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Interviews

PowderPeople | Phillip Crivelli, Gewinner des Julbo White Session Iconic Slopes Contest 2016

Steilwandfahren mit Anthamatten und Bruchez

von Christiane Eggert 30.11.2016
PowderGuide User Philip Crivelli hat letzten Winter den WhiteSession Wettbewerb von PG Partner Julbo gewonnen und war zehn Tage mit Sam Anthamatten und Vivian Bruchez unterwegs. Phillip hat schon vorher die ein oder andere Steilwand abgehakt - nun kamen in Begleitung der beiden Pros noch zwei dazu. Wir haben nachgefragt, wie es Phillip dabei ergangen ist: Ein Gespräch über steile Hänge und Skifahren auf Augenhöhe.

PG: Seit letzter Woche gibt es den Film zu eurem Trip bei Julbo zu sehen. Du warst der glückliche Gewinner des Contests und durftest mit Samuel Anthamatten und Vivian Bruchez zehn Tage auf einen Ski-Trip. Wie kamst du dazu, dich zu bewerben?

PC: Die Ausschreibung zum Contest habe ich auf Powderguide entdeckt. Mit einem der weltbesten Freerider, Samuel Anthamatten, und dem legendären Steilwandfahrer Vivian Bruchez gemeinsam in Zermatt und Chamonix Skifahren zu gehen, hat mich gereizt und ich habe mich spontan beworben. Das ging schnell: Ich musste ein Online-Formular ausfüllen, dazu habe ich ein Foto von mir beim Skifahren mitgeschickt. In dem Formular sollte man auch angeben, was man bisher alles schon gefahren ist.

PG: Und das wäre?

CR: Ich bin schon ein paar einschlägige Nordwände in den Alpen gefahren - zum Beispiel das Marinelli Couloir, die Lenzspitze, das Obergabelhorn, die Bernina Westflanke und die Dom Westwand. Also habe ich schon einen Großteil von Jérémie Heitz „La Liste" abgehakt!

PG: Seit wann fährst du Ski?

CR: Ich bin in Davos aufgewachsen. Dank meiner Mutter, die leidenschaftliche Skifahrerin ist, stand ich so oft wie möglich auf den Brettern. Als Kind und Jugendlicher bin ich auch Skirennen auf FIS-Niveau gefahren. Lustige Geschichte übrigens: Früher war ich bei einem Rennen mal schneller als Vivian Bruchez. Mein persönliches Highlight in meiner Karriere war als Vorfahrer beim Weltcup in Wengen. Die gesamte Weltcupstrecke mit Publikum abzufahren - einmalig. Ich glaube ich hatte acht Sekunden auf den damaligen Sieger.

PG: Wie bist du dann zum Freeriden gekommen?

CR: Schon als Kind bin ich gerne mit den Ski durch den Wald gefahren. Meine erste Skitour war in Davos -mit Schneeschuhen und Riesenslalom-Ski auf dem Rücken. Richtig angefangen habe ich dann erst während des Studiums und meiner Zeit beim Schnee- und Lawinenforschungszentrum in Davos.

PG: Was unterscheidet denn gewöhnliches Freeriden von Steilwandfahren?

CR: Der größte Unterschied ist sicher die alpinistische Herausforderung. Seil, Steigeisen und Sicherungsgeräte wie eine Eisschraube zählen hier zur Grundausrüstung. Von einer Steilwand spricht man, wenn der Hang über 45 Grad Neigung über mehrere hundert Meter hat. Ein Sturz an einer Steilwand kann tödlich sein. Es gibt verschiedene Rankings für Skiabfahrten. Verbreitet ist das von Toponeige. Steilwandfahren beginnt für mich bei Kategorie 5 der Abfahrten. Das Breithorn ist zum Beispiel mit 5.2 bewertet, die Matterhorn Ostwand mit 5.5.

PG: Wie ging es nach deiner Bewerbung weiter?

CR: Aus insgesamt 150 Bewerbern haben Vivian und Sam persönlich zehn Finalisten ausgewählt und nach Chamonix eingeladen. Im April 2016 wurde dann ,,selektiert": Neben skifahrerischer und alpinistischer Erfahrung ging es auch darum, sich gegenseitig kennenzulernen. Das Wetter war leider sehr schlecht. Deshalb haben wir nur eine kleine Skitour gemacht und Vivian und zwei Bergführer haben dabei beobachtet, wie wir uns im Gelände verhalten. Abends sind wir auf die Argentière Hütte. Es war eher ein sozialer Austausch, denn auch die Soft Skills gingen in die Bewertung ein. Die Jungs wollten auf dem gemeinsamen Ski-Trip kein Risiko eingehen.

