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Schneegestöber

SchneeGestöber 1 2024/25 | Frühlingsskifahren

Worauf wir achten müssen, wenn es warm wird

07.04.2025 von Lydia Knappe
Die letzten Wochen waren vor allem durch warme Temperaturen und wenig Niederschlag geprägt. Die geringe Schneelage in diesem Jahr hat die bösen Sharks nie wirklich in den Winterschlaf versetzt und zwingt mitunter bereits zum Skitragen. Alles in allem sagt der Frühling langsam Hallo.

Der Frühling und anklingende Sommer lösen bei vielen Kletterbegeisterten Euphorie aus, Powderbegeisterte bekommen dagegen lange Gesichter. Trotzdem verlieren nicht alle FreeriderInnen die Motivation, denn der beste Schnee nach Pulver ist bekanntlich der Firn; und zumindest in höheren Lagen gibt es noch etwas davon. Doch wie bei frischem Schneefall, gibt es auch bei ausbleibendem Niederschlag einige lawinentechnische Aspekte zu beachten. Bei eher warmen Temperaturen kann generell davon ausgegangen werden, dass sich die Stabilität der Schneedecke einige Tage nach einem Niederschlagsereignis entspannt. Dies liegt daran, dass es zu einer abbauenden Metamorphose der Schneekristalle kommt (d. h. die Kristalle runden sich ab), wodurch sich die Schneedecke verdichtet und die einzelnen Schneeschichten besser miteinander verbinden. Allerdings können warme Temperaturen auch alte Schwachschichten (z. B. kantig aufgebaute Schichten) wieder problematisch werden lassen.

Im Folgenden gehen wir auf fünf Faktoren ein, die beim Frühjahresskifahren zu beachten sind.

Grundlegendes:

Wenn man von Firn im Zusammenhang mit dem Skifahren spricht, ist damit nicht die eigentliche Begriffsbedeutung gemeint. Firn bezeichnet genau genommen Schnee, der mindestens eine Ablationsphase (also einen Sommer) überdauert hat und durch häufiges Tauen und Wiedergefrieren eine grobkörnige Struktur angenommen hat. Er stellt somit die Zwischenstufe zwischen Schnee und Gletschereis dar.

Firn im skifahrerischen Sinne ist zwar ebenfalls Schnee, der sich durch häufiges Tauen und Wiedergefrieren zu einer grobkörnige Struktur verändert hat, jedoch reichen hier bereits einige Tage aus. In gefrorenem Zustand kann er eher als Kruste oder Deckel verstanden werden, während er im aufgetauten Zustand als Sulzschnee bezeichnet wird.

Dieser Firn entsteht beispielsweise nach einer Phase stabilen Hochdruckwetters, wenn es nachts zu einer starken Wärmeabstrahlung der Schneeoberfläche kommt, da keine diffuse Rückstrahlung der Wärmeenergie durch Wolken stattfindet. Herrschen nachts negative Temperaturen und bleibt der Himmel wolkenlos, friert die Schneedecke, zumindest die oberen Zentimeter, über Nacht durch. Steigen die Temperaturen am Tag oder ist die Sonneneinstrahlung sehr intensiv, taut die oberste Schneeschicht wieder auf, wodurch weicher Schnee entsteht.

Durch diesen ständigen Wechsel von Gefrieren und Tauen können sich Eislamellen bzw. Eisplatten bilden, der sogenannte Firnspiegel.

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Was es zu beachten gibt

1.    Tageszeitliche Erwärmung

Die tageszeitliche Erwärmung ist einer der wesentlichen Faktoren, die bei warmen Temperaturen zu beachten sind. Innerhalb des Tagesverlaufs ist die Schneedecke einem wechselnden Temperaturgradienten ausgesetzt. Dieser wird von unten, also vom Boden, durch die Wärmeabgabe der Erde bestimmt. So herrscht am Boden bzw. an der Unterseite der Schneedecke eine konstante Temperatur von 0 Grad Celsius. Die Oberflächentemperatur der Schneedecke hingegen wird maßgeblich von der Sonneneinstrahlung beeinflusst. Dabei sind die Exposition, also die Ausrichtung zur Sonne, sowie die Hangneigung entscheidend. Auf der nördlichen Hemisphäre werden südost-, süd- und südwestexponierte Hänge stärker von der Sonne erwärmt als nordexponierte Hänge.

