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TourenTipp | Frühlings-Skihochtour Piz Grialetsch

Eine Fotoreportage eines zweitägigen Abenteuers

28.03.2025 von Franz Thomas Balmer
Die kürzliche renovierte Grialetsch-Hütte SAC liegt umringt von markanten Berggipfeln im Backcountry zwischen Davos, Flüalapass und Unterengadin. Sie ist der perfekte Ausgangspunkt für eine Frühlingsskihochtour auf den Piz Grialetsch.

Ein Parkplatz in der Innenstadt. Der perfekte Moment, um jemanden anzurufen, ohne zu stören. Oder richtig guten Pulverschnee ohne Altschneeproblem zu erwischen. Es gibt Dinge, die sind nicht immer einfach zu finden. Insbesondere Letzteres war diesen Winter bislang eine besonders harte Nuss. Umso verlockender erscheint jetzt, im Frühling, eine Skihochtour.

Szenenwechsel. Der Zug kommt gerade in Davos an. Wir steigen direkt in den Bus ins Seitental Dischma und entfliehen so dem Rummel der höchstgelegenen Stadt Europas auf 1'560 Meter. Ein wohltuender Kontrast, als wir in Teufi aussteigen und unseren Bergführer Adrian Räz treffen. Von der Stadt direkt in die Natur in wenigen Minuten sozusagen. Kurzer Materialcheck und wir ziehen los. Schon nach den ersten Metern läuft mir der Schweiß in dicken Tropfen von der Stirn. Kein Wunder: Anders als bei einer gewöhnlichen Skitour tragen wir in unseren Rucksäcken auch eine komplette Gletscherausrüstung mit Steigeisen, Klettergurt, Seil und Eispickel. Langsam aber kontinuierlich bahnen wir unseren Weg hinauf durch den tiefen Schnee – und sind dabei auf historischen Spuren. Denn der Weiler Dürrboden, bei dem wir gerade ankommen, war früher eine wichtige Station auf der Säumerroute von Davos über den Scalettapass ins Engadin und weiter bis ins italienische Veltlin. Über Jahrhunderte hinweg wurde auf dieser Route Salz aus Tirol und Venedig sowie Wein aus dem Veltlin importiert. Wir halten an, kurze Verschnaufpause. Der Bergführer zeigt mit seinem Stock nach oben. Im Sonnenlicht leuchten die Flanken des Piz Grialetsch.

«Irgendwo im Nirgendwo, umringt von Berggipfeln. Eine Skihochtour im Backcountry von Davos ist ein unvergessliches Erlebnis.» Franz Thomas Balmer, Autor

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Ein kleines Juwel im Niemandsland

Die Route führt uns über den Talboden bis zur Furggabach-Einmündung und durch die Mulde gegen Osten hinauf via Furggasee zur Fuorcla da Grialetsch auf 2536 Meter. Die Zivilisation scheint plötzlich ganz weit weg zu sein. Das Ziel haben wir zwar noch nicht erreicht, doch ich fühle mich jetzt schon angekommen. Nur das meditative Klick-klack der Bindung ertönt bei jedem Schritt. Einsam ziehen wir unsere Spur hinauf durch das kupierte Gelände. Ich fühle mich ein bisschen wie der Kult-Aussteiger Chris McCandless aus dem Buch-Klassiker «Into the Wild». Meine Gedanken kreisen um seine Buchpassage: «Es gibt keine größere Freude, als einen endlosen Horizont zu haben», als wir an schroffen Felsformationen irgendwo im Nirgendwo vorbeilaufen. Wie wahr.

«Einsam ziehen wir unsere Spur hinauf durch das kupierte Gelände.» Franz Thomas Balmer, Autor

Plötzlich aus der Ferne taucht sie auf, die Grialetsch-Hütte. Das neue Dach mit den Solarzellen schimmert in der Frühlingssonne. Im Sommer 2021 wurde die SAC-Hütte umfassend saniert und um einen Holzbau erweitert. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Mit dem neuen Kapitel der Hütte folgte auch ein neues Hüttenwartpaar. Nach über 34 Jahren hat Hanspeter Reiss das Zepter an Werner und Tanja Schweizer weitergegeben. Die zwei empfangen uns herzlich bei der Ankunft. Erstmal Schuhe ausziehen und die Socken an der Sonne trocknen lassen. Werner bringt uns eine kalte Platte mit Fleisch, Käse, Brot und ein Glas seines selbstgemachten Holundersirups. Göttlich. Während die Terrasse der Grialetschhütte langsam schattig wird, erstrahlt der Piz Sarsura Pitschen vor uns noch immer hell in der Nachmittagssonne. Es wird kühl, wir wechseln nach drinnen. Vor dem Eingang schlüpfen wir in unsere Hüttenschuhe, die fein säuberlich im Regal beim Eingang nach Größen geordnet sind. Gleich begeben wir uns auf eine Zeitreise, ohne es zu wissen.