PG: Was meinst du mit Soft Skills?

CR: Vivian und Samuel mussten immerhin zehn Tage mit dem Gewinner aushalten können - zwischenmenschlich sollte es also stimmen. Außerdem hat die Filmcrew geprüft, wer für sich für die Kamera eignet, es ging schließlich auch um eine Filmproduktion.

PG: Du hast also die Jury mit deinem guten Aussehen überzeugt?

CR: Ja, wegen meinem Aussehen und meiner Hollywood-Erfahrung! Nein, wahrscheinlich hatte ich von den Finalisten einfach die meiste Erfahrung auf den Ski und im Alpinismus. Zudem bin ich früher Rennen gefahren, das sorgt für eine gute Technik. Das Niveau der Bewerber war sehr unterschiedlich und „nur" ein guter Freerider zu sein, hat da nicht ausgereicht. Fast wäre es jedoch am Termin gescheitert. Der Trip sollte Mitte beziehungsweise Ende Mai stattfinden und ich hatte Urlaub in China gebucht. Aber die beiden haben sich glücklicherweise für mich entschieden und terminlich hat es dann auch geklappt.

PG: Gratulation zum Sieg und dem spektakulären Film, der entstanden ist. Wie ging es nach dem Entscheid weiter?

CR: In Zermatt haben mich Vivian und Sam empfangen. Sam habe ich übrigens erst am Bahnhof kennengelernt. Das war spannend. Ich hatte ihre Auftritte in sozialen Netzwerken schon eine Weile verfolgt und habe beide auch schon bei der Freeride World Tour als Reporter für PowderGuide gesehen. Das persönliche Kennenlernen und Austauschen hat mich also wirklich gefreut.

PG: Stand schon fest, welche Hänge ihr fahren solltet?

CR: Es war klar, dass wir den ersten Teil in Zermatt und den zweiten Teil in Chamonix verbringen würden. Ursprünglich war in Monte Rosa das Marinelli Couloir auf dem Plan. Sam hatte aber schon am ersten Abend angemerkt, dass die Bedingungen dafür schlecht seien. Ein Flug mit dem Heli hat dann endgültig dazu geführt, das Couloir auszuschließen. Das war für uns alle kein Problem, denn Vivian und ich sind es bereits gefahren. Ich habe den Vorschlag gemacht, stattdessen die Ostwand am Matterhorn zu befahren - die allerdings recht viel Schnee abbekommen hatte. Nach einer Nacht in der Hörnlihütte am Fuß der Ostwand wollte jedoch auch die Crew das Risiko nicht eingehen, weil Nordföhn die ganze Nacht zusätzlichen Triebschnee in den oberen Teil verfrachtet hatte. Dann war klar, dass wir die Nordwand des Breithorns befahren würden. Nach einer kleinen gemeinsamen Skitour übers Schwarzror sind wir dann zur Testa Grigia-Hütte aufgestiegen. Von dort aus ging es dann frühmorgens auf den Gipfel, anschließend haben wir die Nordwand über den Triftjigrat befahren.

PG: Die Bilder und der Film sehen aus wie ein Trailer zu einem neuen James Bond Film. Eissicherung bauen, abseilen und dann eine Steilwand mit teilweise über 50 Grad Neigung befahren - das ist spektakulär. Warst du aufgeregt?

CR: Angst hatte ich nicht. Ich habe mich total gefreut und es war ein tolles Erlebnis. Wir konnten uns auf Augenhöhe austauschen und den einen oder anderen Kniff beim Klettern habe ich von Vivian und Sam, die beide übrigens auch Bergführer sind, gelernt. Ungewohnt war für mich vielmehr die Anwesenheit der Filmcrew. Der Kameramann wollte natürlich die besten Aufnahmen. Wir mussten die richtige Zeiten, Licht und Perspektiven abwarten und dann musste alles natürlich safe sein, nicht nur für uns, sondern auch für die Crew.

PG: Was habt ihr dann in Chamonix gemacht?

