Wir stehen in der Einreiseschlange vor einer verschleierten Zollbeamtin und wissen nicht, was uns erwartet. Und da ist noch etwas anderes, was uns Schweißperlen auf die Stirn treibt: In einer der Reisetaschen gluckert unser Gastgeschenk – und Alkohol ist in der Islamischen Republik Iran unter Strafe verboten. Warum haben wir da nicht früher dran gedacht? Bilder von Steinigungen und Auspeitschungen ziehen mir durch den Kopf, während ich mich langsam der Passkontrolle entgegen schiebe. Die Zöllnerin zwinkert mich freundlich an: "Welcome to Iran." Das war?s.
Teheran Airport. Der Flughafen ist nur spärlich beleuchtet. Im trüben, gelblichen Licht sind die plattenbauartigen Abfertigungsgebäude undeutlich zu erkennen. Am äußersten Rand des Flugfeldes heben sich die Silhouetten von Panzern gegen den Nachthimmel ab. In einigen Hangars schrauben Leute an Kampf-Jets herum. Der erste Eindruck ist bedrückend. Es scheint, als formiere sich dieses Land gegen eine Bedrohung von außen. Hoffentlich war es eine gute Entscheidung, ausgerechnet hierher zum Mountainbiken zu kommen…
Wir fahren durchs nächtliche Teheran zum Eram Grand Hotel, das für die nächsten Tage unsere Unterkunft sein wird. Ali, unser „persönlicher Transport Manager“, gibt uns einen Schnellkurs über Sitten und Gebräuche im Iran, während er uns sicher durch den Wahnsinn chauffiert, der sich „Straßenverkehr“ nennt.
„Freedom is forbidden – the forbidden is the freedom!“ meint er. Fast alles was Spaß macht sei hier offiziell verboten. Eine geheime Sittenpolizei wacht streng über die Einhaltung der Glaubensgesetze. Nur teilweise an der Uniform – sicher jedoch am schwarzen Kinnbart und dunklen Hemd erkennbar – sperrt diese Art Bürgerwehr der Sittenwächter öfter einfach mal die Straße und kontrolliert den Verkehr auf Alkohol und unverheiratete Paare.
„Die Kunst ist es“, so erklärt uns Ali, „sich seine Freiräume zu schaffen und im privaten Rahmen Spaß zu haben“. Und darin ist er ein großer Meister, wie wir noch erfahren sollen.
Umso erstaunlicher für uns, mit welcher Offenheit und Freundlichkeit wir überall empfangen werden, wo doch die Umstände eher eine Stimmung des Misstrauens vermuten lassen. Doch Gastfreundschaft steht hier an erster Stelle. Unsere iranischen Gastgeber Farid und Alineza haben für die Zeit unseres Aufenthaltes ein Programm vorbereitet, das keine Wünsche offen lässt: Eine Mischung aus Kultur, Stadtleben und Mountainbiken vom feinsten erwartet uns. In den nächsten zwei Wochen werden wir nicht zur Ruhe kommen.
Mount Damavand – höchster Berg Irans
Nach einem zuckersüßen Frühstück zu überlauten orientalischen Technobeats brechen wir mit unseren Guides Mohammad und Sharam zum Mount Damavand auf, dem höchsten Berg des Iran. Mit 5671 m ragt der markante Vulkankegel über die anderen, 4000 m hohen Gipfel des Elburs-Gebirges hinaus.
„Mal schauen, wie hoch wir kommen…“ lautet die Devise, als wir uns mit dem gesamten Gepäck inklusive Bikes, zu neunt in den Kleinbus quetschen. Zunächst schaffen wir es nur bis kurz hinter den Stadtrand von Teheran, wo der Motor abstirbt und sich partout nicht mehr starten lässt. Das fängt ja gut an!
Gelassen und ohne die gute Laune zu verlieren, drehen unsere Guides an ein paar öligen Schrauben herum und biegen ein paar Drähte zurecht und mit viel gutem Zureden auf Persisch, lässt sich der Motor wieder zum Anspringen überreden. Mit strahlendem Lachen dreht sich Mohammad zu uns um: „Probleme treten hier immer im Dreierpack auf. Das war das erste. Mal sehen, was die nächsten beiden sein werden…“ Inschallah“, denke ich nur – der meist benutzte Ausdruck in diesem Land, für alles was man nicht beeinflussen kann – „Allah wird’s schon richten!“
Aus der mehrspurigen Wüstenautobahn wird eine Landstraße, aus der Landstraße eine Schotterpiste, die sich zwischen atemberaubenden Tälern und Schluchten immer näher dem Bergriesen entgegen schlängelt. Direkt vor uns erhebt sich der Mount Damavand. Sein Gipfel ist in Wolken gehüllt. Als die Sonne hinter den Bergen versinkt sind wir auf fast 3000 m Höhe. Es wird schnell kalt. Und immer noch geht es weiter bergauf. Plötzlich riecht es verschmort und der Motor heult laut auf, bevor er erstirbt. Die dünne Luft und die Überladung waren wohl zuviel für unser Gefährt. Problem Nummer Zwei ist da. Ganz in der Ferne leuchtet die goldene Kuppel der Moschee in den letzten Sonnenstrahlen. Dort befindet sich auch unser Basislager für den weiteren Aufstieg, unser heutiges Ziel. Der sichelförmige Mond schiebt sich langsam über die schwarzen Bergketten, in der Ferne heulen Wölfe. In Sandalen und Stadtkleidung nehmen wir die letzten Kilometer unter die Füße. Problem Nummer Drei kündigt: Wie bekommen wir unser Gepäck ins Basislager?