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Schnee von morgen

Schnee von morgen | Moritz Nachtschatt von POW Austria über seinen Schnee von morgen

Wie sieht Dein Schnee von morgen aus?

von Lisa Amenda 20.12.2021
Der Schnee von morgen hat viele Gesichter. Und da wir uns nicht allein die Zukunft des Wintersports ausmalen können und wollen, hat sich PowderGuide Autorin Lisa mit Moritz Nachtschatt, Geschäftsführer von Protect our Winters Austria, darüber unterhalten was POW für die Zukunft des Sports macht, warum Tagestouren alles andere als klimafreundlich sind und wie Skigebiete im Jahr 2050 aussehen werden.

PG: Moritz, ist der Wintersport, so wie er heute ist und betrieben wird, noch zeitgemäß?

MN: Gute Frage. ich muss mit Jein antworten. Viele Skigebiete weigern sich nach wie vor, die Problematik anzuerkennen und zu akzeptieren, aber auf der anderen Seite gibt es ganz, ganz viele positive Beispiele. Deshalb denke ich, dass der Wintersport im Großen und Ganzen schon zeitgemäß ist.

Ich glaube, dass sehr viel an der Community selbst hängt und dass wir uns als Endverbraucher und Endverbaucherinnen an der eigenen Nase nehmen und uns informieren müssen. Denn allein 70 Prozent der Emissionen an einem herkömmlichen Skitag entstehen durch die An- und Abreise. Und da liegt es einfach an uns, so gut es geht öffentlich in die Skigebiete zu kommen. Dann ist Skifahren nicht einmal mehr annähernd so schädlich wie das viele glauben.

Würdest du, ähnlich wie der DAV es tut, dafür plädieren, länger Urlaub in den Bergen zu machen und weniger Tagestouren zu unternehmen?

Auf jeden Fall. Ich habe die Zahlen jetzt nicht auswendig im Kopf, aber ich habe kürzlich eine interessante Statistik gesehen, wo die Nächtigungen seit 2005 in Tirol insgesamt um 6 Prozent gestiegen sind, aber die An- und Abreisen von Tagestouristen über 20 Prozent. Das zeigt, dass die Urlaube immer kürzer werden und dafür fährt man einfach viel öfter hin und her. Der einwöchige Familienskiurlaub wird anscheinend immer seltener.

Würdest du sagen, dass der Wintersport in gewisser Weise gefährdet ist?

Der Wintersport ist ganz klar gefährdet. Dazu braucht man sich nur die Zahlen anschauen: Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann gibt es in Österreich bis ins Jahr 2100 nur noch 50 Prozent der Gletscher. Bis alle weg sind, wird es dann nur eine Frage der Zeit sein. Ein Skigebiet in Niederösterreich hätte jetzt schon geschlossen werden sollen, weil die Schneesicherheit nicht mehr gegeben ist und es nicht mehr rentabel ist, da unter den warmen Temperaturen auch kein Kunstschnee mehr erzeugt werden kann. Länder und Regionen wie Österreich, die Schweiz, Südtirol oder Süddeutschland müssen daran interessiert sein, diese Entwicklung aufzuhalten. Vor allem Österreich als die Skination schlechthin muss mit gutem Beispiel voran gehen. Das beginnt mit denen, die direkt davon betroffen sind – Skigebiete und Industrie.

Ist das auch der Grund, warum sich Protect our Winters für die Zukunft des Wintersports einsetzt?

Wir sind nicht ganz uneigennützig und wollen den Winter natürlich auch deswegen schützen, weil wir unsere liebsten Hobbys schützen wollen. Wir alle lieben das Skifahren und Snowboarden und das möchten wir auch noch unseren Kindern und Enkelkindern bieten können.

Wie sehen dabei die konkreten Ziele von POW Austria aus?

Wir haben ganz unterschiedliche Ansätze: In der Vergangenheit wollten wir vor allem Bewusstsein schaffen, was konkret bedeutet, dass jede Einzelne und jeder Einzelne etwas dazu beitragen kann. Mittlerweile sind wir bei politischen Kampagnen angekommen und da stehen gerade noch einige große Entscheidungen an, die die Österreichische Bundesregierung betreffen. Aktuell wird die ökosoziale Steuerreform mit einer CO2-Steuer diskutiert, aber auch das Österreichische Klimaschutzgesetz, das seit über einem Jahr ausständig ist, weil es 2020 ausgelaufen ist. Dieses Gesetz wird auch für unsere Arbeit die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen.

