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Schneegestöber

SchneeGestöber 19 2019/20 | Die Arten der Frühjahrssituation – Teil 2

Von klassischer und nicht-klassischer Frühjahrssituation

von Lukas Ruetz 31.03.2020
In Lawinenwarnprodukten wird häufig nur von der „klassischen Frühjahrssituation“ gesprochen. Aber was sind dann die „nicht-klassischen Frühjahrssituationen?“ Diesmal geht es um die drei nicht-klassischen der insgesamt vier verschiedenen Schneedeckenszenarien im Frühjahr.

All Melt, No Freeze

Diese Situation ist das Schreckensgespenst aller Wintersportler im Frühling. Entweder ist die Luft so warm oder so feucht oder der Himmel so bedeckt – meist aber alles in Kombination – dass die Schneeoberfläche auch in der Nacht nicht oberflächlich frieren kann. Dann schmilzt die Schneedecke nicht nur untertags, sondern auch in der Nacht weiter. Kein Harschdeckel bildet sich. Der Schnee bleibt feucht/nass, meist bremsend-saugend am Skibelag und die Lawinengefahr bleibt auf einem konstant eher hohen Niveau. In der Regel ist der Schnee auch so schlecht zum Skifahren, dass man gar nicht mehr ins Gelände will.

Die Extremform des All Melt, No Freeze Szenarios ist das Tauwetter. Beim Tauwetter steigt der Taupunkt – ein Maß für die absolute Luftfeuchtigkeit – auf über 0°C an. Dann hört der Schnee auf zu sublimieren und schmilzt nur noch. Bei einem Taupunkt unter 0°C schmilzt und sublimiert Schnee. Bei einem noch viel tieferen Taupunkt sublimiert Schnee ausschließlich. Bei All Melt, No Freeze bleibt der ganze Schnee, der verschwindet, als Schmelzwasser auf der Schneedecke liegen, nichts wird mehr zu Wasserdampf und wird über die Luft abtransportiert. Das lässt die Schneedecke noch schneller durchnässen. Der Energieeintrag ist um ein Vielfaches höher. Und nicht nur das: Sie hat dann durch die positive Energiebilanz selbst in der Nacht Zeit zum Schmelzen, nicht nur untertags wie bei der klassischen Frühjahrssituation. Beim Tauwetter verschwindet die Schneedecke dadurch wie im Zeitraffer.

Auch eine trockene Schneedecke aus dem Hochwinter durchnässt dabei derart schnell, dass man sich bald in einem Sumpf befindet. Man sackt durch eine nasse Schneedecke bis zum Boden durch. Nicht nur gefährlich in Sachen Lawinenauslösung sondern auch vollständig spaßbefreit in Aufstieg wie in Abfahrt!

Bei der All Melt, No Freeze Situation gibt es keinen tageszeitlichen Anstieg der Lawinengefahr. Es ist einfach immer konstant prekär. Tage, um daheim aufzuräumen und Laufen zu gehen.

Schneegestöber
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All Freeze, No Melt

Kommt sehr kalte Luft daher und möglichst auch noch sehr trockene, dann kann die Energiebilanz trotz starker Frühjahrssonne sogar in Sonnenhängen ganztags negativ sein. Das heißt, die Schneeoberfläche kühlt stark aus und bleibt weit unter 0°C. Langwellige Ausstrahlung, Sublimationskälte (bei trockener Luft verdampft viel Schnee und kühlt dadurch die Schneeoberfläche) und tiefe Lufttemperaturen von unter -10°C lassen den Schnee nicht mehr schmelzen. Der oberflächliche Harschdeckel bleibt den ganzen Tag gefroren, also hart.

Die Schneedecke kann sogar bei einem nachhaltigen Wintereinbruch mit sehr tiefen Temperaturen wieder komplett durchfrieren. Das heißt, es bildet sich nicht nur ein oberflächlicher Harschdeckel sondern die ganze, feucht-nasse Schneedecke friert zu einem harten, kompakten Stock - zu einer vollständigen Schmelzkruste. Dann finden wir wieder eine durchgehend trockene, gefrorene und wasserfreie (schließlich ist alles Wasser zu Eis geworden) Schneedecke vor, die theoretisch auch wieder Temperaturreserve aufbauen kann. Das heißt, dass die Kälte tief eindringt und die Schneedecke durch und durch nicht nur knapp frieren lässt, sondern weit unter 0°C abkühlt. Dazu braucht es aber mehr als eine Woche mit klirrend kalten Bedingungen, möglichst ohne Neuschnee. Denn der Neuschnee würde die Altschneedecke viel zu gut von der kalten Luft isolieren, so dass die Kälte nicht tiefer eindringen kann. Aber auch ohne Neuschnee braucht es, je nach Mächtigkeit der Schneedecke, lange, bis die Schneedecke auch tiefer wieder durchfrieren kann. Mehr dazu in diesem SchneeGestöber unter Punkt „Harschdeckel-Akkumulation“.

