Die Augenlieder schwer wie Blei, ich sitze im Bad und schrubbe mir die Zähne. Es ist kurz nach 12 und wir kommen gerade von unserer Nachttour zurück. Da sitz ich, genieße den Ausblick über das beleuchtete San Martino die Castrozza und frage mich „waren das schon unsere besten Shots – haben wir damit überhaupt eine Chance?" Die Jungs liegen schon entspannt im Bett und lauschen Jeremy Jones wie er über die einzigartigen Lines auf Svalbard spricht, von viel Schnee und guten Verhältnissen schwärmt - na hoffentlich werden wir diese morgen auch noch finden. Der erste Tag des Fotocontest „King of Dolomites", gesponsert von Arcteryx, neigt sich dem Ende zu. Wir haben begonnen das Skigebiet zu erkunden, doch was wir vorfinden, ist immer das Gleiche. Die Schneedecke ist zwar an einigen Stellen geschlossen, reicht aber gerade so aus, um die Steine zu verstecken. Um ehrlich zu sein, hatten wir eigentlich keinen einzigen Genussschwung im Laufe des ersten Tages. Bei der Eröffnungsveranstaltung warnten auch die Veranstalter vor diesen Bedingungen und baten alle Teilnehmer um defensives Verhalten. In den letzten Jahren sahen wir Bilder aus traumhaften Schneelandschaften, tief verschneite Dolomiten und traumhaften Abfahrten – dieses Jahr war es eine Herausforderung an die Fotografen, diese Schönheit zu zeigen. Das Wetter gab alles her, was man braucht. Sonne, Sturm, Nebel, Schneefall und die bekannten Sonnenuntergänge oberhalb des imposanten Dolomitenmassives. Die Temperaturen an den Contesttagen waren ideal zum Skifahren und der Schnee hielt sich sehr gut in den sonnengeschützten Hängen.
Die Sonne geht am Morgen des zweiten Tages über dem Pale di San Martino auf, der Himmel wolkenlos. Italienisches Frühstück – Croissant, Marmelade und etwas Müsli stärkt uns für den kommenden Tag – wir sind wiedermal die Ersten im Lift und begrüßen schon den gut gelaunten Liftwart in bekannter Manier. Wir teilen uns die Bergfahrt mit einigen Lebensmitteln für die Schutzhütte auf dem Plateau des Rosetta. „Sieht nach Sturm aus" - die ersten Schneefahnen an den Graten zeigen schon, was uns oben erwartet. Raus aus der Bergstation steuern wir durch die Steinminenfelder und suchen unseren Weg durch den Spindrift zum Ziel.
Wie unser Gipfel heißt, wissen wir nicht, aber der Schnee sieht gut aus. Angekommen am Gipfel sehen wir das ganze Plateau gefüllt mit kleinen Truppen, die sich langsam in unsere Richtung bewegen. 40 Wannabe Teams und 8 Profis sind angemeldet und streunen durch das Plateau. Wir bekommen den Gipfelhang als Erste, sind so glücklich über die ersten richtig guten Schwünge, dass die Fotoskills etwas in Vergessenheit geraten. Wir steigen nochmals zum Gipfel auf. Bis die Konkurrenz da ist, haben wir bereits etliche Spuren in den Gipfelhang gezogen. Zufrieden mit den Bildern ziehen wir in ruhigere Gebiete und nehmen die letzten Fotos auf. Gegen Nachmittag ziehen Schleierwolken auf und es beginnt einzutrüben. Wir fahren ab ins Tal und genießen noch ein, zwei Stunden das italienische Flair bei einem Espresso. Zurück im Hotel sitzen wir vor meinem riesigen iMac, der auf einem wackligen Tisch steht – und wiedermal denke ich, du könntest ein mobileres Gerät gebrauchen - aber das ist ein anderes Thema. Weit über 1.000 Fotos haben wir an den beiden Tagen gemacht. Die Fotos für die Rubrik Alpinism und Line sind schnell gewählt. Das Thema Action ist im Anschluss schnell abgehandelt – aber Landscape? Eine kleine Niederlage für mich, da ich doch eigentlich jahrelang nur Landschaften fotografiert habe. Ich bin nicht zufrieden, wähle aber eine solides Bild. 2 Stunden später sind die Entwürfe fertig und wir gehen Pizza essen. Heute zur Vorspeise: Pizza für drei und danach noch eine Pizza pro Kopf. Man braucht ja eine ausgewogene Ernährung. Wind zieht auf über Nacht und wir haben Frühlingswetter. Die Temperaturen sind zweistellig im Tal und wir nutzen die Bedingungen für eine erste Frühjahrstour in den höheren Regionen. Dolce Vita, Espresso und Paninis gestalten den Nachmittag – leben wie Gott in Italien, oder war das Frankreich? Egal, uns geht es saugut. Wir sitzen vor dem Hotel und leeren die letzten Bierflaschen, sitzen zufrieden da und warten auf die Siegerehrung. Die Preise werden verteilt. Ich bin wieder beeindruckt, was man alles aus solchen Bedingungen machen kann. Die Plätze sind vergeben, etwas enttäuscht, dass wir keine Kategorie gewonnen haben, wollen wir in Richtung Auto losziehen. „And last of all, we have our special mention category" – wir bekommen doch noch unseren Auftritt auf dem Podest - erstaunlich wie man einen zweiten Platz feiern kann. Über den Passo Rollo geht es wieder gen Heimat, ein letzter Bilderbuchsonnenuntergang weißt uns den Weg gen Westen. Bei uns ist es still im Auto. Wir sind müde. Vor uns liegt ein langer Weg. Wir sind zufrieden.