Konkrete Maßnahmen von uns sind zum Beispiel ein offener Brief, in dem wir Unterschriften von nahezu allen relevanten Unternehmen aus der Wintersportbranche, von Kästle über Atomic, Fischer, Hagan, Scarpa Österreich, Blue Tomato bis Burton, gesammelt haben und in dem wir gemeinsam von der Bundesregierung ein ambitioniertes Klimaschutzziel fordern. Allen voran mindestens 65 Prozent Reduzierung der CO2-Emissionen bis 2030 als Zwischenziel, um dann auch wirklich, so wie die Regierung das geplant hat, bis 2040 klimaneutral zu werden. Das ist natürlich ein begrüßenswertes und sehr ambitioniertes Ziel der Regierung, aber mit den aktuellen Maßnahmen nicht annähernd erreichbar.

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Habt ihr neben dem offenen Brief noch weitere konkrete Ziele, die in Zukunft anstehen?

Aufgrund des Lockdowns konnten wir den Brief leider nicht wie geplant übergeben. Wir haben auf jeden Fall noch weitere Ziele, doch wir können nicht an allen Baustellen gleichzeitig arbeiten, deswegen schließen wir uns oft mit anderen NGOs zusammen und befürworten beispielsweise die Forderungen vom Klimavolksbegehren. Außerdem sind wir in der österreichischen Klimaallianz tätig. Auch für nächstes Jahr steht einiges an, das ist aber noch nicht spruchreif.

Ein Ziel bzw. Credo von euch lautet ja auch „Fortschritt statt Perfektion“. In Zusammenhang mit euren Athletinnen und Athleten wird das oft kritisiert. Warum?

POW US hat das Credo „Imperfect advocacy“ und für uns wird das eigentlich sehr passend mit „Fortschritt statt Perfektion“ übersetzt. Das zieht sich bei uns quasi in der gesamten Arbeitsweise durch und fängt bei der Athletes Alliance an, also unseren Botschafterinnen und Botschaftern. Gleichzeitig stellt das aber auch oft einen Angriffspunkt dar. Viele Athletinnen und Athleten sind anfangs selbst skeptisch, weil sie sagen „Ja, aber ich reise ja beruflich um die ganze Welt.“ Auch von außen kommt dann öfter der Vorwurf: Ihr wollt eine Klimaschutzorganisation sein und gleichzeitig habt ihr Athleten und Athletinnen bei euch, die durch die Welt jetten. Aber das bringt es eben auf den Punkt. Es mag schon sein, dass die um die ganze Welt reisen, aber es ist nun mal deren Beruf, dafür versuchen sie privat möglichst nachhaltig zu leben und überall wo es nur geht CO2 einzusparen. Viel wichtiger ist uns vor allem, dass diese Personen mit ihrer Reichweite mit positivem Beispiel in ihrer Community vorangehen.

In welchen Arbeitsbereichen zieht sich dieses Credo bei euch noch durch?

Wir arbeiten auch mit vielen wirtschaftlichen Partnern zusammen und eine Grundvoraussetzung ist für uns, dass der Wille zur Veränderung und zu nachhaltigem Wirtschaften da ist. Das ist für uns der erste und wichtigste Schritt und dann sind wir auch gerne bereit, Firmen mit professionellen Nachhaltigkeitsmanagern und -managerinnen zu vernetzen und eine gut durchdachte Nachhaltigkeitsstrategie aufzubauen. So kann Schritt für Schritt die heimische Industrie nachhaltiger werden. In Österreich hängen sehr viele Jobs am Wintertourismus und durch unsere Unterschriftenaktion haben wir gemerkt, dass viele verstanden haben, dass es höchste Zeit ist etwas zu tun.

Ein weiteres Ziel von euch ist, dass ihr bis 2050 Net Zero erreichen wollt. Warum reicht klimaneutral nicht aus, warum muss es Net Zero sein?