Die Hangneigung spielt in diesem Zusammenhang eine weitere wichtige Rolle, da es einen optimalen Neigungswinkel für die maximale Wärmeaufnahme einer Oberfläche gibt. Dieser beträgt 90°. Das bedeutet, die Energieübertragung ist am größten, wenn die Sonnenstrahlung im rechten Winkel auf eine Oberfläche trifft. Da sich der Sonnenstand in den mittleren Breiten jedoch saisonal verändert, variiert auch der Hangneigungswinkel, auf den die Sonnenstrahlen in einem 90°-Winkel auftreffen. Im Februar beträgt der optimale Winkel in Innsbruck etwa 30–35°, im März bereits 35–45° und im April bis zu 55°. Das heißt, salopp gesagt: Je später im Winter, desto schneller erwärmt sich die Schneedecke auf steiler ausgerichteten Hängen und desto schneller wird sie durchfeuchtet.

Hinzu kommt, dass steile Hänge oft von Felsen durchsetzt bzw. in Felswände eingebettet sind. Dunkle Flächen weisen eine geringere Albedo auf, also eine höhere Absorptionseigenschaft im Vergleich zu Schnee. Dadurch erwärmen sie sich stärker und geben zusätzliche Wärme an die umliegenden Schneefelder ab. Das bedeutet wiederum, dass bei der Tourenplanung nicht nur die Ausrichtung und Neigung des befahrenen Hangs zu beachten, sondern auch die umliegenden und darüber liegenden Hänge sowie Felswände miteinzubeziehen sind.

Doch welche Ereignisse können konkret aus einer zunehmenden Temperatur im Tagesverlauf resultieren?

Es können sich sowohl nasse Lockerschnee- und Schneebrettlawinen als auch Gleitschneelawinen lösen. Die ersten beiden genannten Lawinenarten entstehen durch eine Schwächung der Schneedecke infolge von Wassereintrag, entweder durch Schmelze oder Regen. Gleitschneelawinen hingegen können nicht nur bei einer isothermen Schneedecke (wenn die gesamte Schneedecke eine Temperatur von 0 °C hat), sondern auch bei einer trockenen, kalten Schneedecke auftreten.

Um der Lawinengefahr vorzubeugen, sind ein gutes Zeitmanagement, die Beobachtung der herrschenden Temperaturen und Wetterbedingungen (bewölkt, klar, Niederschlag - in welcher Form) sowie die Einschätzung des Geländes und das Erkennen von Gefahrenzeichen essenziell.

Ein Überblick über Lawinenarten, die durch Wärmeeintrag entstehen können:

Nasse Lockerschneelawine:

Anriss: punktförmig, breitet sich vom Auslösepunkt nach unten aus (abrutschender Schnee reißt immer mehr Schnee mit)

Risiko für SchneesportlerInnen: können mitgerissen werden und abstürzen (bei großer Größe Verschüttung)

Gefahrenzeichen: lösen sich spontan, Schneepoller, Schneeschnecken

Nasse Schneebrettlawine:

Anriss: linienförmig, Bruch und Schwächung ehemaliger Schwachschichten in der Schneedecke oder Abgleiten von Schichten an Wasserhorizonten

Risiko für SchneesportlerInnen: können mitgerissen werden und Verschüttung

Gefahrenzeichen: lösen sich spontan, Schneerollen, kleine Scheebrett- oder Lockerschneelawinen

Gleitschneelawine:

Anriss: linienförmig, gesamte Schneedecke rutscht ab

Risiko für SchneesportlerInnen: Verschüttungsgefahr

Gefahrenzeichen: lösen sich spontan, Gleitschneeanrisse (sog. Fischmäuler) nur auf glattem Untergrund möglich (Gras, Felsplatten)

