Das Blau des Bahnhofs ist die einzige freundliche Farbe unseres Zielortes. Apatity wurde wegen dem Vorkommen von "Apatit" gegründet, ein seltenes Mineral, das für Düngemittel gebraucht wird. Und so sieht es hier auch aus...
...Die Stadt ist grau und trostlos. Plattenbau zwischen verwahrlosten, rauchenden Schloten. Die bunten Gruppen von Wintersportlern, die hier aus dem Zug purzeln, wirken wie Fremdkörper aus einer anderen, fröhlicheren Welt. Valodja und Dimitri, unsere Guides aus Kirovsk, erwarten uns bereits. Nach kurzer, freundlicher Begrüßung und einem skeptischen Blick auf unsere Ausrüstungsberge teilt uns Valodja mit: „Much snow in the mountains – serious avalanche danger now!“ Da sind wir gespannt, wie es vor Ort aussieht. Mit dem Kleinbus jagen wir im Eiltempo über verschneite Straßen nach Kirovsk. Der Ort empfängt uns mit unverputzten Plattenbauten und mit seinem ganz eigenen Charme. Das Flair ist von dem eines Wintersport-Orts weit entfernt. Snowboarden im Industriegebiet trifft es am Besten. Das unglaublich Schöne aber ist: Es ragen dick mit Schnee bedeckte Bergflanken rings um den Ort herum in den Himmel. Der Ort liegt nur auf 300 m Höhe und die höchsten Gipfel ragen fast 1200 m auf. Das bedeutet Abfahrtsmöglichkeiten von 900 m und mehr. Von leichten Genussabfahrten auf den breiten, sanften Rücken, über kupiertes Gelände mit kleinen Sprüngen und Wechten zum Spielen, bis zu wirklich schroffen Big-Mountain-Lines durch Rinnen und Steilflanken, scheint alles möglich zu sein.
Unser erster Snowboard-Tag begrüßt uns mit strahlendem Sonnenschein. Heute wollen wir an den Liften von Kirovsk fahren, um uns zu akklimatisieren und einen Eindruck vom Gelände und der Schneesituation zu bekommen. Es gibt hier drei kleine Skigebiete um den Ort herum, mit jeweils zwei bis drei altertümlichen Schlepp- und Sesselliften. Pistenpflege gibt es mangels Pistenraupen keine, sodass sich die Abfahrten den Gegebenheiten der Berge anpassen. Das sportliche Niveau der vielen Wintersportler ist erstaunlich hoch und selbst ohne gewalzte Pisten schwingen und carven sie zügig die Berge hinunter. Um da mitmachen zu können, brauchen wir Liftkarten. Dazu müssen wir uns niederknien - das machen hier alle so! Der Ticketschalter ist so niedrig ist, dass man in die Hocke gehen muss, um hineinschauen zu können, denn er besteht aus einem ausgemusterten, umgebauten Spielhallenautomat.
Auch die Liftfahrt ist abenteuerlich: Am alten Schlepplift entscheidet sich erst beim Einstieg, ob man einen T-Bügel erwischt und zu zweit liften kann, oder nur einen Teller, wie man sie von alten französischen und italienischen Liften kennt, oder ob der Bügel ganz fehlt. Der steile Weg nach oben ist ein Balanceakt, da es keine präparierte Liftspur gibt. Kurz vor dem Ausstieg muss man noch ein Feld aus kniehohen Windgangeln meistern.