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Bücher

BuchTipp | Schitour Plus. Wenig Aufstieg … viel Abfahrt!

Ein Klassiker aus der Führerliteratur

von Helmut Gassler 21.01.2023
Das hier vorgestellte Buch stammt aus dem Jahr 2001 (!), geschrieben von drei Urgesteinen der Skiführerliteratur, dem Innsbrucker Ehepaar Rudolf und Siegrun Weiss sowie dem Wiener Bergautor und Verlagsleiter Kurt Schall. Die Tatsache, dass hier ein derart altes Buch mit einem Titel, der wie aus der Zeit gefallen erscheint, rezensiert wird, spricht entweder für das Buch oder aber gegen den Rezensenten.

Rudolf und Siegrun Weiss, Kurt Schall (2001): Schitour Plus. Wenig Aufstieg … viel Abfahrt. Ausgesuchte Schitouren mit Aufstiegshilfen und langen Geländeabfahrten in Österreich, der östl. Schweiz und Südtirol. Schall Verlag, Wien.

Das Buch setzt sich zum Ziel, einen Überblick über die wichtigsten, schönsten, lohnendsten der langen Geländeabfahrten in den Ostalpen zu geben, wobei die Ausgangspunkte dieser Abfahrten mit (oder zumindest mit Unterstützung von) technischen Aufstiegshilfen erreicht werden können. Heute würde man dazu wohl Freeridetouren bzw. Freerideabfahrten sagen. Damit spricht das Buch also abfahrtsorientierte Skifahrer:innen an, die mit möglichst wenig (Aufstiegs-)Mühe eine möglichst lange und lohnende Abfahrt erreichen wollen.

Gleich vorneweg: Diese Zielsetzung wird vollumfänglich erreicht. Wir haben dieses Buch zu unserer größten Zufriedenheit seit den Nullerjahren immer wieder herangezogen, sei es für die grobe Planung einer Skireise und der damit verbundenen potentiellen Abfahrtsziele, sei es für das Befahren einer ganz konkreten, im Buch beschriebenen Route oder einfach als Quelle der Inspiration für Gebirgsgruppen bzw. Standorte, die uns oft völlig unvertraut waren bzw. deren Existenz wir erst durch dieses Buch wahrnahmen.

Der Aufbau des Buches entspricht dem üblichen Standard derartiger Führerliteratur, allerdings alles in einer noch analogen, sozusagen 0.0 Version. Hinweise auf GPS Koordinaten oder gar Links zu GPS Tracks zum Herunterladen fehlen dementsprechend völlig. Allerdings gehen sie überhaupt nicht ab. Die Beschreibungen der Tourengebiete, der einzelnen Routen/Abfahren sowie deren kartographische Veranschaulichung anhand von Kartenausschnitten basieren auf den jeweils am besten zur Verfügung stehenden Kartenmaterial für die Region (Österreich: Amtliche topographische Karte, Schweiz: Swiss Topo: Südtirol: Tabacco) und sind – trotz Schwarz-Weiss-Darstellung – hervorragend lesbar. Die Touren lassen sich somit allesamt auch problemlos in moderne Hilfsmittel (digitale Navigations-Apps) übertragen. Abgerundet wird diese Veranschaulichung durch eine Vielzahl von (Farb-)Fotos, die dann allerdings aufgrund ihres Alters wirklich etwas „historisch“ wirken. Sei es, weil im vergletscherten Bereich ein längst vergangener Gletscherstand dokumentiert wird oder weil die damalige Skimode und das verwendete Skimaterial bereits reif fürs (Ski-)Museum sind.

Die Schwierigkeitsbewertung beruht auf der bekannten Skala I bis V (unschwierig bis extrem schwer), wobei der Schwierigkeitsgrad V im Buch nicht vertreten ist. Wo notwendig, werden auch Angaben zur alpinistischen (klettertechnischen) Schwierigkeit gemacht. Zusätzlich wird die Anfälligkeit für Lawinengefahr in drei Kategorien (kaum, mitunter und häufig) angegeben. Im jeweiligen Beschreibungstext finden sich dann – wenn notwendig – noch zusätzliche Bemerkungen hinsichtlich der Steilheit (in Grad) bzw. der topographischen Beschaffenheit (z.B. enge Rinne, etc.). Heute untypisch ist die Eignung der Tour je nach Befahrungszeit (Hochwinter / Frühjahr), die aber gleichzeitig einen guten Hinweis gibt, ob die Tour ein gutes Ziel eher für Powder oder doch für Firnverhältnisse ist.

De facto alle beschriebenen Routen haben technische Aufstiegshilfen als Unterstützung, d.h. der Aufstieg startet oft an den Bergstationen von Seilbahnen bzw. Liftanlagen (in manchen Fällen an hochgelegenen Gebirgspässen). Einige der beschriebenen Abfahrten haben keinen (bzw. nur sehr geringen) Fußaufstieg als Voraussetzung. Dennoch führen alle Routen in Gelände jenseits von Skigebietsgrenzen, gehen also über das reine „Variantengelände“ (z.B. in unmittelbaren Nachbarbereich von Skipisten oder zwischen Skipisten) hinaus. Viele dieser Abfahrten haben „Hintenherum-Charakter“ und führen zu anderen Endpunkten, teilweise auch in gänzlich andere Täler, was dementsprechend logistische Abstimmungen notwendig macht (z.B. zweites Auto, Rückkehr per Autostopp etc.). Gerade diese Touren zählen aber mit zu den lohnendsten und oft auch längsten Routen dieses Buches. Ein schönes Beispiel hierfür ist die Abfahrt von der Radeckscharte am kleinen Ankogel (erreichbar von der Ankogelseilbahn in Mallnitz) in das Anlauftal nach Gastein. Bei dieser herrlichen Abfahrt überwindet man sogar den Alpenhauptkamm! (Und in diesem Fall ist die Rückkehr sogar logistisch einfach via Autoverlad Tauerntunnel Böckstein-Mallnitz).