Eine unerwartete Zeitreise

Status checken, Insta-Story posten oder ein neues Profilbild hochladen? Fehlanzeige. Das Handy zeigt keinen einzigen Strich an – Funkloch. Aber eigentlich auch gar nicht so schlimm. Schnell verschwindet das Handy wieder in der Hosentasche. Wir holen uns ein Bier und setzen uns zu den anderen Tourengästen. Von der Stimmung her ist es ein bisschen wie damals beim Reisen vor Social Media, als man sich mit Gleichgesinnten an der Hostel-Bar getroffen hat. Einfach und unkompliziert. Nostalgie kommt auf. Einer erzählt, dass sie heute den Piz Grialetsch versucht hätten zu besteigen. Leider seien die Schneeverhältnisse nicht gut gewesen und sie sind wieder zurück zur Hütte abgestiegen. Vielleicht haben wir morgen mehr Glück. Die Bedingungen im Frühling wechseln stetig. Frühzeitig gehen wir nach dem Abendessen ins Bett. Ein letzter Blick aus dem Fenster: Das Abendlicht verfärbt die Berggipfel violett.

«Der fehlende Handyempfang auf der Grialetschhütte fühlt sich an wie eine Zeitreise. Genau so, wie Reisen früher war ohne Social Media. Es tut so gut.» Franz Thomas Balmer, Autor

Mit Stirnlampen aufgesetzt, verlassen wir am nächsten Morgen als erste Gruppe die Hütte und steigen den Hügel hoch. Der Weg führt uns zum Grialetschgletscher. Der erste Hauch einer Hochtour wird jetzt spürbar: Adi der Bergführer erklärt uns, wie man einen 8er-Knoten bindet und seilt uns an. Sicher ist sicher. Es geht direkt und weiterhin steil zu einem kleinen Übergang unmittelbar unterhalb des Piz Grialetsch. Den Gipfel umrundet wir um 90 Grad nach Norden, steigen auf eine Schulter hoch und deponieren dort unsere Skier.

Höchste Konzentration bis zum Gipfelglück

Mit Pickel und Steigeisen kraxeln wir durch die abschüssige Südflanke des Piz Grialetsch. Klack. Klack. Die Steigeisen halten zuverlässig im Schnee, wir gewinnen schrittweise an Höhe. Die Route führt nun über einen schmalen Grat. Jetzt nur nicht nach unten schauen. Ich spüre, wie meine Hände feucht werden. Meine Finger klammern sich fest an den Eispickel. Einatmen. Vorsichtig setzte ich einen Fuß vor den anderen. Konzentration. Nur noch wenige Meter. Geschafft! Wir stehen auf dem Gipfel auf 3131 m ü. M. Langsam drehe ich meinen Kopf zur Seite, was für eine Aussicht auf die umliegende Gletscherwelt von hier oben: im Norden der steile Scalettagletscher, im Osten der Vadret da Grialetsch und im Süden der Vadret Vallorgia. Herzklopfen. Es sind wohl genau solche Momente im Leben, in denen das Glück zum Greifen nah ist.