3.    Absturzgefahr

Bei einer anhaltenden Hochdruckwetterlage (die sowohl mit warmen als auch mit kalten Temperaturen einhergehen kann) ist nicht immer die Lawinenlage das Hauptrisiko, das es zu beachten gilt. Oftmals herrscht in einem solchen Zeitraum sogar eine stabile bis sehr stabile Lawinenlage. Das eröffnet die Möglichkeit für steile und ausgesetzte Abfahrten, die bei einer höheren Gefahrenstufe nicht machbar wären. Ein bestehendes Risiko, das jedoch leicht unterschätzt werden kann, ist die Absturzgefahr. Auf der durch Frost- und Tauwechsel verhärteten Schneedecke ist die Haftreibung von Fellen und Skischuhen stark vermindert, was ein Ausrutschen begünstigt. Zudem ist ein Sturz nur sehr schwer zu stoppen. Daher ist es ratsam, Harsch- oder Steigeisen sowie einen Pickel mitzunehmen, denn: „Lieber 10 Minuten mehr in die Montage solcher Geräte investieren, als in 10 Minuten sein Leben zu verlieren.“ (Antoine Patet).

4.    Steinschlaggefahr

Im Frühjahr nimmt die Steinschlaggefahr deutlich zu, eine Gefahr, die der Kletterszene gut bekannt ist. Der verantwortliche Prozess hierfür ist die Frostsprengung: Wasser dringt in Spalten und Risse ein, gefriert bei negativen Temperaturen, dehnt sich dabei aus und sprengt so Gesteinsmaterial vom Felsen ab. Eine Erwärmung begünstigt den Auftauprozess und verändert die Stabilität der Gesteinsschichten, da die losgesprengten Steine nicht mehr gehalten werden können und herabfallen. Bei der Routenwahl direkt unter Steilwänden sollte daher stets auf Knack- oder Surr-Geräusche sowie auf „stumme Zeugen“, also im Gelände liegende Stein- und Felsblöcke, geachtet werden.

5.    Zusätzlicher Einfluss – Saharastaub

Saharastaub hat ähnliche Auswirkungen auf den Wärmeeintrag wie der zuvor beschriebene Effekt von Steinen auf die Schneedecke. Der Staub, der bei bestimmten Wetterlagen durch den African Easterly Jet nach Norden transportiert wird und somit den Alpenraum erreicht, lagert sich auf der Schneeoberfläche ab. Dies führt dazu, dass die Albedo, also die Reflexionsfähigkeit der Schneedecke, abnimmt und dadurch mehr Wärme von der Schneedecke aufgenommen wird. Saharastaub wirkt sich zwar nicht direkt auf die Lawinenproblematik aus, fungiert jedoch als zusätzlicher Akteur.

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Resümee

Innerhalb eines Winters und gerade im Frühjahr kann es zu warmen Temperaturen auch in hohen Lagen kommen. Dabei ist es wichtig die Temperatureinflüsse sowie einhergehende Risiken nicht zwangsläufig saisonal abzurufen, sondern vor allem wetterlagenbezogen. Sich auf die dementsprechend vorhandenen Gefahrenmuster einzustellen und Tools wie Lawinenblogs zu nutzen, ist deshalb unabdinglich.   

Literatur:

Lawinen Report (2024): Blog. Kurzfristiges Triebschneeproblem / Lockerschnee- und Gleitschneelawinen. https://lawinen.report/blog/at-07-de/9448. [11.02.2024].

Schweizer Lawinenforschungsinstitut (SLF) (o.A.): Lawinentypen. https://www.slf.ch/de/lawinenbulletin-und-schneesituation/wissen-zum-lawinenbulletin/lawinentypen/. [11.02.2024].

Schweizer Lawinenforschungsinstitut (SLF) (o.A: Typische Lawinenprobleme. Nassschnee. https://www.slf.ch/de/lawinenbulletin-und-schneesituation/wissen-zum-lawinenbulletin/typische-lawinenprobleme/nasse-lawinen/

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