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Schnee von morgen

Schnee von morgen | Von der Kunst Schnee zu machen

...oder für morgen zu konservieren

von Lisa Amenda 06.12.2021
Pistenkanonen oder Snowfarming-Standorte – alles dazu da, um möglichst früh den Saisonstart für die Wintersaison einzuläuten. Aber was steckt hinter den beiden Methoden und brauchen wir sie wirklich?

Bereits zum Auftakt der diesjährigen Schnee von morgen-Saison habe ich mir die Frage gestellt, ob wir den Winter machen, wie er uns gefällt. Ihm hinterher reisen oder noch viel verbreiteter: den Schnee einfach dann produzieren, wann es uns passt. Klar, ist ja auch einfach. Wenn ich im November Skifahren will und es eben noch nicht genügend dafür geschneit hat, dann gibt es glücklicherweise Skidestinationen, die schon vorgesorgt haben. Oder soll ich besser sagen, vorproduziert haben? Denn meist liegen die besagten Skidestinationen nicht direkt unter dem Kopfkissen von Frau Holle, sondern haben einfach andere Methoden etabliert, um den Schnee der Tourismussaison anzupassen. Die Stichworte Kunstschnee oder Snowfarming ploppen bei dir jetzt wahrscheinlich auch direkt auf. Aber was machen diese Methoden eigentlich genau und wieso können wir nicht mehr ohne sie?

Das bekannte schwarze Schaf: der Kunstschnee

Nass, eisig, irgendwie anders zu fahren. So kennt man Kunstschnee. Dabei haben sich in den letzten Jahren Technologie und Zusammensetzung des künstlich produzierten Schnees maßgeblich verändert. So ist Kunstschnee heute nicht mehr das, was er früher einmal war. Er heißt nicht einmal mehr Kunstschnee, sondern “technisch produzierter Schnee”. Denn künstlich ist an ihm nicht viel. In modernen Anlagen wird er aus Luft und Wasser hergestellt. Sonst nichts. Keine Extra-Chemikalien. Keine Umweltgifte. Nur Wasser und kalte Luft. Wie in der Natur auch, nur ohne die von Schneeflocken bekannte Kristallstruktur. Auch die Studie von Nora Els, die sie in Schnee von morgen schon vorgestellt hat, bestätigt das. Lediglich die chemische Zusammensetzung des Wassers unterscheidet sich von Naturschnee. Das hängt damit zusammen, dass das Wasser in den Speicherteichen sich in Details vom Wasser in den Schneewolken unterscheidet.

Dennoch hat Kunstschnee, pardon, technisch produzierter Schnee, immer noch den Ruf des Wasser- und Energieverschwenders. Den Energieverschwender konnte eine Studie des WSL-Institut für Schnee-und Lawinenforschung SLF (kurz SLF Davos) mehr oder weniger widerlegen. In Davos entfallen nämlich gerade einmal 0,5 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs auf die technische Beschneiung. Auf Wohnungen dagegen 32,5 Prozent. Allerdings verbrauchen Beschneiungsanlagen Wasser: Laut SIS/DSV-Beirat für Umwelt und Skisportentwicklung sind es für einen Kubikmeter Schnee je nach Schneequalität 250 bis 350 Liter. Das Wasser ist dennoch nicht verloren: Es wird nach der Schneeschmelze wieder in den natürlichen Wasserkreislauf zurück geführt. Hinzu kommt, dass technisch produzierter Schnee die Vegetation auf den Pisten vor Schäden durch Pistenfahrzeuge schützen kann, aber auch vor spät einsetzendem Frost im Frühjahr. Andererseits kann sich diese Schneebedeckung, da sie auf beschneiten Pisten länger anhält, auf die Vegetationszusammensetzung auswirken.

Wir fassen also zusammen: Kunstschnee ist nicht mehr der völlige Retortenbruder des Naturschnees. Natürlich verbraucht aber jeder technische Einsatz Ressourcen und Energie. Naturschnee ist immer notwendig. In Warth-Schröcken wird beispielsweise der technische Schnee genutzt, um eine Grundbeschneiung der Pisten von rund 30 Zentimetern zu Beginn der Saison zu garantieren. Den Rest muss dann aber auch der natürliche Schnee regeln. Deshalb können Beschneiungsanlagen auf bestehenden Pisten zwar eine durchgehende Schneedecke und Planungssicherheit garantieren, sollten aber nicht dazu da sein, neue Gebiete zu erschließen.

