Zum Inhalt springen

Cookies 🍪

Diese Website verwendet Cookies, die Ihre Zustimmung brauchen.

Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung

This page is also available in English.

Zur Powderguide-Startseite Zur Powderguide-Startseite
Wetterblog

WetterBlog 7 2016/17 | Aussichten und Gletscherexkurs

Wir langweilen uns immer noch ein bisschen.

von Lea Hartl 13.12.2016
Wann kommt der große Wetterumschwung? Naja, keine Ahnung. Damit wäre das Wetterthema für diese Woche eigentlich abgehakt. Vorerst ändert sich nicht viel am langweiligen Hochdrucksumpf, der uns ja jetzt schon mehr als lang genug begleitet. Der WetterBlog widmet sich daher einem (subjektiv) interessanteren Thema: zwei riesigen Eislawinen, die im Sommer in Tibet abgegangen sind.

Aktuelle Lage und Aussichten

Na gut, schauen wir uns das halt doch etwas genauer an. Im Großen und Ganzen hat sich seit letzter Woche nichts getan. An der Druckverteilung in Europa haben sich nur Details verändert. Nach dem Kurzbesuch einer kleinen Kaltfront im Nordosten am Wochenanfang herrscht nun wieder eitel Sonnenschein, zumindest überall da, wo es nicht dauerneblig ist.

Bis einschließlich Wochenende wird das mehr oder weniger genau so bleiben. Dann deutet sich ein Abtropfprozess an, bei dem ein kleiner "Blob" vom großen Tief nach Süden "abtropft" und im Bereich der iberischen Halbinsel hängen bleibt. Damit sähe es schneemäßig in den Pyrenäen schon mal nicht mehr so schlecht aus. Ob, wie, wann und wo der "Blob" genau aktiv wird, ist noch sehr spekulativ. Ob und inwiefern das Ganze auch für die Südalpen relevant sein könnte, ist genauso spekulativ. Wer in den Ostalpen spekulieren möchte, kann sich einen derzeit teilweise simulierten Kaltlufttropfen aus dem Osten anschauen, der nächste Woche möglicherweise etwas nach Westen wandert und theoretisch für ein Anzuckern sorgen könnte, oder im Optimalfall weit genug retrograd wandert um mit dem Tief im Süden gemeinsame Sache zu machen.

Wetterblog
presented by

Ob man diese potentielle Entwicklung als großen Wetterumschwung (Änderung der großräumigen Druckverteilung, verschwinden des hartnäckigen Hochs in Mitteleuropa) bezeichnen möchte, sei dahingestellt. Was wir bräuchten, damit großräumig etwas passiert, wäre ein Verschieben der Frontalzone weiter nach Süden (dafür wäre vermutlich Eis im Europäischen Polarmeer hilfreich), beziehungsweise ein allmähliches Abdrängen des Hochs nach Osten. Bis dahin sind Mittelmeertiefs, gestützt von kalter Luft aus Osten, das höchste der denkbaren Gefühle. Gegen Ende der Mittelfrist sind sich die verschiedenen Modelle aktuell sehr uneinig, was mögliche weitere Entwicklungen angeht.

Der WetterBlog ist jedenfalls noch eher gelangweilt. In einem der einschlägigen Wetter-Foren hat es jemand so ausgedrückt: der Winter lauert nach wie vor in Sibirien und muss dann doch irgendwann mal kommen - also irgendwann, zwischen Weihnachten und vermutlich Weihnachten. Welche Weihnachten, dass lässt sich noch nicht genau sagen...

Mal was anderes.

Wir befassen uns daher kurz mit einem ganz anderen Thema: am 17. Juli 2016 ist ein Gletscher im Westen des Tibetischen Plateaus kollabiert. Das hatte eine riesige Eislawine zu Folge, der neun Hirten und Hunderte von Tieren im darunter liegenden Almgelände zum Opfer fielen. Die Gründe für dieses Ereignis sind noch immer unklar. Eislawinen dieser Art sind sehr selten. Es handelt sich hier nicht um Eislawinen im Sinne von abbrechenden Seracs, sondern um flache Gletscher (der betreffende war ganze 15° steil), bei denen große Teile plötzlich zusammenbrechen, abreißen und ins Tal rauschen.

Nach dem Tibet Ereignis wurden dementsprechend alle verfügbaren Satellitendaten analysiert, in der Hoffnung, Hinweise auf die Ursachen zu finden. Man stellte fest, dass der Gletscher vor dem Kollaps Charakteristiken eines „surge" Prozesses zeigte. Dabei nimmt die Fließgeschwindigkeit stark zu. Surge Gletscher sind in Tibet ansonsten selten und in Gegenden, wo sie häufiger sind, fallen sie deswegen auch nicht einfach in sich zusammen. Sugres treten außerdem in der Regel periodisch auf, im Wechsel mit langsameren Ruhephasen. Während der Analysen der Satellitendaten in den Wochen nach der Eislawine fiel jemand auf, dass auch ein benachbarter Gletscher rapide Veränderungen aufwies. Riesige Spalten waren aufgerissen, und zwar in einem ähnlichen Muster wie bei dem gerade kollabierten. Die europäischen Wissenschaftler informierten die chinesischen Kollegen. Nur wenige Stunden nach der Kontaktaufnahme kam von den Chinesen die Nachricht, dass gerade der zweite Gletscher kollabiert war. Bei der zweiten Lawine am 22. September kam glücklicherweise niemand zu Schaden, obwohl die Warnung erst nach dem Abgang der Eislawine bei den lokalen Behörden eingelangt war.

Zwei derartige Ereignisse in der gleichen Gegend so kurz hintereinander sind ein absolutes Novum. Entsprechend spannend gestaltet sich die Suche nach möglichen Erklärungen. In einem kürzlich erschienen Paper (pdf) vermuten chinesische Wissenschaftler, dass die bis dato als kalt (unter Null Grad, am Boden fest gefroren) geltenden Gletscher der Gegend sich in einer Übergangsphase hin zum polythermalen oder warmen (im Schnitt Null Grad, flüssiges Wasser zwischen Eis und Boden) Zustand befinden könnten. Sie vermuten weiter, dass der rasche Temperaturanstieg in der Region in den letzten Jahren sich auf die Eistemperatur ausgewirkt hat. In Kombination mit sehr niederschlagsreicher Witterung ergab sich eine markante Destabilisierung. Auch die europäischen Forscher vermuten aufgrund von Modellsimulationen, dass Wasser zwischen Eis und Boden eine entscheidende Rolle gespielt hat. Es liegt nahe, dass auch andere Gletscher der Gegend gefährdet sein könnte. Es gibt Bemühungen um internationale Kooperationen zur Entwicklung eines Frühwarnsystems.

Der WetterBlog findet das wie erwähnt gerade interessanter als das derzeitige Wetter und hofft, dass sich bis nächste Woche tatsächlich ein Umschwung irgendeiner Art manifestiert. 

Fotogalerie

Ähnliche Artikel

Kommentare

Wetterblog
presented by