Vanishing Lines
Doch zum Glück ändert sich diese Einstellung. Das Immer-mehr ist bei vielen Skifahrerinnen und Snowboardern nicht mehr wichtig. Wichtig ist, die letzten verbliebenen Naturräume der Alpen und Hochgebirgslandschaften zu schützen. Das wollen auch Mitch Tölderer und Lena Stoffel in ihrer Dokumentation Vanishing Lines zeigen.
Zeigt Struktur noch die reale Landschaft ohne Wertung, dreht Vanishing Lines den Erzählstrang um. Im Mittelpunkt der 20-minütigen Dokumentation steht der Ausbau zwischen Pitztaler und Ötztaler Gletscher. Worum es dabei geht, wisst ihr wahrscheinlich alle noch: die sogenannte Gletscherehe. Mit drei Gondeln und einem gemeinsamen Seilbahnzentrum unterhalb der Braunschweiger Hütte soll das Gebiet rund um den Linken Fernerkogel erschlossen werden. 64 Hektar Pistenfläche kämen auf Karles-, Hangenden- und Mittelbergferner, inklusive Speicherteich und Beschneiungsanlage. Davon lägen 95 Prozent der Pistenfläche auf Gletschern. Das größte Gletscherskigebiet der Welt soll dadurch entstehen.
Jakob Falkner, Geschäftsführer der Bergbahnen Sölden, versucht das Projekt so zu erklären: „Ich hoffe, dass wir unser Projekt bauen können. Denn es ist ein wunderbares Angebot, das der Kunde sucht. Es gibt seit 15 Jahren Untersuchungen mit unseren Kunden und es sind immer drei Sachen, die herausstechen: Größe des Skigebiets, Schneesicherheit und Pisten.“
Aber gibt es nicht schon genügend Pisten und Skigebiete?
Doch. Dieser Meinung sind auch Lena Stoffel und Mitch Tölderer und rufen deshalb in Vanishing Lines gemeinsam mit dem Österreichischen Alpenverein und weiteren NGOs dazu auf, sich gegen das Projekt und den weiteren Ausbau von Skigebieten auszusprechen. "Einmal zerstört, wird der naturbelassene Alpenraum für immer verloren sein: verloren für die Natur, für uns und für die nächsten Generationen. Als Teil der Backcountry Snow-Community, als Vater und als engagierter Bürger werde ich mich mit meiner Stimme gegen den weiteren Ausbau der Skigebiete und für den Erhalt unserer letzten natürlichen Berglandschaften einsetzen“, erklärt Tölderer im Film.
Unterstützt werden die beiden unter anderem von Benjamin Stern, Abteilung Raumplanung und Naturschutz beim ÖAV, und Birgit Sattler, Professorin am Institut für Ökologie der Uni Innsbruck, sowie Dr. Gerd Estermann von der Bürgerinitiative Feldring: "Der Film zeigt in eindrucksvollen Bildern den Kontrast zwischen naturbelassener Wildnis und einer von technischen Bauwerken dominierten, hochalpinen Landschaft. Je stärker unser Alltag organisiert und technisiert ist, je mehr unsere Erfahrungen von virtuellen Eindrücken bestimmt werden, umso stärker wächst die Sehnsucht nach ursprünglicher Natur. Unsere Bürgerinitiative kämpft für deren Erhalt - auch für kommende Generationen.“
Hier der Film in voller Länge:
Realismus wird zu Aktivismus
Zum Glück liegt das Projekt der Gletscherehe derzeit Pandemie-bedingt auf Eis. Dass das Vorhaben damit aber vom Tisch ist, ist keinesfalls gesagt. Beide Filme zeigen uns, dass es wichtig ist, sich im ersten Schritt unserer Realität in den Skigebieten bewusst zu werden und dann dafür aufzustehen, damit sich etwas Grundlegendes am vorherrschenden Status Quo ändern kann. Wir hoffen, die beiden Filme können dazu einen nötigen Anstoß liefern.