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Interviews

PowderPeople | Arnold Studeregger, Lawinenprognostiker LWD Steiermark

Hintergründe zum LWD Steiermark und zur gemeinsamen Lawinenwarnung der österreichischen Bundesländer

von Lukas Ruetz 28.11.2021
Arnold Studeregger ist Teil des Lawinenwarndienstes bei der ZAMG in der Steiermark. Wir haben mit ihm über die Entwicklung des steirischen LWDs, die größten Innovationen dabei und sein Lieblingsschneeprofil gesprochen

LR: Die Lawinenwarnung in Österreich ist Ländersache. In sieben von neun Bundesländern gibt es einen Lawinenwarndienst. Seit wann gibt es euren LWD eigentlich und wie ist er entstanden?

AS: In der Steiermark gibt es den Lawinenwarndienst seit 1975 – gleichzeitig mit dem Katastrophenschutzgesetz. Einen großen Innovationsschub lieferte jedoch der Lawinenwinter 1999, nicht nur bei uns sondern im gesamten Alpenraum. Dadurch wurde intensiv am Aufbau der automatischen Wetterstationen gearbeitet und der tägliche Lawinenlagebericht eingeführt. Einen ähnlichen Impuls bewirkte Anfang Februar 2006 eine prekäre Lawinensituation und eine Nassschneesituation 2009 mit einer weiteren Forcierung des Stationsausbaus.

Beim Lawinenwarndienst in der ZAMG in Graz gibt es sechs Lawinenwarner und zwei Techniker. Seit 2006 übernehmen wir auch die Lawinenwarnung für Niederösterreich. Es sind immer zeitgleich zwei Lawinenprognostiker im Dienst. Die restlichen können sich in der Zwischenzeit unter anderem auf wissenschaftliche Projekte konzentrieren, in die wir sehr intensiv eingebunden sind.

Seit der Saison 2020/21 treten die Lawinenwarndienste von Salzburg, Oberösterreich, Niederösterreich, Steiermark und Kärnten im selben Gewand auf. Die grafische Darstellung wurde vereinheitlicht und die Lawinenberichte in mehreren Hinsichten auf ein neues Niveau gehoben. Damit schlagt ihr genau in die aktuell viel diskutierte Kerbe der Annäherung von Lawinenwarnprodukten über politische Grenzen hinweg. Seit wann arbeitet ihr an diesem Projekt, welche Hürden gab es dabei und was sind für die Vorteile für die Wintersportler?

Die gemeinsame Lawinenwarnung entstand aus einem Vorgängerprojekt mit Kärnten und Slowenien das bereits 2017 startete. Vor dem ersten Corona-Lockdown 2020 haben wir dann mit dem Fokus auf die Vereinheitlichung innerhalb der österreichischen Bundesländer begonnen.

Die Vorteile sind die Mehrsprachigkeit sowie der grafisch einheitliche Auftritt. Aber auch der Blick über den Tellerrand für die Wintersportler: Bereits auf der Seite des oberösterreichischen LWDs sieht beispielsweise ein Linzer auf den ersten Blick, dass es derzeit im Lungau eine bessere Lawinensituation gibt. Es gibt damit keine harten Grenzen mehr zwischen den Lawinenwarndiensten über Verwaltungsgrenzen hinweg, da die Gefahrenstufenkarten der Nachbar-Bundesländer mit eingebunden werden.

Außerdem können wir nun verschiedene Kleinstregionen zu einer gemeinsamen Warnregion täglich neu aggregieren. Je nach Wetterlage und Lawinensituation kann die Lawinenwarnung für jede einzelne Kleinstregion feiner abgestimmt werden.

Wisst ihr schon, wo ihr weiter an eurem Projekt feilen wollt?

Auch Vorarlberg und Bayern werden Teil unserer Arbeitsgemeinschaft. Außerdem haben wir einige Verbesserungen backendseitig im Auge, damit die Warner effizienter arbeiten können.

Seit diesem Winter gibt es auch ein neues Tourenportal und wir möchten intensiver mit Modellen wie SNOWPACK und verschiedenen Kartenprodukten arbeiten. Die Arbeit geht uns also nicht aus.

Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik ZAMG – der staatliche Wetterdienst Österreichs sozusagen – ist euer Arbeitgeber und in der Steiermark als einziges Bundesland mit den Agenden der Lawinenwarnung betraut. In den restlichen Bundesländern sind die Lawinenwarndienste meist der Hydrologie oder dem Katastrophenschutz untergeordnet. Seid ihr als Lawinenprognostiker dann im Sommer auch an der Wetterprognose beteiligt oder könnt ihr eure ganze Energie in das Thema Lawinen investieren?

Wir können uns vollständig dem Lawinenthema widmen – arbeiten aber zeitgleich intensiv mit unseren Kollegen aus der Meteorologie zusammen.

Die Lawinengefahr ist ein Produkt aus dem Wetterverlauf und dem Gelände. Es ist wohl ein besonderes Privileg, dass ihr ein Teil der ZAMG seid und damit die Synergien intensiv nutzen könnt?

Als ZAMG-Mitarbeiter können wir auch auf alle Wetterprodukte aus unserem Haus zurückgreifen, das ist in der Lawinenwarnung natürlich von Vorteil.

Welche Innovationen würdest du als die größten in der Lawinenwarnung der Steiermark der letzten Jahre bezeichnen? Und wohin entwickelt sich deiner Meinung nach die Lawinenwarnung in absehbarer Zeit?

Kärnten, Niederösterreich und die Steiermark waren die ersten mit einem Nachmittagsbericht für den nächsten Tag statt dem Lagebericht am Morgen. Für die Zukunft ist ein gemeinsamer Ausgabezeitpunkt aller Lawinenwarndienste in den Ostalpen eine Vision. Momentan erscheinen die Lawinenprognosen zwar fast alle bereits am späten Nachmittag oder frühen Abend – aber noch nicht alle zeitgleich.

Wir wollen weiterhin die Vereinheitlichung zwischen den Warndiensten vorantreiben und zum Beispiel die EAWS-Matrix weiter objektivieren. Zudem wird das Datenmanagement immer wichtiger. Aber der Mensch wird auch in der Fülle an Daten bleiben, denke ich. Die Maschine wird lediglich bei der Selektion von Daten helfen.

Zu dir persönlich: Wie bist du zum Lawinenprognostiker geworden und was sind die größten Herausforderungen aber auch schönsten Momente in diesem Beruf für dich?

Ich habe Geographie und Hochgebirge an der Uni Graz studiert. Im Rahmen meiner Dissertation war ich einen Winter auf der Planneralm stationiert und ich konnte jeden Tag ins Gelände gehen um Schneedeckenuntersuchungen durchzuführen. Danach habe ich die Möglichkeit bekommen, an der ZAMG als Lawinenwarner zu arbeiten.

Die größte Herausforderung war gleich am zweiten Arbeitstag: 2. Februar 2005. Da gab ich die Lawinengefahrenstufe 5 aus, die höchste auf der 5-teiligen Skala. Da wusste ich noch nicht, dass wir tatsächlich in den nächsten 48 Stunden über 200 Lawinen bekommen würden – in Summe 48 Stunden Stress pur.

Ich war zufällig auf einem Erkundungsflug mit der BMI Maschine und es kam eine Vermisstenanzeige rein. Wir fanden eine Lawine mit einer Spur hinein. Ich war der Erste auf der Lawine. Die physische Herausforderung war, dass die Person 24 Stunden in der Schneedecke war. Es war somit klar, dass ich einen Toten bergen musste…

Aber sprechen wir über die positiven Aspekte. Die schönsten Momente in diesem Beruf sind die ruhigen Minuten am Berg, wo man in sich gehen kann.

Wie würde dein Lieblingsschneeprofil ausschauen?

40 cm Rundkorn mit 0°C am Boden und dann isotherm bei -1°C. Darüber 70 cm große, fluffige Neuschneekristalle die nach oben hin -10°C kalt werden.

Zu guter letzt: Was denkst du, kann ein durchschnittlicher Wintersportler aus deinem Umgang mit Lawinen am ehesten mitnehmen und auch selbst im Gelände zur Risikooptimierung umsetzen?

Immer gut beobachten. Aufmerksam sein und seine Sinne für potentielle Gefahren schärfen – von der Anfahrt bis zur Rückkehr zum Ausgangspunkt.

Danke für das Gespräch!

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