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WetterBlog 10 2019/20 | Ist das jetzt der Klimawandel?

Die Sonne scheint. Ist der Klimawandel schuld?

von Lea Hartl 22.01.2020
Der WetterBlog hat in den letzten Tage öfter die Frage vernommen, ob man die aktuelle Wettermisere dem Kilmawandel anlasten kann. Der ist ja irgendwie an allem schuld und mittlerweile hat man auch öfter mal gelesen, dass er für mehr “extreme” oder auch einfach nur mehr persistente Wetterlagen sorgt. Was hat es damit also nochmal auf sich?

Die Basics

Im Winter bildet sich über dem Polargebiet der Polarwirbel. Der Polarwirbel ist ein thermisches Tiefdruckgebiet. Im Gegensatz zu den dynamischen Tiefs, die in unseren Breiten unterwegs sind, entsteht der Polarwirbel rein thermisch, also durch die Temperatur. Diese sinkt im Winter am Nordpol aufgrund der fehlenden Sonnenstrahlung rapide in den Keller. Kalte Luft ist dichter und damit schwerer als warme und sinkt nach unten. Im Winter fließt am Nordpol viel Luft aus höheren Schichten in Richtung Boden. Dadurch steigt der Luftdruck am Boden, während er in der Höhe sinkt. Es entsteht ein Höhentief, auch bekannt als Polarwirbel.

Der Polarwirbel dreht sich, wie alle anderen Tiefs auch, auf der Nordhalbkugel gegen den Uhrzeigersinn. Am Übergang zwischen den kalten, polaren Luftmassen im Norden und der milderen Luftmasse in den mittleren Breiten entsteht auf Grund der starken Druckunterschiede eine kräftige Höhenströmung, der sogenannte Jetstream.

Über der Arktis hat der Polarwirbel wegen der ungleichmäßigen Land/Wasser Verteilung häufig eine Struktur mit zwei oder mehr Zentren, die in einem losen Verbund herum wabern. Oft liegt ein Zentrum über Baffin Island und eins über Nordost Sibirien. Je näher die Druckzentren beieinander liegen, bzw. je runder der Polarwirbel ist, desto geradliniger, bzw. zonaler verläuft die West-Ost Strömung. Sind die Zentren weiter voneinander entfernt oder unregelmäßig verschoben, bilden sich ausgeprägte Wellen im Jetstream. Anstatt direkt von West nach Ost zu laufen, mäandriert und schlingert die Höhenströmung – man spricht auch von einer meridionalen Strömung.

Letztere Situation beinhaltet häufig Blocking Lagen, bei denen sich ein Keil oder ein Trog mehr oder weniger stationär irgendwo niederlässt und sich so schnell nicht wieder weg bewegt, da die treibende West-Ost Strömung fehlt.

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Was verändert sich?

Mit global steigenden Temperaturen, verändert sich das Meereis im Polarmeer. Es gibt immer weniger mehrjähriges Eis, das den Sommer übersteht und oft dauert es im Herbst je nach Gegend lang, bis sich die saisonale Meereisbedeckung ausbildet. „Meereis vorhanden – Ja oder nein?“ Ist eine Frage, die das lokale Wetter und Klima der betroffenen Küstenorte sehr, sehr stark beeinflusst und die auch auf regionaler und schlussendlich globaler Ebene extrem wichtig ist. Wenn Meerwasser nicht gefrorenen ist, hat es mindestens eine Temperatur von knapp über 0°C. Kälter wird’s einfach nicht. Wenn aus dem Wasser aber Eis wird, kann die Temperatur auf einmal sehr viel tiefer sinken.

Friert nun das Meer gar nicht, später als sonst, oder nicht überall zu, nimmt einerseits der großräumige Temperaturgradient zwischen den mittleren Breiten und der in Summe wärmeren Arktis ab, andererseits entstehen dadurch auch neue Temperaturmuster: Wo Wasser ist, bleibt es wärmer. Die Landmassen und die Meereisgebiete sind wie gehabt im Winter vergleichsweise viel kälter.

Wenn es nun also dort, wo der Polarwirbel im Winter liegt, nicht mehr überall gleichmäßig kalt wird, ergibt sich die Schlussfolgerung, dass auch der Polarwirbel neue Muster entwickeln könnte, und dass er insgesamt durch die in Summe geringeren Temperaturgradienten zwischen mittleren Breiten und Polargebiet schwächer wird.

