Saftig grüne Wiesen und bunt blühende Büsche in den tiefen Lagen des Valtellina. Doch welch wunderschöner Kontrast, gegenüber den schrecklichen Gelb- und Grün-Tönen bot uns, das in übersichtlichem Weiß gehaltene Hochtal von Livigno. Und pünktlich zu unserer Ankunft riss der Himmel auf.
Zur Belohnung für die lange Fahrt durch diverse kostenpflichtige Tunnels wurden wir mit einem feinen Freeride-Tag auf den sanft geneigten Freeride-Hängen Livignos belohnt. Die weiten mittelsteilen Hänge in die verschiedenen Nebentäler wiesen kaum Spuren anderer Freerider auf, was wohl daran liegt, dass die meisten Livigno-Skifahrer die Pisten dort nicht verlassen.
Ob dafür die drastischen Freeride-Verbotsschilder verantwortlich sind, die drohen, dass abseits der Pisten keine Erste-Hilfe geleistet würde, oder das besagte Freeride-Pauschalverbot "Schuld" ist, wissen wir nicht. Unsere Schwünge im Pulverschnee haben jedenfalls niemanden interessiert, höchsten dann, wenn die Abfahrtslinien besonders gelungen waren. Nach zwei Tagen – und immer noch enorm viel unverspurtem, aber zunehmend bruchharschigen Schnee drängte uns das schlechter werdende Wetter zum Aufbruch in Richtung Südstau-Epizentrum.
Nächste Station: Bormio im Valtellina
Da unsere Strecke an Bormio vorbeiführte, entschieden wir uns dafür, dieses eigentlich recht übersichtliche Freeride-Gebiet kurz mal anzuschauen. Als dann nach äußerst zähen Verhandlungen die mäßig freundliche Dame an der Skikasse uns, wenn auch unter sichtlichen Schmerzen, die zugesagten Freikarten herausrückte fuhren wir erstmal ziemlich unambitioniert auf die immerhin knapp über 3000 m hohe Gipfelstation, – und wow? Vor unseren Augen eröffnete sich, bei stärker werdenden Aufhellungen perfektes Freeride- und Tiefschneegelände und auf 3000 m Höhe war der Schnee, trotz der sehr milden Temperaturen sogar pulvrig geblieben.Der Ausblick auf die in einem großen Kessel und von hohen Bergen umgebene Stadt Stadt ist alleine für sich beeindruckend. Doch da die Talabfahrt zum nur 1200 m hoch gelegenen Bormio nur noch auf dem Kunstschneeband der Weltcup-Piste möglich war, verzichteten wir darauf, die ganz große 1800-Höhenmeter-Freeride-Abfahrt zu wagen, wahrscheinlich wären wir den ein oder anderen Kilometer zu Fuß über die braunen Wiesen abgestiegen. Aber auch ohne die Abfahrt der Superlative, ermöglichten uns die steilen Freeride-Hänge unterhalb der Gipfelstation sehr schöne Abfahrten, die unsere Erwartungen an diesen Tag bei weitem übertrafen. (Ein menschlich-technischer Defekt verhinderte leider, dass die dabei gemachten Bilder in Form von Bytes auf der Festplatte landen konnten, was wir sehr zu entschuldigen bitten. Marius wünscht sich eine Kamera, die auf nicht eingelegte Speicherkarten aufmerksam macht...)
Eine kurze Besichtigung des wunderschönen Städtchens Bormio sollte man sich nicht entgehen lassen und so macht es uns auch wenig aus, dass eine freundliche italienische Geländewagen-Fahrerin uns kurzerhand eingeparkt hatte und wir warteten gerne, bis sie uns die Weiterfahrt nach Madesimo erlaubte
Versteckte Freeride-Perle: Madesimo, Valchiavenna
Knappe 150 km in guten drei Stunden, niemand wird sich für die Einzelheiten der unvermeidlichen Gurkerei durch das Valtellina interessieren. Der Südstau empfing uns dort bereits mit mittel-ergiebigem Landregen und wir checkten heilfroh, die Nacht nicht in Marius Null-Komma-Drei-Sterne-Powder-Mobil verbringen zu müssen in unser schickes Hotel ein.