Bei der All Freeze, No Melt Situation im Frühjahr gibt es keinen tageszeitlichen Anstieg der Lawinengefahr.

Meist herrscht ganztags Gefahrenstufe 1. Man rattert beim Skifahren über eine harte Kruste, die nicht weich wird.

In der letzten Woche gab es diese Situation teilweise. Der WetterBlog hat berichtet. Die Nordostströmung brachte sehr kalte und extrem trockene Luft. Die Schneedecke blieb sogar in höheren Sonnenhängen trotz intensiver Strahlung ganztags hart. Am 27.03. ist schließlich wieder feuchtere und wärmere Luft hereingezogen und die Schneeoberfläche konnte sich mit der Kombi intensive Strahlung + feuchte Luft + relativ wärmere Luft wieder auf 0°C erwärmen und damit auffirnen. Der SchneeStöberer kann das wohnortbedingt von daheim aus beobachten und war nicht auf Skitour.

Nebenbei: In den Alpen bildet sich bei der All Freeze, No Melt Situation am ehesten Büßerschnee aus. Eine Schneeform, auch Zackenfirn genannt, die durch die Sublimation der Schneedecke entsteht. Dessen Bildung man auch in den letzten Tagen beobachten. Die Zacken wurden teilweise 15 cm tief. Zumindest bei wem noch Schnee im Quarantäne-Garten liegt, wie beim Schneestöberer daheim.

Hochwintersituation im Frühjahr

Dann gibt es noch die normale Hochwintersituation im Frühjahr, die in hohen Lagen in dieser Woche wieder Einzug hält.

Entweder war es bis weit in den März oder April hinein immer relativ kalt mit regelmäßigem Neuschnee. Dann wird die Schneedecke durch diffuse Strahlung durch die Wolken oder auch direkte Sonnenstrahlung während eines kurzen Zwischenhochs immer nur oberflächlich feucht. Eine tiefergehende Durchfeuchtung, die überhaupt erst zu einer der drei Frühjahrssituationen führen kann, hat dann schlicht und einfach noch nicht stattgefunden. Man muss unter Umständen noch auf alte, persistente Schwachschichten (= bodennahes Altschneeproblem) aufpassen. Meistens haben sich diese aber aufgrund der mächtigeren Schneedecke im Spätwinter und damit einhergehende abbauenden Umwandlung schon wieder gut verbunden und sind kein Thema mehr.

Es geht bei der Hochwintersituation im Frühjahr meist eher um das klassische Triebschneeproblem. Triebschnee ist störanfälliger, je frischer und kälter er ist. Ist es im Frühjahr immer noch eher kalt und gibt Neuschnee und Wind, dann findet man einfach eine Hochwintersituation mit ihren spezifischen Gefahren vor. Der Vorteil: Durch die intensive Strahlung wird der Triebschnee sehr schnell erwärmt und das Problem erledigt sich meist extrem schnell, das heißt oft in ein oder zwei Tagen. Unter Umständen sogar in wenigen Stunden.

Die Hochwintersituation kann sich aber auch nach einer bereits stattgefundenen Frühjahrssituation wieder ausprägen. Wird es mehrere Tage kalt und schneit (Unterschied zur All Freeze, No Melt Situation, bei der es keinen oder nur minimal Neuschnee gibt), friert die durchfeuchtete Altschneedecke zumindest oberflächlich wieder. Das Nassschneeproblem hat sich dann wieder mehr oder weniger erledigt und es stellt sich wieder eine klassische Triebschneesituation ein. Eventuell in Kombination mit einem frischen Altschneeproblem, weil sich eine markante, aufbauend umgewandelte Schwachschicht an der Grenzfläche zwischen warmer Altschneeoberfläche und kaltem Neuschnee bildet (großer Temperaturunterschied führt zu Bildung von Schwachschichten).

Bei der Hochwintersituation im Frühjahr gibt es keinen oder einen nur sehr leicht ausgeprägten tageszeitlichen Anstieg der Lawinengefahr.

Zusammenfassung

Es gibt vier verschiedene Schneedeckenszenarien im Frühjahr mit verschiedensten Auswirkungen auf Schneequalität und Lawinengefahr:

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