CR: Da wollten wir ursprünglich die Westflanke des Mont Blanc befahren. Wir haben uns dann aber für das Couloir de la Passerelle und Couloire des Aiguilettes entschieden. Das war ein spektakulärer Zustieg, erst durch einen Tunnel, dann mussten wir uns von einer Brücke abseilen. Der Hang war südwest-exponiert und die Bedingungen nicht einfach, aber auch diese Abfahrt war eine tolle Erfahrung. Überhaupt ist Chamonix der Spielplatz der großen Jungs. Ich habe Glen Plake im Ski-Shop und Seth Morrison abends in der Hütte getroffen. Da gibt es eine riesen Szene, das ist toll.

PG: Welches Material habt ihr gebraucht?

CR: Bei beiden Trips war Seil, Klettergurt, Abseilgerät, Steigeisen, Nuts/ Friends sowie Pickel immer dabei, außerdem natürlich LVS, Schaufel, Sonde und Helm. Ich hatte nur ein paar Ski dabei, den Blizzard Kabookie mit Pin-Bindung, damit bin ich alles gefahren. Außer einem gebrochenen Skistock ist auch alles heil geblieben. Sam ist als Freerider den breitesten (etwa 110 Millimeter) und schwersten Ski gefahren. Vivian war mit leichterem Material unterwegs.

PG: Was von diesem Trip mit Sam und Vivian wird dich immer erinnern?

CR: Die Heli-Flüge und die Zeit mit den Jungs waren etwas ganz besonders. Ich bin selten mit jemandem auf so einem hohen Niveau unterwegs. Das war toll, sonst bin ich oft derjenige, der bei einer Skitour führt.

PG: Waren die Steilwände beim Dreh des White Session Films das Extremste, das du bisher gefahren bist?

CR: Nein, das waren sicher die Abfahrten, bei denen ich auf mich selbst gestellt war - zum Beispiel bei der Lenzspitze. Da war ich sogar nachts in der Hütte allein. Einige Wochen nach dem Dreh bin ich nach Zermatt zurück und die Ostwand des Matterhorns gefahren, das war eine meiner extremsten, aber auch schönsten Erfahrung.

PG: Verhältst du dich anders, wenn du alleine bist?

CR: Ich bin überlegter, wäge das Risiko, das ich bereit bin, einzugehen, viel bewusster ab. Allein unterwegs zu sein ermöglicht mir aber auch, meine eigene Pace zu fahren. Ich bin im Aufstieg und in der Abfahrt gerne sportlich unterwegs, von meinen Freunden können und wollen da nicht alle mithalten. Ich genieße dennoch auch die gemeinsame Zeit mit Freunden in den Bergen.

PG: Hattest du schon gefährliche Momente?

CR: Zwei Situationen mit Lawinen habe ich bisher erlebt, aber beide sind gut ausgegangen. Aus einer Lawine konnte ich dank hoher Geschwindigkeit rausfahren. Ansonsten hatte ich bisher keine Grenzerfahrung oder schlimmere Verletzung. Ich denke, meine gute und sichere Technik beim Skifahren hilft mir in vielen Situationen die Kontrolle zu behalten. Auch wenn es von außen betrachtet oft gefährlich wirkt: Ich versuche, kein Risiko einzugehen.

PG: Du hattest 128 Skitage im letzten Jahr. Mit welchem Beruf lässt sich das vereinen?

CR: Momentan arbeite ich gerade an meiner Dissertation am SLF in Davos. Im Sommer nächsten Jahres will ich sie abschließen und habe auch schon neues Ziel: Ich habe mich als Bergführer eingeschrieben und werde nächstes Jahr damit anfangen. Anderen Menschen die Berge zeigen ist eine tolle Aufgabe- darauf freue ich mich schon.

PG: Hast du eine „Bucket-Liste" mit zukünftigen Projekten?

CR: Das werde ich häufig gefragt. Witzig ist: Je mehr ich „abhake", umso länger wird die Liste. Allein in Chamonix gäbe es noch unendlich viel Möglichkeiten. Leider ist die Saison für Steilwände meist lediglich im Mai und Juni und die Bedingungen müssen passen. Mein Fokus liegt in den Alpen. Um aber noch zwei anstehende Projekte zu verraten: Die Nordostwand des Weisshorn im Wallis sowie die Eiger Westflanke. Vielleicht sogar mit Vivian.

PG: Vielen Dank für das Gespräch!

Der Film zum WhiteSession Trip, featuring Phillip Crivelli, Sam Anthamatten und Vivian Bruchez:

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