Eigentlich würde hier jetzt direkt das Interview mit Christoph starten. Eigentlich. Aber mir ist es wichtig euch noch zu sagen, dass wir das Interview am 21. Februar 2022 geführt haben. Drei Tage bevor die Situation in der Ukraine eskaliert und Russland einmarschiert ist. Als wir das Gespräch geführt haben, haben wir uns nicht ausmalen können, dass die Szenen die Christoph von seinen Reisen beschreibt auch hier in unserer Nachbarschaft Wirklichkeit werden können. Deswegen gehen wir im Gespräch auch nicht auf dieses Thema ein.
Trotz allem möchten wir euch das Interview mit Christoph natürlich nicht vorenthalten.
Viel Spaß beim Lesen.
Du bist als Outdoorsportfotograf, aber auch als Fotojournalist in Krisenregionen unterwegs. Was bedeutet die Fotografie für dich?
Du stellst Fragen (lacht). Das klingt jetzt abgedroschen, aber es ist für mich der Schlüssel zu einem erfüllten Leben. Es ist natürlich ein Privileg, dass du mit deiner Arbeit etwas bewirken kannst und da wir zunehmend in einer medialen Welt leben, habe ich als Medienfuzzi eine gewisse Macht. Und ich finde mit dieser Macht, kommt auch die Verantwortung, dass du mit deinem Talent etwas Vernünftiges machst. Deswegen gehe ich jetzt nicht nur raus und fotografiere für Auftraggeber XY, sondern mache auch das worauf ich Bock habe – sei es in der Gletscherhöhle zu fotografieren oder Krisenregionen zu dokumentieren.
Für viele ist die Fotografie ja auch ein Mittel um Momente festzuhalten und die Vergänglichkeit aufzuhalten.
Ja, auf jeden Fall. Ich bin fest davon überzeugt, dass du irgendwann mal an einen Punkt in deinem Leben kommst, wo die Erinnerung das Wertvollste ist, was du hast. Und wenn wir jetzt wieder zu den Gletschern kommen, diese Vergänglichkeit, das ist ja auch ein Grund warum ich das mache, mit den Jungs da hoch fahre und alles auf meine eigene Kappe nehme, weil die Gletscher sind halt dann weg. Und wenn du jetzt wie wir seit sechs Jahren jedes Jahr an die gleiche Stelle fährst, dann siehst du erst einmal was da passiert. Das ist schon krass.
Was macht das mit dir, wenn du siehst wie sich die Natur vor deinen Augen verändert?
Ich sag mal, bis vor sechs Jahren hat mich das gar nicht so tangiert. Da gab es immer schon mal schlechte Winter und da gings eher um powdern gehen und raus. Wir haben das ja vor der Tür, da war das eine Selbstverständlichkeit. Ich habe dann das Bild von meinem Bruder aufgenommen, wo er am Pitztaler Gletscher eine große Eishöhle nach vorne runterspringt. Alle fanden das Bild geil, nur mein Bruder war nicht so zufrieden. Da haben wir gesagt: „Gut, dann fahren wir da wieder hin!“ Wir sind dann im Februar wieder hin, sechs Wochen später, und das Ding war weg. Am Gletscher. Fast auf 3.000 Meter. Und wir stehen da und denken: „Fuck, was ist denn hier los?!“ Das war wirklich ein Schlag in unser Gesicht und wir haben gemerkt, okay, das ist echt ernst, wenn im Februar auf fast 3.000 Meter eine Gletscherhöhle wegschmilzt. Ich weiß auch, meine Kinder werden das nicht mehr sehen. Bei jeder Location da oben wissen wir wenn wir gehen, das war einmalig. Wir werden es so nie wieder vorfinden. Das ist schon tiefbewegend und extrem traurig.
Aber die Gletscherschmelze ist das eine, ich habe auch gesehen, was weltweit abgeht durch den Klimawandel. Die Snowsports-Community weint immer um ihre Gletscher, aber dass wegen dem Klimawandel Leute sterben und Völker ihr Land verlassen müssen, das ist nochmal eine ganz andere Dimension. Momentan sind circa 60-70 Millionen Menschen auf der Flucht und je nach Quelle kann man sagen, dass zwei Drittel aufgrund des Klimawandels flüchten. Und die können ja nichts dafür, wir sind das ja, die das machen. Die Industriestaaten.
Wir leben hier wahrscheinlich auch viel zu sehr in einer Blase. Die Folgen des Klimawandels sind oft nicht direkt greifbar, wenn z.B. eine Dürreperiode in Afrika ist, interessiert das hier vor Ort wenige Menschen. Wenn jetzt etwas passiert wie die Hochwasser im Sommer 2021 in Deutschland, dann sind die Folgen des Klimawandels für viele plötzlich ganz nah.
Ja, der Mensch macht halt erst was, wenn er selbst etwas merkt und wenn es eigentlich schon zu spät ist. Anschnallgurte, Airbags, Helm aufziehen, du machst halt immer erst was, wenn es weh tut. Und so ist es jetzt bei uns auch. Jetzt checken es die Leute und ich finde es gerade geil, dass es die jungen Leute sind, die sagen „Hey, Moment mal!“ Man muss es sich aber natürlich auch leisten können. Da lebt man hier in der First World Problem-Blase und vergisst oft den Rest außen rum.