Tonnenweise Curry-Powder in Kaschmir - Es ist kalt, wir fühlen den Jetlag und das Auto hat keine Heizung. Wir fahren vom Flughafen in Srinargar im Schneeregen nach Gulmarg und passieren bereits die fünfte Militärsperre. Der Verkehr in Kaschmir wird auch nach dem Bürgerkrieg von schwer bewaffneten Indischen Soldaten an allen strategisch wichtigen Punkten kontrolliert...
"Ah! Ski Gulmarg, very nice. Have fun"
Viele Armeestellungen säumen den Wegesrand, jedoch weichen die grimmigen Blicke der Soldaten einem Lächeln sobald sie unsere Boards auf dem Autodach entdecken. Die alte Schnur hält die Bretter auf dem wackligen Dachständer. Am Fuß der Passstraße nach Gulmarg wechseln wir das Fahrzeug. Von hier steigen wir in einen Jeep mit Schneeketten durch tief verschneite Wälder und schon kommt der Pass näher. Es ist kalt, klirrend kalt und es schneit weiter. Auch diesem Auto fehlt die Heizung, ja sogar eine vernünftige Lüftung: wir frieren weiter bei offenen Fenstern. Dafür beschallt uns das bestens funktionierende Radio mit lauter indischer Musik. Der Fahrer, dem anscheinend gar nicht kalt ist, trägt Turnschuhe, eine dünne Stoffhose und einen Pheran (landestypischer Umhang der von allen männlichen Kaschmires getragen wird). Er nimmt eine Zigarette aus der Schachtel, schiebt sie kurz unter seinen Mantel und zieht sie angezündet wieder raus. Wie kann er bloß während der Fahrt mit einer Hand seine Zigarette unter dem Pheran anzünden? Verwundert stellen wir fest, dass er unter seinem Umhang einen Kangri (getöpferter Handofen gefüllt mit glühenden Kohlen) trägt. Jetzt ist auch klar wieso es im Auto nach Feuer und Kohle riecht. Am Wegesrand stehen überall Männer im Pheran gekleidet und haben die Hände unter dem Umhang, die alle ihre mobile Heizung, den Kangri tragen. Ohne Daunenjacke und Funktionsbekleidung ist das bei der Kälte und dem Schnee die beste Möglichkeit nicht zu frieren.
Schnee hat es nun genug, sogar mehr als genug: Eine Woche zuvor wollten wir unseren Trip hierher noch absagen, da die weiße Pracht fehlte. Zum Glück meldeten plötzlich alle Wetterberichte für die Region: "Heavy Snow"! Der Ausdruck "Heavy Snow" in Gulmarg bedeutet eine meterdicke Schneedecke die die Landschaft einhüllt. In der Tat fielen drei Meter Schnee in einer Woche?
Curry-Powder ohne Ende…
In Gulmarg, das auf 2600 m auf einer Hochebene im tief verschneiten Fichtenwald liegt, quartieren wir uns in einem Guesthouse ein. Unser eigentlich gemütliches Zimmer ist kalt, eine Fensterisolierung ist nicht vorhanden und die Heizung passt sich momentan den Außentemperaturen an. Aber im kalten Bad gibt es wenigstens heißes Wasser. Das was aus dem Hahn fließt ist fast kochend. Jetzt schnell duschen, um warm zu werden! Doch ich stehe lange frierend da und versuche aus dem zu heißen Wasser einen angenehmen warmen Wasserstrahl zu bekommen. Als ich gerade eingeseift bin, ist das Wasser auf einmal ganz weg und ich reibe mit dem nicht ganz frischen Handtuch den Schaum wieder ab und schlüpfe schnell in meine dicke Daunenjacke, da ich ja keinen Kangri habe. Müde, frierend und hungrig gehen wir in den Essensraum. Hier ist es ebenfalls nicht geheizt, da niemand den Ofen angezündet hat. Zunächst bekommen wie erst mal einen Kaschmiri Kawa Tee (Kardamon, Zimt, Safran, Mandeln, Ingwer) gereicht und er wärmt uns von innen. Das anschließende, leckere indische Essen und der Blick aus dem Fenster auf die frischen Schneemassen und dem klaren Sternenhimmel hebt unsere Stimmung und Freude auf dem nächsten Tag ins ungeahnte.
Mitten in der Nacht springt die Heizung auf einmal an und innerhalb kurzer Zeit wird es tropisch heiß. Die Heizung ist nicht zu regulieren oder auszugeschalten.
Die Sonne strahlt wieder
Halb acht, die Sonne strahlt durch den verschneiten Wald, durch unser Fenster und lässt uns hoch motiviert den Tag starten. Heute ist der erste schöne Tag nach einer Woche Schneefall und die Gondel hoch zum Mt. Aphawart war die ganze Zeit geschlossen.Gulmarg war vor dem Bürgerkrieg in Kaschmir ein beliebtes Feriengebiet der Inder. Sie wurden im Sommer von dem angenehmen Bergklima und der Landschaft angezogen. Auch im Winter gab es hier Skilifte, aber eher für Anfänger. Anfang der 1990er Jahre wurde mit französischer Hilfe der Bau einer neuen Gondel angefangen. Das Projekt wurde aber aufgrund der Unruhen gestoppt und erst im Jahr 2004 fertig gestellt. Das Skigebiet Gulmarg gehört sicher zu den abenteuerlichsten Gebieten der Welt. Die neue Gondel führt auf den 3950 m hohen Bergrücken des Mt. Aphawart (Gipfel: 4200 m) und fasziniert seit dem die internationale Freeride-Szene.