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Bergwissen

Die SnowCard

von Martin Engler • 05.10.2008
Avalanche-Awareness heißt ein amerikanisches Buch über Lawinen und dieser Titel drückt für mich am besten aus, um was es geht. Intensiver, innerer Kontakt mit der Natur und mit dem Schnee, eine wache und reaktionsbereite Stimmung, die sich den immer neuen Situationen und Eindrücken im Gelände kontinuierlich anpasst. Ohne diesen Kontakt mit der Umgebung kann ich weder den besten Schnee für die Abfahrt finden noch die Lawinengefahr einschätzen, obwohl ich mich nun seit über zwanzig Jahren intensiv mit Lawinen beschäftige. Früher, in meiner Anfangszeit war dies noch anders. Da hatte ich noch geglaubt, dass ich einfach oben aus dem Lift steigen muss und nach ein paar Schneedeckentests habe ich alles im Griff. Doch mit der Zeit, nach einigen sehr gefährlichen Erlebnissen mit Lawinen, bin ich zurechtgestutzt worden.

Avalanche-Awareness

heißt ein amerikanisches Buch über Lawinen und dieser Titel drückt für mich am besten aus, um was es geht. Intensiver, innerer Kontakt mit der Natur und mit dem Schnee, eine wache und reaktionsbereite Stimmung, die sich den immer neuen Situationen und Eindrücken im Gelände kontinuierlich anpasst. Ohne diesen Kontakt mit der Umgebung kann ich weder den besten Schnee für die Abfahrt finden noch die Lawinengefahr einschätzen, obwohl ich mich nun seit über zwanzig Jahren intensiv mit Lawinen beschäftige. Früher, in meiner Anfangszeit war dies noch anders. Da hatte ich noch geglaubt, dass ich einfach oben aus dem Lift steigen muss und nach ein paar Schneedeckentests habe ich alles im Griff. Doch mit der Zeit, nach einigen sehr gefährlichen Erlebnissen mit Lawinen, bin ich zurechtgestutzt worden.

Unsicherheiten bestimmen die Strategie


                        Gehört zu den verbreitesten Risiko-Management-Methoden – die SnowCard, die vom Autor dieses Artikels entwickelt wurde.

Spätestens seit den Erkenntnissen von Werner Munter ist es allgemeine Lehrmeinung, dass man Lawinengefahr nicht punktgenau bestimmen kann. Das einzige, was wir zur Entscheidungsfindung besitzen, sind augenscheinliche Einflüsse wie Hangneigung oder Exposition, und ein Check der lawinenbildenden Faktoren. Nur mithilfe von Wahrscheinlichkeiten können daraus dann unter den jeweiligen Bedingungen Aussagen über die Lawinengefahr getroffen werden. Auf großer Skala geschieht das in der Erstellung des Lawinenlageberichts, kleinräumig bleibt es dir selbst überlassen. In der Beurteilung einzelner Hänge musst du dabei die Aussagen des Lawinenlageberichts interpretieren und gegebenenfalls mit den eigenen Eindrücken vor Ort modifizieren.
Dennoch bleibt jede Beurteilung ein Spiel mit den Wahrscheinlichkeiten. So ist z.B. eine Lawinenauslösung relativ wahrscheinlich, wenn du am ersten Tag nach einem Neuschneefall bei großer Kälte einen triebschneebeladenen, sehr steilen Schattenhang befährst. Dies bedeutet nämlich meistens dicht gepackten Schnee, der mit sehr geringer Verbindung auf seiner Unterlage liegt, – was genau die Bedingungen für einen Schneebrettabgang sind. Es heißt aber noch lange nicht, dass nun alle Hänge mit hoher Wahrscheinlichkeit als Lawine abgehen werden – ganz im Gegenteil. Es werden zahlreiche Hänge, die diese Bedingungen aufweisen, von "mutigen" Freeridern befahren, die dann hinterher glauben, es sei gar nicht gefährlich gewesen, nur weil der Hang diesmal oben blieb. Das ist eine gefährliche Spirale des Risikos, da solch ein Verhalten irgendwann zwangsläufig zum Unfall führt. Andersherum werden zwar sehr selten, aber immer wieder Lawinen in Hängen abgehen, die anscheinend relativ günstige Bedingungen aufweisen. Mit diesem Maß an Unsicherheit müssen wir leben, sonst haben wir im Gelände nichts zu suchen. Doch kann ich dich auch beruhigen: Wer die Hänge meidet, die beim Befahren mit recht großer Wahrscheinlichkeit einen Lawinenabgang ergeben, lebt beim Freeriden bereits sicherer als im Straßenverkehr. Wobei man aber bedenken sollte, dass eine Wahrscheinlichkeit von wenigen Promille bei den zu erwartenden Folgen einer Lawinenverschüttung bereits als groß gelten muss! Genau darum geht es bei der Lawinenbeurteilung: Wir meiden die Hänge, die eine große Wahrscheinlichkeit einer Lawinenauslösung aufweisen. Das ist leicht gesagt, doch nicht so einfach durchzuführen: Auch Profis übersehen immer wieder wichtige Zeichen und hinterher, nach dem Lawinenabgang, sieht alles wieder ganz einfach aus. Im Gelände müssen wir zahlreiche Hänge beurteilen und blitzschnell Entscheidungen treffen, Hang für Hang, immer wieder. Da können schnell einmal Fehler passieren, die dann fatale Folgen haben. Deshalb benötigen wir eine Strategie der Wahrnehmung, die uns automatisch auf den richtigen Weg führt. Wenn ich also aus dem Auto in die Hänge gucke, ist das bereits ein Teil dieser Strategie, die schon zuhause beginnt.