Da gibt es viele unterschiedliche Ansätze: Klimaneutral ist man zum Beispiel ja leider auch, wenn man seinen eigenen CO2-Ausstoß durch das Pflanzen von Bäumen oder den Kauf von CO2-Zertifikaten kompensiert. Das ändert natürlich nichts daran, dass man natürlich die gleiche Menge an CO2 verursacht. Wir sind ganz klar gegen Offsetting. Unserer Meinung nach kann das nur eine Zwischenlösung sein, denn langfristig gesehen muss man den CO2-Ausstoß verringern, um auch wirklich langfristig globale Lösungen finden zu können.

Glaubst du, dass dann 2050 nicht schon recht spät ist?

Natürlich je früher, desto besser. Viele Länder haben sich das Ziel ja auch schon früher gesetzt. Österreich will beispielsweise 2040 klimaneutral sein. Ich denke grundsätzlich, dass es für uns noch möglich ist, die Wende zu schaffen. Wenn ich nicht daran glauben würde, dann wäre ich hier an der falschen Position. Aber ich glaube, dass es früher als 2050 weltweit gesehen unrealistisch ist.

Können Wintersportler:innen die besseren Klimaaktivisten sein?

Ganz pauschal würde ich das auf keinen Fall sagen, aber es hat natürlich Vorteile, dass man viel in den Bergen unterwegs ist. Da sieht man die Veränderungen nun mal mitunter als erstes. Und ich denke, je eher man Veränderungen selbst wahrnimmt, desto eher wird man motiviert, daran etwas zu verändern. Das heißt aber nicht, dass wir die besseren Klimaaktivisten sind. Man muss sich nur unseren persönlichen Fußabdruck anschauen und mit jemandem aus dem globalen Süden vergleichen. Wir stehen also auch in der Pflicht etwas zu tun. Die Klimakrise gäbe es nicht ohne die Industrieländer.

Bleiben wir beim Jahr 2050: Wie sieht in Deinen Augen der Wintersport der Zukunft aus?

Man muss wohl realistisch sein und sagen, dass in den Skigebieten unterhalb von 2.000 Metern Skifahren nicht mehr möglich sein wird und auch Kunstschnee wird da nicht mehr wirklich weiterhelfen. Ich hoffe, dass es Skifahren bis 2050 und darüber hinaus noch geben wird.

Was müssen wir dafür tun – als Gesellschaft und als Einzelne?

Man wird im ein oder anderen Bereich sicher neue Lösungen finden müssen. Wie gesagt, 70% der Emissionen an einem durchschnittlichen Skitag entstehen durch die An- und Abreise. Die Skigebiete selbst werden bis dahin autark sein und ihre Energie selbst erzeugen. Das Wasser für die künstliche Beschneiung kann in eine Art Kreislauf übergehen, das gibt es zum Teil heute schon. Gleichzeitig wird alles energieeffizienter und es wird auch Alternativen für die Pistengeräte geben.

Viel hängt sicher auch an der Industrie, aber auch an einem gesellschaftlichen Wandel, vor allem einer Hinwendung zur öffentlichen Anreise. Daran stört mich eigentlich, dass das viele immer mit Verzicht gleichsetzen. Wenn man nicht mehr mit dem Auto ins Skigebiet fahren kann, dann ist man nicht mehr so unabhängig. So darf man das Ganze aber nicht sehen: Wenn z.B. eine Familie aus Amsterdam oder Berlin für eine Woche zum Skifahren ins Montafon fährt und mit dem Zug anreist, dann tun sie nicht nur sich etwas Gutes, sondern auch dem Klima. Sie können quasi entspannen, ab dem Moment wo sie in den Zug einsteigen.

Sonst braucht es natürlich noch viele weitere Veränderungen. Für den Wintersport ist das aber einer der ausschlaggebenden Punkte. Die Ernährung auf den Hütten vielleicht auch, aber die Anreise ist sicher der größte Hebel.

Wenn du dir etwas für den Schnee von morgen wünschen könntest, was wäre es?

Wenn es wirklich ein reines Wunschkonzert wäre, dann würde ich mir auch bei Plusgraden einen absolut natürlichen Schnee wünschen, der nicht schmilzt und wo man trotzdem Skifahren kann. Realistisch gesehen wünsche ich mir, dass wir den gesellschaftlichen Wandel schaffen und dass wir im Jahr 2050 und auch unsere Enkel im Jahr 2100 noch Skifahren gehen können.

Das ist ein super Schlusswort. Vielen Dank für das Interview.

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