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Schnee von gestern: Oder was ist Snowfarming?

Jetzt habe ich viel über Kunstschnee und technische Beschneiung gesprochen, allerdings braucht es für die technischen Beschneiung neben Wasser vor allem eines: kalte Temperaturen. Doch es ist keine Seltenheit, dass die Temperaturen im November eher noch zum Wandern und Radfahren einladen als zu den ersten Schwüngen auf der Piste. Und doch stehen die Tourismusdestinationen unter Druck. Denn Wintersport ist nicht nur Lebensgefühl und Hobby, sondern in vielen Regionen auch eine der wichtigsten Einnahmequellen. Herrschen im Herbst noch zu hohe Temperaturen für die technische Beschneiung, wird es schnell eng.

Solche Umstände lassen kreativ werden. Und zum Beispiel die verschiedensten Techniken entwicklen, wie man den Schnee ressourcenschonend sowie möglichst verlustfrei und kostengünstig über die warmen Sommermonate bringen kann. In Davos lag zum Beispiel im Frühjahr 2008 am Eingang des Flüelatals ein riesiger Schneehaufen aus technisch produziertem Schnee. Den Winter über produziert, wurde er am Ende der Saison nicht mehr gebraucht. Die Verantwortlichen der Langlaufloipe stellten sich die Frage, wie sie den Schnee über den Sommer retten konnten. Das Ergebnis war ein gemeinsames Projekt vom SLF, der Gemeinde Davos sowie des Tourismusverbands Davos, indem überprüft wurde, unter welchen Abdeckungsmethoden der Schnee am besten übersommern kann. Der Testsieger? Sägemehl. Darunter schmolz gerade einmal ein Viertel des Schnees und so konnte Davos im Oktober 2008 mit dem restlichen Schnee eine 500 Meter lange Langlaufloipe bauen. Seitdem führt Davos dieses Projekt jedes Jahr fort – und betreibt damit offiziell Snowfarming.

Auch Regionen wie Livigno, Seefeld oder Kitzbühel nutzen diese Form des Schneemanagements. Dabei ist die Konservierung von Schnee nicht einmal ganz neu: Gletscherfelder werden mit Hilfe von Vlies-Abdeckungen schon lange gegenüber sommerlichen Temperaturen geschützt. In niedrigeren Lagen kommt das Sägemehl als zusätzliche Isolationsschicht zum Einsatz.

Für Freizeitsportler ist das zwar ganz nett und wir können früher auf die Pisten, für Leistungssportlerinnen kann die Ressource Schnee aber auch ganz schnell essentiell werden. Denn häufig können nur so internationale Wettbewerbe oder Trainingsstützpunkte betrieben werden.

Als Allheilmittel wird Snowfarming jedoch nicht bezeichnet: Um die ökologische, soziale und wirtschaftliche Bilanz von Snowfarmingprojekten zu beurteilen, müssen im Einzelfall immer das Gesamtvolumen, der Lagerstandort und vor allem Ort, Zeitpunkt und Art der Ausbringung des Schnees mit einbezogen werden. Durch die lange Lagerung kann es nämlich unter anderem auch zu Boden- und Vegetationsschäden kommen. Das muss jeweils abgewogen werden.

Der Schnee von morgen ist immer noch verzwickt

Es gibt also verschiedene Möglichkeiten den Schnee zur richtigen Zeit am richtigen Ort auszubringen. Und doch bleibt der Wintersport ein sensibles Thema. Freizeitsportler und -sportlerinnen müssen nicht unbedingt im November schon über die Pisten und durch die Skigebiete jagen, eine Anpassung an die vorherrschende Witterung wäre da deutlich sinnvoller. Andererseits hängen natürlich Arbeitsplätze am “pünktlichen” Saisonstart und auch der Spitzensport hängt vom Schnee ab. Natürlich, am einfachsten und vor allem klügsten wäre es, wenn wir uns alle umstellen. Skifahrerinnen und Skifahrer gehen nur dann Skifahren, wenn wirklich Schnee liegt, buchen aber trotzdem den Weihnachtsurlaub in den Skigebieten, damit dieser Wirtschaftszweig in den Alpentälern erhalten bleiben kann und gehen dann dort eben Wandern oder Radfahren. Auch der Spitzensport kann seine Saison verschieben. Doch das wird Zeit brauchen. Von heute auf morgen wird das wahrscheinlich nicht passieren können. Aber ein Immer-weiter-so wird auch nicht funktionieren.

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