Leider regnete es am Morgen immer noch, wenn auch wenig engagiert. Dementsprechend wenig motiviert waren wir, doch gegen späten Vormittag motivierten wir uns dann doch noch dazu Skifahren zu gehen. Und es kam, wie es kommen sollte: Der Regen ging immer mehr in Schnee über, und uns erwartete ein sehr spaßiger Nachmittag im nassen Neuschnee und lichtem Lärchenwald Madesimos.
Und das beste kommt zum Schluss?
Leider war am Vortag die Gondel zum Pizzo Groppera wegen erhöhter Lawinengefahr geschlossen geblieben. Nur wenn die Bahn auf den rund 2900 m hohen Pizzo Groppera läuft und die rassigen Freeride-Hänge zugänglich sind, wird Madesimo zu einem der großen Freeride-Spots der Alpen. Läuft die Bahn nicht, ist das Gelände zwar nett, aber eher übersichtlich. Auf unsere Nachfrage sagten die Patroulleure, dass die Bahn bei gutem Wetter am nächsten Tag in Betrieb gehen würde, was uns umgehend in Vorfreude versetzte? Dementsprechend enttäuscht waren wir über den kräftigen Schneefall, den uns der Morgen des 1. Aprils bescherte. Noch rechneten wir mit besser werdendem Wetter. Doch genau das Gegenteil trat ein: intensiver Schneefall, der sich zum Starkschneefall verstärkte dauerte den ganzen Tag an. Und so fuhren wir durch dichten Schneefall und durch lichten, offenen Lärchenwald. Allerdings erschwerten die großen Neuschneemengen die Fortbewegung immer mehr, da der Schnee so leicht und trocken war, dass man selbst mit breiten Rocker-Ski nahezu komplett einsank; ein hochwinterlicher Tag, wie man ihn im Januar ertwartet. Nach einem guten halben Meter Neuschnee innerhalb nur weniger Stunden war dann Schluss und die Sonne kam pünktlich zum Liftschluss zum Vorschein.
Karfreitag – Big-Powder-Day
Zum ersten Mal waren mehr als eine gefühlte Handvoll Leute im Skigebiet unterwegs und zu unserem Bedauern befuhren diese den Neuschnee auch tatsächlich extrem motiviert – und zwar gegen alle Regeln der Freeride-Kunst. 40-Grad-Hänge zu zehnt ohne Abstände, 45 Grad zu fünft, trotz massiver Einwehungen etc. Das Zuschauen machte nicht wirklich Spaß, das Fahren hingegen schon. Besonders gut gefiel mir der italienische Skilehrer, der, während er seinen 15 Skischülern im Powder voraus fährt, mit zusätzlichen Belastungshüpfern "überprüft" ob das knapp 40 Grad Steilstück auch stabil ist. 10 Meter hinter ihm fuhr dann schon seine unausgerüstete Gruppe kreuz und quer im Hang herum.
Andere Länder, andere Sitten, und auf einmal haben wir sogar ein bisschen Verständnis für die restriktive Haltung vieler italienischer Skigebiete gegenüber den Freeridern. So gut wie möglich entziehen wir uns der Powder-Battle und ziehen uns ins eher gemütliche, aber umso spaßigere Val di Lei zurück. Ein nahezu perfekter Powder-Tag vergeht Abfahrt um Abfahrt – und wann immer wir gegen die wärmer werdende Sonne eine Erfrischung brauchen, die nächste Powder-Dusche kommt sozusagen per Knopfdruck.
Diverse Verpflichtungen zwingen mich nun nach Hause, während Marius, als Lone-Some-Powder-Boy, sein wieder halbwegs in Stand gesetztes rollendes Powder-und-Schlaf-Mobil in Richtung Alagna und damit ins Epizentrum der nächsten Staulage in Bewegung setzt.
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Und das Allerbeste als Allerletztes: Der Happy-Freeride-Spätwinter geht weiter!