Klemmknoten (Prusik, Kreuzklemmknoten, Prohaska – wobei letzterer am wenigsten Handling benötigt). Am belasteten Strang des Seils wird nun mittels Seilklemme (Tibloc oder Klemmknoten) ein Karabiner befestigt. Das im Ankerpunkt nach vorne umgelenkte Seil wird in diesen eingeklippt und nach hinten umgelenkt.

Nun zieht man am losen Seilende, bis die vordere Seilklemme nahe an den Ankerpunkt kommt. Dabei muss man bei Verwendung von Klemmknoten im Ankerpunkt darauf achten, dass diese das Seil durchlaufen und –besonders beim Prusik – diesen eventuell auf halten. Nun entlastet man das Seil gefühlvoll, bis die Rücklaufsperre am Anker greift, und schiebt dann die vordere Seilklemme am belasteten Seil wieder so weit nach vorne, wie möglich, um einen erneuten Hubzyklus zu beginnen.

SCHWEIZER FLASCHENZUG Eigentlich lohnt es sich immer, einen einfachen Flaschenzug mittels Hilfsreepschnur zum doppelten oder Schweizer Flaschenzug aufzupeppen und mit wenig Mehraufwand eine komfortable 5:1 Untersetzung zu erhalten. Statt das Seil direkt an der vorderen Seilklemme umzulenken, wird eine Hilfsreepschnur mittels Achterknoten und Normalkarabiner im Anker befestigt, in der vorderen Seilklemme umgelenkt und mittels mit Mastwurf fixiertem Karabiner in das lose Seilende geclippt. Die Reibung wird nicht wesentlich erhöht, der Kraftaufwand aber deutlich verringert. Allerdings muss so die vordere Seilklemme deutlich häufiger wieder am Seil zurück geschoben werden.

Bei Bremsknoten im Seil lässt man, deutlich bevor der Knoten die Umlenkung im Anker erreicht die hintere Seilklemme im Anker die Last übernehmen, klippt den hinteren Mastwurfkarabiner der Hilfsreepschnur (bei einfachem Flaschenzug zusätzlich benötigt) aus dem Seil aus und ebenfalls in den Ankerpunkt. Die vordere Seilklemme wird nun vom Seil genommen und unterhalb des Knotens wieder angebracht. Nun gibt es zwei Möglichkeiten:

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LASTTRANSFER Am einfachsten ist es, den Mastwurf der Hilfsreepschnur so abzulängen, dass die Reepschnur möglichst straff ist und dann die Rücklaufsperre am Umlenkpunkt zu lösen und die Last auf die vordere Seilklemme zu übertragen. Nun ist das Seilstück zwischen vorderer Seilklemme und Umlenkung, in dem der Knoten liegt, entlastet und der Knoten kann gelöst werden. Dann zieht man das Seil wieder ein, bis die Last in der hinteren Seilklemme liegt, stellt den ursprünglichen Zustand der Hilfsreepschnur wieder her und fährt mit der Bergung weiter fort. Diese Methode ist relativ einfach, der Lasttransfer funktioniert aber nie ganz verlustfrei, sodass es zu Rucken im Seil kommt, die für den Gestürzten beunruhigend sein können.

KANADISCHER FLASCHENZUG Verlustfrei überwindet man Knoten mit dem Kanadischen Flaschenzug. Hierzu wird die Hilfsreepschnur mehrere Male durch die Karabiner an vorderer Seilklemme und Ankerpunkt gewickelt. Zieht man nun am freien Ende der Reepschnur, kann man den Seilstrang zum Ankerpunkt entlasten. Nun wird die Hilfsreepschnur mittels hintersichertem Schleifknoten abgebunden und der Bremsknoten im Seil kann gelöst werden. Schlappseil wird eingeholt und nach Herstellen des ursprünglichen Zustandes kann fortgefahren werden. Diese Methode arbeitet verlustfrei, benötigt aber zusätzliche Kenntnisse.

LOSE ROLLE

Natürlich handelt es sich bei der losen Rolle (oder auch Österreicher Flaschenzug) auch um einen Flaschenzug. Diese Methode verlangt aber, dass der Gestürzte mithelfen und das Seil in seinen Gurt einklippen kann, braucht eine lange Seilreserve und ist daher nicht universell in jeder Situation einsetzbar. Auch braucht sie mit ihrer 2:1 Untersetzung relativ viel Kraft, dafür kann der Gestürzte aktiv mithelfen und das System hat wenig Reibungsverluste. Außerdem stellen Bremsknoten kein Problem dar, da sie vor Aufbau entfernt werden können.