Da so viele unterschiedliche Tourengebiete über fast die gesamten Ostalpen hinweg Berücksichtigung finden, ergibt sich eine enorme Bandbreite an Touren was Charakter, Länge, Schwierigkeit, Höhenlage, alpinistische Ansprüche etc. betrifft. Es finden sich sowohl „echte“ Skihochtouren über große und auch spaltengefährdete Gletscher (z.B. Wildspitze, Weisskugel, Zuckerhütl, Cevedale, Piz Palü), Steilrinnen in den Dolomiten (z.B. Cristalloscharte), weite baumfreie Großabfahrten im unvergletscherten Hochgebirge (z.B. diverse Touren in der Landschaft Davos, bei Klosters oder rund um den Julier Pass) als auch liebliche Wald- und Wiesenskitouren im Wald- und Almgelände (z.B. in der Steiermark oder in den Kitzbühler Alpen). Neben berühmten, allseits bekannten Routen (wie z.B. Edelgries am Dachstein, Val Mezdi in den Dolomiten oder die Bündner Vorab in den Glarner Alpen) finden sich auch versteckte Perlen, die – außerhalb des direkten Einzugsbereichs - wohl immer noch als „Geheimtipps“ gelten können (z.B. Fideriser Heuberge).

Aufgrund des Alters der Publikation sind einige wenige der Routen so nicht mehr möglich bzw. hat sich ihr Charakter verändert. Einerseits weil z.B. die betroffenen Seilbahnanlagen stillgelegt wurden (z.B. Reisseck in Kärnten) oder andererseits sich das Skigebiet weiter ausgebreitet hat (z.B. Piz Val Gronda in Ischgl/Silvretta).

Insgesamt kommt man so auf über 125 verschiedene Routen (plus zahlreiche zusätzliche Varianten), die eine sehr weite Palette von Skimöglichkeiten abdecken. Geographisch werden Tourengebiete vom äußersten Alpenostrand (Wiener Hausberge, Fischbacher Alpen) bis in die (östliche) Zentralschweiz rund um den Oberalppass sowie alle wesentlichen Teile Südtirols (Dolomiten, Zentralalpen, Ortler) abgedeckt. Somit sind mehr oder weniger alle relevanten Gebirgsgruppen der Ostalpen im Buch vertreten.

Für jedes Tourengebiet gibt es einen sehr knapp gehaltenen Überblick und Hinweise auf zusätzliche „klassische“ Tourenmöglichkeiten. Die Beschreibungen der einzelnen Routen (sowie deren zahlreiche Varianten) sind sehr gut strukturiert. Für jede Route gibt es einen Infokasten, der wichtige Aspekte wie Aufstiegs- und Abfahrtshöhenmeter, benötigte Zeit, Schwierigkeit, Exposition und Anfälligkeit für Lawinengefahr kurz und knapp zusammenfasst. Der Charakter der Route wird in Form eines „Teasers“ kurz beschrieben und dann folgen detaillierte Informationen zu Ausgangspunkt, Beschreibung der Aufstiegs- und Abfahrtsroute, Hinweise zu Besonderheiten (z.B. Gefahrenstellen) etc.

Anhand der Routen, die ich persönlich kenne bzw. begangen und befahren habe, kann ich beurteilen, dass die Schwierigkeitsgrade ziemlich passend gewählt wurden. Die „leichten“ Touren (Schwierigkeitsgrade I bis II) sind durchaus auch für Einsteiger:innen etc. zu empfehlen bzw. für Freerider, die mal in das Tourengehen hineinschnuppern wollen und z.B. sich noch keine 1000 Hm Touren zutrauen wollen, trotzdem aber „große“, lange Abfahrten suchen. Die überwiegende Mehrzahl der Touren finden sich im Schwierigkeitsbereich III (bzw. II-III) und sind bei entsprechenden Bedingungen wohl für die Mehrheit der „normalen“ Freerider mit Genuss durchführbar. Touren des Schwierigkeitsgrads IV sind weniger zahlreich und sind tendenziell im unteren Bereich dieser Schwierigkeitsklasse zu finden (z.B. Lahning Ries am Schneeberg in den Wiener Hausbergen).

Insgesamt ein sehr empfehlenswertes Buch, das allein aufgrund seiner breiten Abdeckung des Ostalpenraums in keiner Sammlung von abfahrtsorientierten Skitourengeher:innen fehlen sollte.

Trotz seines Alters ist das Buch noch immer problemlos verfügbar, bestellbar direkt beim Verlag (Schall Verlag - Schitour Plus (schall-verlag.at) )oder auch über Freytag & Berndt (Schitour Plus - Skitourenführer Österreich | freytag & berndt (freytagberndt.com). Dort ist es auch direkt in der Buchhandlung (Wallnerstraße 3, 1010 Wien) lagernd.

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