Es gibt mittlerweile relativ starke Indizien dafür, dass sich die Position der üblichen Zentren des Polarwirbels verschiebt (siehe z.B. hier – wer nicht hinter die Bezahlschranke kommt, besuche die aus rechtlicher Sicht falsche, aus moralischer Sicht grundlegend richtige Plattform SciHub) und dass der Jet im Schnitt mehr mäandriert. Letzteres würde – in einer weiteren, naheliegenden Schlussfolgerung – dazu führen, dass es häufiger Blocking Lagen gibt, wie auch immer diese genau ausgeprägt sein mögen.

Ist also deswegen Klimawandel schuld am aktuellen Wetter?

Zusammenfassend: Das lässt sich nicht so einfach mit ja oder nein beantworten und wenn das jemand tut, ist es mit Vorsicht zu genießen. Wetterereignisse können symptomatisch für langfristige Änderungen im Klimasystem sein, müssen aber keineswegs.

Außerdem:

  • Nicht jede Blocking Lage ist ab jetzt vom Klimawandel gemacht! Der Klimawandel bedingt eine Verschiebung der statistischen Eintrittswahrscheinlichkeiten bestimmter Ereignisse, oder sorgt dafür, dass sie stärker werden, er erfindet die Ereignisse nicht grundlegend neu. Es ist nach wie vor extrem schwierig und oft auch schlicht nicht möglich, bestimmte Wetterereignisse direkt und kausal eindeutig dem Klimawandel zuzuordnen. Untersuchungen in diese Richtung werden immer besser und detaillierter, das ist aber nach wie vor ein sehr komplexes Thema und Gegenstand aktueller Forschung.
  • Komplizierte Fragen haben selten einfache Antworten. Man kann durchaus mit Berechtigung spekulieren, wie sich der Polarwirbel, die Position der winterlichen Polarfront und das Schlingern des Jetstreams langfristig entwickeln werden. Die Komplexität der Zusammenhänge und die diversen Unsicherheiten anzuerkennen, scheint jedoch wichtig, möchte man der Herausforderung Klimawandel in irgendeiner Form mit Lösungsansätzen gerecht werden. Gilt für diese speziellen Fragestellung und allgemein.
  • Die aktuelle Lage ist keine Blocking Lage im Sinne eines stark mäandrierenden Jetstreams. Im Gegenteil, die Strömung ist sogar ziemlich zonal. Dass die Polarfront derzeit vergleichsweise weit nördlich verläuft, heißt nicht, dass das ab jetzt immer so ist. Es ist auch momentan nicht überall auf der Welt so.

Das bringt uns zu:

Aktuelle Lage und Aussichten

Großräumig betrachtet, wird Tiefdruckentwicklung im NW Atlantik noch immer angefeuert durch die Zufuhr kalter Polarluft in der Davisstraße. Die Westdrift über dem Atlantik ist entsprechend kräftig. Wir bekommen das „Westwetter“ nicht in der mild-feuchten Berglandwinterversion zu spüren, weil die Frontalzone zu weit nördlich liegt. Der stürmische Berglandwinter mit warmem Matschwetter in tieferen Lagen findet derweil in Skandinavien statt.

Der Alpenraum liegt südlich vom Hauptgeschehen in einer Hochdruckbrücke, die sich zwischen der nördlichen Frontalzone und einem abgeschnittenen Tief über Spanien (was dort für viel Neuschnee und starken Sturm sorgt) erstreckt. Das Tief schaufelt in den Südwestalpen ein wenig feuchtere Luft heran und dort ist der Sonnenschein etwas getrübt, überall sonst ist es in der Höhe strahlend sonnig und mild, während die mittlerweile gewohnte Inversion in den Tälern hängt. Die Stadt Innsbruck bittet ihre Bewohner bereits, doch die Autos stehen zu lassen, da die Feinstaubbelastung in der Inversion mittlerweile sehr hoch ist.

Das Tief über Spanien wandert am Freitag voraussichtlich etwas nach Norden und wird dann in die Frontalzone eingegliedert. Am Wochenende zieht es in dieser Form über die Alpen und sorgt für Wolken und hier und da ein paar Regentropfen oder Schneeflocken. Ergiebiger Niederschlag ist nicht zu erwarten.

Weit entfernt in der Glaskugel gibt es derzeit die ein oder andere Idee, aus der antizyklonal geprägten Lage eine vom Prinzip her ähnliche, aber hierzulande zyklonalere Version zu machen (mild feucht statt mild trocken), aber das ist so weit weg, dass man momentan noch nicht wirklich drauf zu warten braucht.

Zum Schluss eine Leseempfehlung:Interview mit Marc Olefs von der ZAMG (der übrigens auch für die schönen SNOWGRID Karten hauptverantwortlich ist) zur Zukunft der Winter in den Alpen.

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