«Was für eine Aussicht: im Norden der steile Scalettagletscher, im Osten der Vadret da Grialetsch und im Süden der Vadret Vallorgia. Herzklopfen.» Franz Thomas Balmer, Autor

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Eine Traumabfahrt bis zurück nach Dürrboden

Das Glück bleibt uns auch später bei der Abfahrt treu: Die Verhältnisse sind großartig und der Schnee ist größtenteils noch unverspurt. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen. Schnell Abfellen und los geht’s. Der Schnee fühlt sich noch besser an als erhofft – oben Pulver und weiter unten Sulz. Eine regelrechte Traumabfahrt bis zurück nach Dürrboden. Von hier aus ist wieder Muskelkraft gefragt. In gekonnter Dario-Cologna-Manier stöckeln wir uns mit den Skiern zurück über die Fläche bis nach Teufi. Keine einfache Angelegenheit. Die Frühlingssonne brennt erbarmungslos nieder, der Schweiß rinnt. Gedanklich stellen wir uns vor, wie so eine Abkühlung im Fluss neben uns guttun würde. Nach rund 40 Minuten kommen wir wieder in Teufi an. Dort, wo wir unser Abenteuer am Tag zuvor gestartet haben. Was bleibt, ist die Erinnerung ans Gipfelglück, an den Weg durch einsame Landschaften, die unvergessliche Hüttenstimmung und die berauschende Abfahrt am Schluss. Der Zauber des Skiskihochtourens.

Nützliche Informationen

Etappe 1: Teufi – Grialetschhütte SAC

- Schwierigkeit: L (leichte Skitour)
- Höhenmeter: 850 Hm
- Dauer: 4 h

Die Tour startet im Seitental Dischma bei Teufi (1700 m) und führt auf der geräumten Strasse taleinwärts bis zum Parkplatz kurz nach «Gulerigen Hus». Weiter geht’s auf dem Alpweg bis Dürrboden auf 2004 m ü. M. Danach über den Talboden bis zur Furggabach-Einmündung. Durch die Mulde gegen Osten hinauf via Furggasee zur Fuorcla da Grialetsch (2536 m) und nach Südost über kupiertes, felsiges Gelände bis zur Hütte.

Hinweis: Bei Nebel ist der Weg durch das unübersichtliche Gelände nicht einfach zu finden.

Etappe 2: Grialetschhütte SAC – Piz Grialetsch – Dürrboden – Teufi

- Schwierigkeit: ZS (ziemlich schwierige Skitour)
- Höhenmeter: 600 Hm
- Dauer: 3 h 

Von der Grialetschhütte (2540 m) führt die Route Richtung Chilbiritzenspitze auf eine Moränenterrasse auf die Schulter (3020 m) südlich des Piz Grialetsch hinauf. Weiter über die Südflanke so hoch wie möglich mit Skieren. Skidepot. Zu Fuss hinauf bis zum Gipfel des Piz Grialetsch (3130 m). Lange, lohnenswerte Abfahrt zurück ins Dischma. Nordseitig, mehrere Varianten möglich je nach Schneeverhältnissen.

Hinweis: Diese Route führt über einen Gletscher, deshalb ist zur Sicherheit neben der Skitourenausrüstung hier auch eine Gletscherausrüstung nötig.

Anreise
Gut erreichbar mit em öffentlichen Verkehr: Zugfahrt nach Davos Dorf, danach Busfahrt vom Bahnhof Davos Dorf nach Teufi.

Benötigte Ausrüstung

Komplette Skitourenausrüstung, Seidenschlafsack für Hüttenübernachtung, Steigeisen, Helm, Eispickel und Gletscherausrüstung

Übernachtung während der Hochtour

Grialetsch-Hütte SAC

Tel. +41 81 416 34 36, grialetsch.ch

Tipp: Unbedingt im Vorfeld Platz reservieren.

Restauranttipp nach der Tour

Start- und Endpunkt dieser Skihochtour ist das «Restaurant Teufi» im Dischmatal. Tipp: die hausgemachten Rösti mit Käse, Speck und Spiegelei.

Ausgewählte Ski-Hotels
Das «Ski-Hotel»-Siegel umfasst über 20 Unterkünfte in der Destination Davos Klosters, die sich gemeinsam für Skifahrer und Snowboarder einsetzen. Sie bieten attraktive Angebote mit Skipass. Zu den speziellen Serviceleistungen gehört unter anderem, dass Skipässe direkt an der Hotel-Rezeption erhältlich sind. Ideal für vor oder nach der Skihochtour.

Weitere Skitourentipps

Davos Klosters ist mit seinen Seitentälern und insbesondere dem Flüelapass sehr beliebt zum Skitouren von Dezember bis April. Für Skihochtouren ist die Frühlingszeit ideal. Detaillierte Tourenbeschriebe, Tipps, Guides und Mietmaterial: davos.ch/skitouren resp. klosters.ch/skitouren

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