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Welt der Wissenschaft | Die nächste Generation der Wettermodelle

Höhere Auflösung, geringere Rechenzeit

von Dylan Reynolds 06.04.2023
Numerische Wetterprognosen und Schneemodelle sind mittlerweile sehr gut, aber es gibt noch Luft nach oben. Im Gebirge ist die komplexe Topographie eine der größten Herausforderungen für die Wettermodelle. Jeder Berggipfel und jedes Tal beeinflusst die Bewegung der Atmosphäre und damit kleinskalige Prozesse wie Schneeverfrachtungen.

Dylan Reynolds ist Doktorand am SLF und erforscht, wie man hochauflösende Wettersimulationen verbessern und mit Schneemodellen koppeln kann. Um folgenden Artikel erklärt er seine Forschung und warum auch die Lawinenprognose von schnelleren Wettermodellen profitieren kann.

Die steile, komplizierte Topographie der Alpen ist ein Segen für alle, die gern Skifahren und Bergsteigen. Von schroffen Gipfeln geht es steil hinunter in tiefe Täler. Die Tiefblicke sind wunderschön, aber für die atmosphärischen Modelle, die hier das Wetter vorhersagen sollen, ist das komplexe Gelände ein Albtraum. Um Schneefall im Gebirge vorherzusagen, braucht man sehr hoch aufgelöste Modelle. Lawinenwarndienste nutzen oft Schnee- und Windinformationen, die aus einer Reihe verschiedener Datenprodukte statistisch generiert werden. Das ist nützlich, aber mit hochauflösenden Wettermodellen könnte man die zugrundeliegenden Prozesse direkt berechnen anstatt auf räumliche Statistik zurück zu greifen.

Warum macht man das nicht? Die für entsprechende Modelle benötigte Rechenleistung ist einfach zu groß. Es wird zwar viel in die nächste Generation von Wettermodellen investiert, aber wahrscheinlich dauert es noch mindestens 10 Jahre, bis wir operationelle numerische Wettervorhersagen auf solchen Skalen haben. Um die Vorhersagen trotzdem zu verbessern, können wir Wege suchen, die komplexen, hochauflösenden Modelle zu vereinfachen, ohne dass das Ergebnis zu sehr leidet.

In einer aktuellen Studie (Preprint) stellen wir ein solches, vereinfachtes Modell vor: HICAR (High-resolution Intermediate Complexity Atmospheric Research Model). Mit HICAR können wir auf einer Skala von wenigen 100 Metern Simulationen durchführen. Und zwar 100x schneller als traditionelle Wettermodelle! Wenn die Rechenzeit der Modelle so stark verringert wird, rücken hochaufgelöste Simulationen über größere Gebiete langsam in greifbare Nähe. Das Konzept von HICAR beruht auf Downscaling. Das heißt, bestehende regionale Vorhersagen werden auf kleinere räumliche Skalen umgerechnet. Das wiederum verbessert die Schneevorhersage in kompliziertem Gelände.

Vergleicht man HICAR mit WRF, einem weit verbreiteten regionalen Wettermodell, sind die Ergebnisse schon nicht schlecht. HICAR berechnet zum Beispiel sehr ähnliche Windgeschwindigkeiten in bodennahen Schichten wie das WRF Modell. Das ist für den Schnee wichtig, weil Windrift in Bodennähe die Schneeverteilung stark beeinflusst. Anders als bei Regen ist der bodennahe Wind bei Schnee entscheidend für die Schneemenge, die schlussendlich am Boden ankommt. HICAR wurde entwickelt, um die sogenannte “präferentielle Deposition” von Schnee besser zu simulieren. Das heißt, das Modell ist spezialisert darauf, genau zu berechnen, wo durch das Zusammenspiel von Wind und Topographie mehr oder weniger Schnee ankommt. Auch hier zeigen erste Ergebnisse, dass HICAR ähnliche Muster findet wie das WRF-Modell, diese sind aber stärker ausgeprägt. Es braucht noch einen Abgleich mit Messdaten, um genauer zu sagen, welches Modell die Realität besser abbildet.

Auch wenn der Schnee schon am Boden liegt, kann er später noch durch den Wind verfrachtet werden. Wer schonmal im Schneesturm Skifahren war, kennt das Phänomen zur Genüge. Ist der Wind stark genug, werden Schneekristalle vom Boden aufgehoben und vom Wind weiter transportiert. Das führt oft zu großen Verfrachtungen und Triebschneeansammlungen. Für die Lawinenvorhersage sowie für hydrologische Anwendungen ist es wichtig, dass sowohl die Deposition von Schnee während des Schneefalls als auch spätere Verfrachtungen gut im Modell abgebildet werden.

In einer laufenden Studie versucht unser Team, HICAR an ein Schneemodell zu koppeln. Bisher läuft das gekoppelte Modell nur für eine kleine Testregion, aber die Studie beweist, dass es möglich ist, einen ganzen Winter land in komplexem Gelände hochauflösende Simulationen durchzuführen. Bisher war das keine Selbstverständlichkeit!

Erste Ergebnisse zeigen, dass die Kombination aus HICAR und einem Schneedriftmodell Verfrachtungen auf der Skala einzelner Rücken und Geländekanten simulieren kann. Eine wichtige Voraussetzung, um Triebschneegefahr mittels Modell vorherzusagen! Wir hoffen, dass HICAR irgendwann Triebschneemengen und -gefahrenstellen in einzelnen Hängen berechnen kann, um die Gefahreneinschätzung der Warndienste zu unterstützen.

HICAR war bereits im Einsatz, um Winterniederschlag über den Schweizer Alpen mit einer räumlichen Auflösung von 250m zu simulieren. Das hat gut funktioniert, teils besser als mit anderen Methoden. Winterniederschlag ist besonders wichtig für den Operational Snow Hydrological Service (OSHD) des SLF. In diesem Rahmen wird ein Schneemodell mit ähnlicher Auflösung betrieben. Wir sind zuversichtlich, dass HICAR in den nächsten Jahren im operationellen Betrieb eingesetzt und mit dem OSHD Modell kombiniert werden kann. HICAR würde durch die spezielle Downscaling Methode eine Art Brücke zwischen den weniger hochaufgelösten Wetterdaten der MeteoSwiss und dem OSHD Schneemodell darstellen. Diese Modellkette könnte Schneeprozesse im Gebirge besser simulieren als die einzelnen Modelle es bisher alleine können.

HICAR wird dabei nicht die bestehenden Wetterprognosen ersetzen. Die geringere Rechenzeit von HICAR ergibt sich aus der Tatsache, dass es viele Daten der anderen Modelle nutzt und nicht erst alles selbst berechnen muss. HICAR soll nicht statt anderer Modelle zum Einsatz kommen, sondern mit ihnen. Modellketten und Downscaling Methoden wie sie bei HICAR im Einsatz sind, können uns helfen, die komplizierten Prozesse, die sich im Gebirge zwischen der Atmosphäre und der Schneedecke abspielen, besser zu verstehen.

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