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Schneegestöber

Schneegestöber 4 2021/22 | Schneeprofilbesprechung

Die vorweihnachtliche Erwärmung

von Stefanie Höpperger 25.12.2021
Vom 12. Auf den 13.12. rauschte eine Warmfront zu uns herein und lies die Vorfreude auf weiße Weihnacht im Nu verfliegen. Begleitend zum Temperaturanstieg regnete es gebietsweise bis ca. 2000-2300 m hinauf, die Regenmengen fielen aber recht gering aus. In der Nacht vom 13. Auf den 14.12. fiel die Temperatur wieder in den Keller und es klarte auf. Dabei wurde die durch Wärme und Regen angefeuchtete Schneeoberfläche wieder abgekühlt und es bildete sich ein Deckel - Bruchharsch war die Folge.

Die darauffolgenden Tage herrschte perfektes Skitourenwetter mit Sonnenschein und nicht allzu kalten Temperaturen, einzig die Schneequalität ließ sehr zu wünschen übrig.

Im Gelände war die Schneebeschaffenheit sehr variabel: Es gab teils eine lockere Schneeoberfläche, die sich aber hauptsächlich in Hängen mit dem vorherrschenden Altschneeproblem befand, sowie „firnartige“ Verhältnisse in steilen Sonnenhängen (von Firn kann man jetzt allerdings noch nicht sprechen), Bruchharsch, eine vom Wind bearbeitete, sehr wechselhafte Schneeoberfläche, Sulz in tieferen Lagen in der Sonne und gar nicht so schlecht zu fahrender Schnee im Waldbereich.

Was durch die Erwärmung mit der Schneedecke passierte, sehen wir uns anhand eines Schneeprofils an.

Profil 1:

Zwei Tage nach Einzug der Warmfront am 15.12.21 wurde das Schneeprofil in den zentralen Stubaier Alpen, am Kastner Berg, aufgenommen. Wir befinden uns auf einer Höhe von 2064 m in einem SO exponierten, 31° steilen Hang. Die Aufnahmezeit war 13:20 Uhr, die Sonneneinstrahlung hatte also schon recht starken Einfluss auf die Schneedecke.

Die Schichten:

Gelb:

An der Schneeoberfläche befindet sich eine Schmelzkruste, also eine Kruste, die aus Schmelzformen besteht. Die einzelnen Körner sind einen Millimeter groß und die Kruste ist mit einer Härte von 3-4 (ein Finger – Bleistift) auf der weicheren Seite. Dies liegt an der bereits lang einwirkenden Sonneneinstrahlung, die die Kruste durch Wärme aufgeweicht hat. Die Sonneneinstrahlung und die vorherrschenden Plusgrade der Umgebungsluft sind dafür verantwortlich, dass die Schneeoberfläche schwach feucht (2) ist (siehe erste Spalte).

Die morgens noch harte und gefrorene Schneeoberfläche wird im Laufe des Tages erwärmt und die Kristalle fangen an zu schmelzen, wodurch der Wassergehalt steigt. Schnee schmilzt, wenn er eine Temperatur von 0 °C erreicht.

Entstanden ist die Kruste durch die Warmfront vom 12. Auf den 13.12. Durch die warmen Temperaturen in Kombination mit leichtem Regen bis ca. 2000 - 2300 m wurde die Schneeoberfläche erwärmt und feucht. In den darauffolgenden Nächten kühlte es wieder ab und der Himmel klarte auf, dadurch fand ein Energieaustausch zwischen Schneedecke und der Atmosphäre statt (Abstrahlung). Die Oberfläche kühlte wieder ab und die Schichten, die einen Feuchtegehalt aufweisen, sind wieder gefroren. Dieser Prozess des Schmelzens und wieder Gefrierens wiederholt sich so lang die Temperaturen sich im Plusbereich befinden und klare Nächte vorherrschen. Sobald die Temperaturen auch untertags wieder in den minus Bereich wandern, ändert sich das, denn die Sonneneinstrahlung allein ist im Frühwinter noch zu wenig stark um die Schneedecke zu erwärmen.

Unterhalb der Schmelzkruste befindet sich eine dünne Schicht aus Schmelzformen. Auch diese Schicht ist schwach feucht (2). Die Körner sind einen Millimeter groß und mit einer Härte von 2-3 (vier Finger- ein Finger) ist sie weicher als die Kruste darüber.

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Blau:

Die oberste Schicht, von 58-61 cm, ist mit einer Feuchte von 3 (Wasser erkennbar), die mit dem größten Wassergehalt. Das Wasser der oberen Schichten sickert nach unten (Richtung Boden) und sammelt sich in den kälteren Schichten darunter. Aufgrund der hier vorhandenen kleinen, runden Körner mit einer Größe von 0,5 mm, die wenig Lufteinschlüsse und Freiräume zwischen den einzelnen Kristallen aufweisen, kommt das Schmelzwasser nicht mehr so leicht weiter und sammelt sich.