Zum Aufbau wird das Seil im Ankerpunkt mittels Mastwurf und Verschlusskarabiner fixiert und ein Verschlusskarabiner in das lose Seilende eingeclippt. Nun wird eine Seilschlaufe mit dem Verschlusskarabiner zum Gestürzten hinab gelassen, sodass dieser sich in das lose Seilende einklippen kann und dieses in seinem Gurt umgelenkt wird. Das zurück nach oben laufende Seilende wird vom Retter mittels gesteckten Prusikknoten mit der Hilfsreepschnur am nach unten laufenden, fixierten Seilende befestigt (die Selbstsicherung des Retters kann mit der selben Hilfsreepschnur an diesem Seilstrang erfolgen). Nun wirft man sich, wie bei der klassischen Körpersicherung das Seil über die Schulter, sodass es unter dem Zugarm über den Rücken und die gegenüberliegende Schulter wieder nach vorne läuft. So kann man mit Druck der Beine und Einsatz des ganzen Körpers ziehen, wobei der Gestürzte sich am fixierten Seilstrang nach oben zieht und so mithilft.

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Einfacher im Handling und Aufbau, als die Prusikverbindung mittels Hilfsreepschnur ist die Verwendung einer Umlenkrolle mit Rücklaufsperre (z.B. Microtraxion) im Verschlusskarabiner am Gurt des Gestürzten. Diese wird einfach in das Seil eingehängt und mitsamt eingeclipptem Verschlusskarabiner zum Gestürzten hinab gelassen. Aufbau und Handling des Prusiks enfallen so.

RescYou

Ein Gerät zur Spaltenbergung, dass an Einfachheit, was Anwendung und Planung des benötigten Materials nicht zu schlagen ist, ist das neu entwickelte RescYou von Mammut. Dieses einfache, sowie geniale Gerät besteht aus zwei Seilklemmen, die mittels rollengelagertem Flaschenzug aus einer dünnen Reepschnur verbunden sind, wobei eine der beiden Seilklemmen mittels ebenfalls enthaltenem Karabiner fixiert werden kann.

Der Clou daran ist, dass es ohne große Unterschiede im Handling sowohl für den Selbstaufstieg als auch für die Kameradenbergung verwendet werden kann. Der Karabiner wird einfach bei der Kameradenbergung in den Anker oder beim Selbstaufstieg in die Anseilöse eingehängt und die beiden Seilklemmen am Seil befestigt. Nun schiebt man die vordere Seilklemme so weit wie möglich am Seil entlang, um sie dann mittels des integrierten Flaschenzugs wieder heran zu ziehen. Die 7:1 Untersetzung ermöglicht es dabei jedem, die Last zu heben und der rollengelagerte Flaschenzug hat fast keine Reibung. Ist die vordere Seilklemme wieder eingeholt (kleinen Abstand zur hinteren lassen), wird das Schlappseil zwischen den Seilklemmen einfach eingeholt, in dem es durch die hintere Seilklemme gezogen wird. Nun kann man mit einem neuen Hubzyklus von vorne beginnen.

Bremsknoten im Seil stellen dabei kein Hindernis dar, weil die Seilklemmen einfach einzeln eine nach der anderen darüber hinweg gesetzt werden können, während man einen Hubzyklus durchführt. Um Bedienfehlern die Konsequenzen zu nehmen, kann man das eingeholte Seil in regelmäßigen Abständen mit einem Verschlusskarabiner mittels Halbmastwurf in Anker oder Anseilöse hintersichern.

Das Mammut RescYou braucht somit kaum Kenntnisse in der Anwendung, ist einfach zu bedienen und leicht mitzuführen. Allein die hohe Untersetzung macht es verhältnismäßig langsam in der Anwendung.

Hinweis: Zum Mammut RescYou sollte angemerkt werden, dass für zwei Produktionschargen momentan ein Rückruf läuft.

Nächster Teil: Vorgehen bei der Spaltenbergung.

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