Ausgangslage
Beim Schneegestöber handelt es sich um eine Kolumne – wissenschaftliche Grundlagen spielen zwar eine große Rolle, ordnen sich jedoch im Sinne des meinungsbetonten Naturells einer Kolumne unter. Der heutige Anlass: Der Lawinenunfall mit vier Todesopfern vom 15.3.2017 am Jochgrubenkopf in der Nähe des Brennerpasses: Es handelt sich um einen steilen bis extrem steilen nordexponierten Gipfelhang zwischen 2100m und 2450m. Analyse des LWD Tirol.
Das Kommunikationsproblem, erster Teil
Ganz egal, ob die Gesamtsituation auf die Gefahrenstufe Mäßig, mit ihrer Definition „Die Schneedecke ist an einigen Steilhängen nur mäßig verfestigt, ansonsten allgemein gut verfestigt. Lawinenauslösung ist insbesondere bei großer Zusatzbelastung, vor allem an den angegebenen Steilhängen möglich. Große spontane Lawinen sind nicht zu erwarten.“ oder Erheblich: „Die Schneedecke ist an vielen Steilhängen nur mäßig bis schwach verfestigt und die Lawinenauslösung ist bereits bei geringer Zusatzbelastung möglich. Fallweise sind spontan einige mittlere, vereinzelt aber auch große Lawinen möglich.“ zugetroffen hätte, der Hang am Jochgrubenkopf lag genau in dem Bereich, wo die Schneedecke derzeit bekanntlich nicht gut verfestigt war.
Die heutige Meinung: der Schneestöberer glaubt, dass der Unfall nicht passiert wäre, wenn die Gefahrenstufe an diesem Tag "Erheblich" entsprochen hätte und im Lagebericht ausgegeben gewesen wäre (was aber ganz klar nicht der vorherrschenden Lawinengesamtsituation entsprochen hätte). Wäre die Schneedecke beispielsweise sonnseitig bereits stärker durchnässt und hätte eine voran gegangene bewölkte Nacht die Ausstrahlung behindert, wäre eine Gefahrenstufe Erheblich in diesem Gebiet und dieser Höhenlage durchaus möglich gewesen. Obwohl sich für den nordseitigen Unfallhang nichts geändert hätte.
Es geht wie immer nicht um Schuldzuweisungen. Der bevorstehende Prozess gegen den überlebenden Bergführer macht auch keinen Sinn, weil die Gruppe, sofern die obere Vermutung wahr wäre, genau gleich agiert hat, wie das ein Großteil der Wintersportler macht – zu stark gefahrenstufenorientiert, zu wenig informationsorientiert. Außerdem ist die Strafe schon groß genug.
Es geht um unser Kommunikationsproblem in der angewandten Lawinenkunde. Der Laie – dazu zählen auch viele Bergführer - versteht den Lagebericht nicht ausreichend und kann ihn nicht anwenden. Wer einen Führerschein besitzt, kann noch nicht gut Autofahren.