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Schneegestöber

SchneeGestöber 1 2018/19 | Das Altschneeproblem im Alpenraum

Und der Zusammenhang mit der Baumarten-Verteilung

von Lukas Ruetz 19.11.2018
Für den International Snow Science Workshop 2018 wurden unzählige Ideen und Beobachtungen auf Papier gebracht. Eine davon ist in der Zusammenarbeit von Kristian Rath, Beobachter im Bayrischen LWD, und dem Schneestöberer entstanden: Eine schematische Übersichtskarte über die "Kerngebiete" der bodennahen Schwachschichten im Alpenraum und ihr Zusammenhang mit der Baumarten-Verteilung.

Beobachtungen

Während man in gewissen Gebieten in den Alpen fast nie Altschneeprobleme mit bodennahen Schwachschichten findet, gibt es andere, wo sich diese fast in jedem Winter ausbilden. Das hängt von den klimatologischen Rahmenbedingungen ab: Am stärksten von der Niederschlagsmenge im (Früh-) Winter. Denn in einer wenig mächtigen Schneedecke bilden sich während Phasen mit klarem Himmel durch die Abkühlung der Schneeoberfläche wesentlich schneller Schwachschichten aus kantigen Kristallen oder Tiefenreif aus. Also facettierte Kristalle.

Der Zusammenhang zwischen den Vegetationstypen, dem Schneedeckenaufbau und dem Altschneeproblem, respektive der Bildung von bodennahen Schwachschichten ist seit langem bekannt. In anderen Worten: Wo Palmen wachsen, gibt es kein Altschneeproblem – weil es keinen Schnee gibt. Wo der Wald großteils aus Buchen gebildet wird, gibt es seltener ein Altschneeproblem weil es dort milder und feuchter ist als in den Gegenden der Alpen, wo man viel mehr Zirben findet.

Wir sind dieser aus Erfahrung gebildeten Annahme mit Baumverbreitungskarten und Schneedeckendaten auf den Grund gegangen und konnten sie bestätigen: Der schlechteste Schneedeckenaufbau ist im Alpenraum dort zu finden, wo die Waldgrenze großteils aus Zirben (oft zusammen mit Lärchen) besteht.

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Hintergründe

Eine Zirbe oder ein Buche allein oder auch ein paar davon sagen natürlich überhaupt nichts aus: Beide Baumarten gibt es in allen Gebieten der Alpen. Es trifft für die Regionen zu, wo es fast nur noch Zirben und Lärchen im oberen Waldbereich gibt, und man in denselben Regionen in den tieferen Waldbereichen fast nur Fichten, dafür aber kaum Buchen und praktisch keine Weißtannen findet. Man denke an Kühtai, Obergurgl, den Engadin - auch an die Visper Täler oder den oberen Vinschgau: Allesamt Gebiete, die von Zirben im oberen Waldbereich geprägt und gleichzeitig bekannt für ihre Altschneeproblemwinter sind. Und zwar nicht weil Buchen oder Tannen nicht mehr in den durchschnittlich höher gelegenen Tälern wachsen – denn sie steigen in den randalpinen Gebieten auch auf 1800m oder sogar noch weiter hinauf – sondern weil die Zirbe bessere an das raue, kalte, niederschlagsarme Klima angepasst ist als die anderen. Zusätzlich sterben praktisch alle Zirben früher oder später aufgrund eines Pilzes, der nur in den schneereicheren Regionen ein Thema ist.

Verwenden kann man diese Erkenntnis operativ de facto nicht. Der Zusammenhang ist einfach nur interessant. Der Winter 2017/18 hat auch gut gezeigt: Wir reden hier von Wahrscheinlichkeiten. Es gab im gesamten Alpenraum fast keine bodennahen Schwachschichten, auch dort, wo es viele Zirben gibt. Der Lawinenlagebericht ist und bleibt unser Planungstool.

Output

Ein kleiner Teil für die Praxis für heute liegt trotzdem in solchen Zusammenhängen: In Gebirgen wo es noch keine oder nur unzureichende Lawineninformationen gibt, kann man sich ein wenig während einer Skitourenreise an der Vegetation orientieren und unter Umständen seine Sinne für eine potentiell erhöhte Wahrscheinlichkeit von Schwachschichten in der Schneedecke schärfen: Ändern sich die Vegetationstypen? Finden wir auf einmal Pflanzen- und Baumarten, die es in einem anderen Teil des Gebirges auf dieser Höhe nicht gegeben hat?

Wir können uns dies vor allem im Kaukasus vorstellen – wo die Niederschlagssumme von Nordwest nach Südost kontinuierlich abnimmt. Durchquert man den Kaukasus in dieser Richtung, ändern sich ebenfalls die Vegetationstypen: Beispielsweise findet man die Nordmanntanne nur in den feuchten Klimagebieten im Westen der Gebirgskette. Ob es eine derart gute „Zeigergesellschaft“ wie Zirbe-Lärche auch dort gibt, ist fraglich. Die Änderung im Vegetationstyp stellt ein winziges, grobes Zusatztool im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung der Lawinengefahr dar. Vegetationstypen-Änderungen mit potentiell abnehmendem Niederschlag gleicher Höhenlagen während einer Skitourenreise können eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Schwachschichten im Altschnee ins Gedächtnis rufen und damit eine (noch) genauere Evaluierung des aktuellen Schneedeckenaufbaus in verschiedenen Gebieten in Betracht ziehen lassen.

Gesamte Arbeit als PDF in Englisch hier

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