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Schneegestöber

SchneeGestöber 5 2016/17 | Schönwetterphasen und die Schneedecke

Der Alpenraum liegt derzeit im Einfluss von strahlendem Sonnenschein

von Lukas Ruetz 03.12.2016
Schönwetterphasen mit winterlichen Temperaturen lösen im Frühwinter, beziehungsweise bei wenig mächtiger Schneedecke, massive aufbauende Umwandlungsprozesse aus. Während der Schönwetterphase ist das meist kein Problem, bei Wetterumschwung aber durchaus problematisch.

Ausgangslage

Die Alpen liegen im Einfluss eines zumindest mehrere Tage beständigen Hochdruckgebietes. Es gibt kaum Bewölkung, klare Nächte und auf absehbare Zeit ist kein nennenswerter Niederschlag prognostiziert. In tiefen Lagen (< 1000m) liegt in den Ostalpen meist kein Schnee, in mittleren (1000m – 2000m) hauptsächlich schattseitig und in höheren und hochalpinen Gebieten (> 2000m bzw. > 3000m) finden wir nur eine dürftige Schneedecke. In ersteren geht man bestenfalls Wandern oder Grasskifahren, in zweiteren Schneestapfen und in letzteren hält man sich entweder in Skigebieten mit Kunstschneetouren fit, oder fährt Stein- und Spaltenslalom. Die Schneedecke beherbergt bereits einige Schwachschichten und Schmelzkrusten, die Oberfläche ist teils von Windkrusten, teils vom Wärmeeinbruch von Ende November verfestigt und hart beziehungsweise bruchharschig, nicht locker. 

Wie funktioniert’s?

Zusammen mit dem derzeitigen Sonnenstand und nicht allzu warmen Temperaturen beginnt sich die Schneedecke nun zu verändern. Verantwortlich sind in erster Linie die Nächte: Die Schneeoberfläche kühlt durch die ausgehende Wärmestrahlung aufgrund des klaren Himmels massiv aus – weit unter die vorherrschende Lufttemperatur. Der große Temperaturunterschied zwischen dem relativ warmen, bodennahen Schnee und dem an der Oberfläche verursacht die aufbauende Umwandlung der gesamten Schneedecke. Zusätzlich bildet sich Oberflächenreif. Dieser entsteht nicht durch freien Wasserdampf aus der Schneedecke selbst, sondern aus der Luftfeuchtigkeit. Der Prozess funktioniert sehr ähnlich wie innerhalb der Schneedecke, nur kommt die Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft: Der Wasserdampf aus der relativ wärmeren Luft "friert" an der Schneeoberfläche an (Deposition). Die Kristallformen des Oberflächenreifs ähneln in ihrer Erscheinung und in ihrer Auswirkung auf die Lawinengefahr (wenn eingeschneit) ebenfalls den Produkten der aufbauenden Umwandlung innerhalb der Schneedecke. Die oberste Schicht kann sich zeitgleich in kantige Kristalle umwandeln und an ihrer Grenze zur Luft Oberflächenreif ausbilden. Je kontinentaler das Klima geprägt ist (kalt, niederschlagsarm), desto eher bilden sich auf diese Weise Schwachschichten aus. Da inneralpine Gebirgsgruppen klimatisch trockener und aufgrund der höheren Berge kühler sind, bilden sich dort Schwachschichten ebenfalls stärker und häufiger aus als in randalpinen Gebieten. In einigen asiatischen Gebirgen kann man beispielsweise die Umwandlung der gesamten Schneedecke zu Schwimmschnee, nicht nur in einzelnen Schichten, wesentlich häufiger beobachten als in den Alpen.

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Wie geht es weiter?

Je länger es beim niederschlagsfreien Schönwetter bleibt, desto mehr wird sich die gesamte Schneedecke in kantige Kristalle oder Schwimmschnee umwandeln. Die Schneedecke wird lockerer und man sackt immer leichter durch. Damit ähnelt sie aus der Sichtweise von Brettlrutschern etwas dem Faulschnee aus dem Frühjahr, wo man tief einsackt - manchmal sogar bis zum Boden. Man wird vor allem in höheren, windberuhigten Lagen massiv Oberflächenreif beobachten können. Die Spannungen (im Grunde die Härteunterschiede zwischen verschiedenen Schichten, aber nicht vollständig gleichzusetzen damit) nehmen täglich ab, weil härtere Schichten durch den aufbauenden Prozess lockerer und damit weicher werden. Sie können keine Spannungen mehr übertragen. Sobald es drauf schneit oder stärkerer Wind (auch ohne Niederschlag) folgt, wird die Lawinengefahr ansteigen – zumindest für wenige Tage.

Im Winter 2015/16 haben die aufbauenden Prozesse am stärksten im gesamten, wettertechnisch wunderschönen, Dezember stattgefunden. Die spärliche Schneedecke wurde immer lockerer, teilweise konnte man Anfang Dezember auf einer mehr oder weniger tragfähigen Schneedecke Skifahren und ab Mitte Dezember sackte man an der gleichen Stelle bis zum Boden durch. Im Jänner 2016 kam der ersehnte Neuschnee plus Wind. Dieser brachte den nötigen Spannungsaufbau mit, um Lawinen auslösen zu können. Die Situation war in einem gewissen Höhenband in schattigen Expositionen aufgrund der hohen Bruchfortpflanzungstendenz der vorhandenen Schwachschichten dramatisch. Sie verschärfte sich mit größerer Schneeauflage weiter, bis sich die Schwachschichten so tief innerhalb der Schneedecke befanden, dass eine Störung nur mehr schwer möglich war. Nach und nach haben sich die Kristalle aufgrund eines nun geringeren Temperaturgradienten wieder etwas untereinander verbunden.

Zwar läuft die nun wieder stattfindende abbauende Umwandlung nur sehr langsam ab und Formen aus der aufbauenden Umwandlung werden nur sehr langsam kleiner und runder, dennoch verbinden sich diese meistens wieder so gut untereinander, dass zumindest die Bruchfortpflanzungswahrscheinlichkeit deutlich sinkt. Erst gegen Mitte Feber entspannte sich die Situation durch diese Prozesse langsam. Meist sind die Schwachschichten allerdings erst nach der ersten Durchfeuchtung im Frühjahr vollständig verschwunden und zu Schmelzformen umgewandelt. Wenn uns heuer wieder ein hochdruckgeprägter Frühwinter bevorsteht, es mit dem kunstschneeproduktionsaffinen Wetter weiter geht und danach der „richtige“ Winter Einzug hält, stehen die Zeichen gut, dass uns primär in schattigen, höheren Lagen ein massives Altschneeproblem eine Weile – vielleicht auch einen großen Teil des Winters – begleiten wird.

Merke: Während lang anhaltender und windschwacher Schönwetterphasen im Frühwinter tendenzielle Gefahrenabnahme – nach Neuschnee folgt meist ein sprunghafter Anstieg der Lawinengefahr, der wochenlang anhalten kann.

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