Vorsichtiger Beginn: Wertfreie Information

Zunächst beginne ich immer sehr vorsichtig, da mir meist wichtige Informationen fehlen. Bevor ich mir irgendeine Meinung mache, versuche ich soviel zu erfahren, wie nur möglich: Welche Gefahrenstufe gibt der Lawinenlagebericht zu der betreffenden Region heraus? Was sagen die Zusatzinformationen, wo sind die gefährlichen Hangexpositionen? Was sagt der Wetterbericht? Welche Faktoren führen zur Lawinengefahr und wo sind diese besonders anzutreffen? Diese Informationen, die ich schon Zuhause einholen kann, sind der erste wichtige Schritt.Die Landkarte ist bei der Planung dann mein bester Begleiter. Mit Übung kann man Hangformen, Expositionen und Steilheiten erkennen und mit viel Erfahrung sogar abschätzen, wo der meiste Triebschnee liegen wird. Mit der SnowCard (Grafik für ungünstige Expositionen) lassen sich bereits die potenziellen Gefahrenstellen schnell und einfach erkennen, ohne die Einzelheiten vor Ort zu kennen oder viele theoretische Kenntnisse zu besitzen. Diese Grundlegenden Strategien sollte jeder anwenden können, der sich ins Gelände begibt.

Szenario

Mit den Vorinformationen habe ich jetzt ein grobes Bild der Gesamtlage und prüfe, welches Ziel für den heutigen Tag überhaupt sinnvoll ist. Dabei lasse ich meine Phantasie spielen und erstelle verschieden Szenarien. Was kommt auf mich zu? Was ist der ungünstigste Fall? Was tue ich, wenn dieser Fall eintritt? Wo sind Unsicherheiten, was weiß ich noch nicht? Lieber fühle ich mich zunächst unsicher, denn dadurch wird meine Wahrnehmung geschärft. Ich gönne mir also zunächst eher wenig und erst nach Beobachtung und Begründung im Gelände bin ich bereit, meinen Handlungsspielraum zu erweitern. Eine Erweiterung des Handlungsspielraums erfordert allerdings ein Mehr an Wissen. Nur wer bereits Erfahrung im Umgang mit der Lawinengefahr, dem Lesen des Lawinenlageberichts und der Interpretation der Indizien gesammelt hat, wird die Zeichen vor Ort deuten und so seine Möglichkeiten vergrößern können. Eine praktische Ausbildung, etwa ein Lawinenkurs, ist da unbedingte Voraussetzung. Wem diese Kenntnisse fehlen, wird bei der Einschätzung nur aufgrund der Gefahrenstufe, der Hangneigung und der Exposition stehen bleiben müssen.

Checkpunkte

Im Gelände versuche ich dann, rechtzeitig vor etwaigen kritischen Stellen anzuhalten, in mich hineinzuspüren und zur Ruhe zu kommen. Dann mache ich meinen Check und vergleiche die Faktoren, die nach der Theorie zur Lawinengefahr führen, mit dem, was ich vor Ort tatsächlich wahrnehme. Wie viel Neuschnee hat es wirklich? Woher kam der Wind? Sind frische Lawinen oder "Wummgeräusche" zu beobachten? Wie ist allgemein die Setzung und Verfestigung der Schneedecke zu beurteilen? Muss ich die grundlegende Beurteilung entsprechend des Lawinenlageberichts verändern, kann ich mir vielleicht mehr erlauben oder muss ich sogar noch vorsichtiger sein?Dazu gehört natürlich Erfahrung, die man nicht von heute auf morgen im Lotto gewinnt. In der Praxis sollte diese Wahrnehmung als ganz natürlicher Prozess ablaufen, an den man sich nicht mehr erinnern muss. Nur dann wird man sicher, die wichtigen Faktoren zu erkennen und nicht etwa Alarmzeichen zu übersehen. Wichtig ist auch, dass dieser Wahrnehmungsprozess kontinuierlich abläuft, denn die Bedingungen können sich schnell und unvermutet ändern. Wer einige Touren mit einem erfahrenen Bergführer durchführt und sich an jedem Check die Beobachtungen und Zusammenhänge erklären lässt, wird zahlreiche, wertvolle Dinge erfahren. Er wird langsam die Strategie der Profis erlernen. Fehlen mir dagegen die Möglichkeiten der Einschätzung – was in schwierigen Situationen, etwa bei Schlechtwetter, übrigens auch mir als Profi passieren kann – wende ich nur das einfache Risikomanagement der SnowCard oder der elementaren Reduktionsmethode an, auf die ich normalerweise meine eigene lokale Einschätzung entsprechend des Faktorenchecks und der 3x3 Filtermethode aufbaue. Kann ich mich aber nur auf die Informationen im Lawinenlagebericht und aus der Landkarte stützen, muss ich mein Sicherheitspolster dicker gestalten. Dann muss ich zwar öfters verzichten, laufe aber weniger Gefahr, in eine Falle zu geraten.

Zu guter Letzt noch drei Grundlegende Tipps zum Ăśberleben im Schnee:

  • Meide Steilhänge mit frischem Triebschnee, besonders wenn es kalt ist und/oder auf eine ungĂĽnstige Unterlage geschneit hat. Du erkennst die Gefahr oft an DĂĽnen oder anderen Windzeichen in der Schneedecke. Der Schnee ist dort nicht mehr ganz locker, sondern mehr oder weniger dicht gepackt.
  • Wenn der Lawinenlagebericht von schlechtem Aufbau der Schneedecke spricht, meide auf jeden Fall selten befahrene Steilhänge in den im Lagebericht genannten Expositionen - auch wenn die Lawinengefahr allgemein nicht sehr hoch erscheint.
  • Schule deine ständige, wache Beobachtung der Natur.

Text: Martin Engler 

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