Jetzt ist alles ruhig. Alles still. Der Lärm der Motoren ist im Tal geblieben. Das Rattern der einfahrenden Gondeln in die Liftstation – kilometerweit entfernt. Einzig das Rascheln meiner Hardshell-Hose erinnert mich an Zivilisation. Das Streichen meiner Felle und das Knacken meiner Bindung an Technologie. Menschengemachte Technologie, die es mir ermöglicht, ohne große Hindernisse hier hoch zu laufen. Auf die Rotspitze im Montafon. Wie das damals wohl bei Ernest Hemingway war? Er hat hier Mitte der 20er-Jahre seine Winter verbracht. Um Skitouren zu gehen, zu schreiben, die malerische Berglandschaft der Silvretta zu genießen und dem Trubel zu entfliehen. Dem Alltag. Der Stadt. Ab in die unberührte Wildnis der österreichischen Alpen.
Die Alpen: Mitteleuropäische Wildnis?
Und auch für mich sind die Alpen Sinnbild mitteleuropäischer Wildnis. Wenn ich auf dem Gipfel der Rotspitze stehe, gibt es für mich in diesem Moment nur die Berge und mich. Wenn ich mich mit meinen Stöcken abstütze und in den Hang einfahre, existiert nur der nächste (hoffentlich) Powderschwung und das Gefühl des schmelzenden Schnees auf meinen kalten Wangen. Meine aufschwimmenden Skispitzen in einem unverspurten Hang. Keine andere Skifahrerseele weit und breit. Beziehungsweise nicht in meiner Sichtweite.
Denn was in den verschneiten Wintermonaten aussieht wie unberührte Wildnis gleicht in den Sommermonaten einer innerstädtischen Baustelle. Stahlstützen ragen aus den Felsen. Karge Schneisen sind in den einstigen Wald geschlagen und Hütten, Restaurants, Apres-Ski-Bars in die Hänge gezimmert. Die pure Wildnis. Die Einsamkeit. Existiert so nicht mehr.