Darunter befindet sich eine 17 cm hohe Schicht runder Körner. Die Körner haben eine Größe von 0,5 mm und eine Härte von 2-3. Auch hier steht der zweier in der ersten Spalte für „schwach feucht“, dies bezieht sich aber auf die oberen Zentimeter dieser Schicht.

Von 40-41 cm folgt ein kleiner Ausreißer. Eine dünne Schicht mit runden Körnern und zusätzlichen kantig- abgerundeten Kristallen. Ich gehe stark davon aus, dass es sich hier um den sehr kalten, lockeren Schneefall vom 2. auf den 3.12. handelt, der bei tiefen Temperaturen statt fand. Diese Schicht bestand einst aus kantigen Kristallen, die sich im Laufe der Zeit wieder abbauend umgewandelt haben. Die Schicht ist trocken (-1°C).

Unterhalb ist nochmals eine Schicht aus runden Körnen als Resultat der abbauenden Umwandlung.

Bei dem gesamten blauen Stock von 33 – 61 cm handelt es sich um mehrere Niederschläge von Anfang Dezember, dazu zählen auch die gelb markierten Schichten darüber und die violette darunter.

Violett:

Die 2cm dicke Kruste entstand durch den Wärmeeintrag vom 30.11. auf den 1.12. samt Schneefall. Aufgrund der damals kalten Schneeoberfläche und dem warmen Neuschnee in Kombination mit warmen Temperaturen entstand ein signifikanter Temperaturunterschied.

Es handelt sich um eine Schmelzkruste mit kantig- abgerundeten Kristallen, einer Härte von 4 (Bleistift) und einer Korngröße von 1.

Gut erkennbar ist der Knick in der eingezeichneten Temperaturkurve von 30 – 50 cm, in den Bereichen unterhalb der Kruste (violett) und der von unten dritten blauen Schicht. Dort, wo die noch kantig- abgerundeten Kristalle vorhanden sind, ist die kälteste gemessene Schneetemperatur der ganzen Schneedecke. Die Schneedecke ist noch nicht isotherm (konstante Temperatur in der gesamten Schneedecke), was den Umwandlungsprozessen noch Spielraum lässt.

Grün:

Hier handelt es sich um die Niederschläge von Ende November. Vorher aperte es sonnseitig bis in hohe Lagen wieder aus. Die Schneeschicht ist trocken, denn nur direkt am Boden wurde eine Temperatur von 0°C gemessen. Der Schneestock ist kompakt, weist eine Härte von 3 (ein Finger) auf und besteht aus 0,5 mm kleinen, runden Körnern.

Beim Extended Column Test (ECT) kam es zu an diesem Porilfstandort zu einem Teilbruch beim 18. Schlag.

Profil 2:

Um zu veranschaulichen, wie die Schneetemperatur vor Einzug der Warmfront am 12./ 13.12. aussah, schauen wir uns noch ein weiteres Profil an. Es stammt aus dem selben Tal und  einer ähnlichen Höhen- und Expositionslage. Das Profil wurde am 11.12.21 um 11:37 in einer Höhe von 2037 m, Exposition O (eventuell auch etwas NO), in einem 30 Grad steilen Hang aufgenommen. Interessant ist dabei der Temperaturgradient in der Schneedecke. Am Boden wurde eine Temperatur von 0 °C gemessen, an der Schneeoberfläche hingegen -7,8 °C! Da wuselt die aufbauende Umwandlung nur so! Bei diesem Profilstandort wird nach Einwirken der Wärme der Temperaturunterschied aber nicht so gering ausfallen wie bei Profil 1, eher im Gegenteil. Denn in den oberflächennahen Schichten entsteht durch den Wärmeeintrag ein großer Temperaturunterschied, der die aufbauende Umwandlung fördert. Es könnte sich also durchaus, unterhalb der durch Wärme entstandenen Kruste an der Schneeoberfläche, eine kantige Schicht bilden.

In Schattenhängen kühlte die Schneeoberfläche auch nach der Warmfront immer noch stark aus und die aufbauende Umwandlung macht somit keine Vorweihnachtspause! Es bildeten sich zunehmend wieder kantige, lockere Kristalle an der Oberfläche. Auch Oberflächenreif wurde vieler Orts gesichtet. Künftige Schwachschichten entstehen somit bereits.

In diesem Profil sehen wir auch eine kantige Schichte in der Mitte der Schneedecke, in der es bei relativ hoher Belastung (20. Schlag) zu einem ECTP Ergebnis kam, also eine Bruchfortpflanzung über der ganzen Block.

Der Schneedeckenaufbau bleibt weiterhin spannend, nichtsdestotrotz wünschen wir uns vom Christkindl wieder etwas der weißen Pracht für ein paar gute Pulverschwünge!

Das Schneegestöber Team wünscht euch frohe Weihnachten!

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