Profil 1, 07.01.2021, Tullkogel, 2515m, S, 27°
Das Schneeprofil wurde vom LWD Tirol zur Mittagszeit in den Deferegger Bergen Osttirols in einem 27° steilen Südhang aufgenommen. Am Standort liegt 190cm Schnee, es ist -9,5°C kalt und wolkenlos.
Für uns interessant ist der Aufbau der Schneedecke bis zu einer Schneehöhe von 120cm hinunter. Von 190cm bis 125cm liegt das Schneebrett für die potentielle Lawinenauslösung. Mit einer Mächtigkeit des Bretts von 65cm sind die Schwachschichten darunter nicht mehr ganz so leicht störbar. Allerdings kommen bei dieser dicken Auflage schon bei von der Fläche her kleinen Lawinen große Schneemengen zusammen, die als Schneebrettlawine ins Tal rutschen.
Auf etwa fünf Zentimetern gibt es bei einer Höhe von 125cm bis 120cm eine Abfolge von drei dünnen, kantigen Schwachschichten und zwei Schmelzkrusten dazwischen. Die oberste Schwachschicht liegt direkt unterhalb des potentiellen Schneebretts auf einer Kruste, die durch Regen und Wärme vor Weihnachten gebildet wurde. Auf diese Kruste schneite es in den letzten Dezembertagen kalten Neuschnee. Dadurch entwickelten sich die kantigen Kristalle am Übergang von der Altschneeoberfläche zum Neuschnee. Da es in Osttirol seitdem wieder gewaltige Neuschneemengen gab, liegt nun das mächtige Brett über der Schwachschicht. Die Kristalle der Schwachschicht sind nicht besonders groß, etwa 1mm im Durchmesser, aber sehr weich (Härte 1, blauer Balken geht nur bis zum ersten Strich nach links raus).
Unterhalb der ersten Schmelzkruste gibt es dann wieder eine dünne, kantige Schicht aus sehr kleinen Kristallen, die relativ weich ist. Gefolgt von der zweiten, hauchdünnen Schmelzkruste und einer härteren, nicht allzu ausgeprägten, kantigen Schicht.
Unterhalb von 120cm finden wir eine kompakte Altschneedecke mit einer wenig besorgniserregenden, aufbauend umgewandelten Schicht bei etwa 55cm.
Interessant ist das Testergebnis: In der kantigen Schicht unter dem Neuschnee und oberhalb der obersten Schmelzkruste konnte bei zwei ECTs jeweils ein Bruch über den gesamten Block erzeugt werden. Und zwar beim 21. und beim 16. Schlag. Daraus können wir schließen, dass sich die Schneedecke in den Bereichen, wo sich diese Schicht ausgeprägt hat – je nach Mächtigkeit des überlagernden Bretts – bereits bei geringer Zusatzbelastung auslösen lässt, eine Bruchausbreitung zustande kommen kann und in weiterer Folge eine Schneebrettlawine entsteht. Oder aber bei geringerer Steilheit ein Setzungsgeräusch samt Rissbildungen im Schnee auslösbar ist.