In den Iran zum Snowboarden?¿ Mit Zweifel und Kopfschütteln werden wir von unseren Freunden angesehen, als wir von unserem Vorhaben erzählen. Wo soll man denn dort Snowboarden können? Gibt es da nicht nur Wüste und Krieg? Und wenn, ist es bestimmt eine Tour für Leute, die mit dem Leben abgeschlossen haben. Doch wir haben genau das Gegenteil erlebt?
Iran ist ein Land in dem die weißen Riesen bis auf über 5600 Meter aufragen. Ein Land, in dem es, so sagt man, nachts schneit und in dem tagsüber die Sonne auf die Pulverhänge scheint.
Unser Nirwana inmitten von schier unendlichen Wüsten.
Seit unserer Ankunft sind unsere Tage bis zur letzten Minute durchgeplant. Wir werden von einem Ort zum nächsten chauffiert und wie Könige behandelt.
Dazu gehört, dass wir nur in den besten Hotels schlafen, in tollen Restaurants speisen und den feinsten Tabak rauchen. Unser Gastgeber heißt Farid, der iranische Generalimporteur für Fanatic Snowboards, Sportshop- und Skischulbesitzer und ein herzensguter Mensch.
Sein bester Freund ist der zwei Köpfe größere Afschin und ein wahrer Mann von Welt. Afschin spricht fließend Englisch, arbeitet als Journalist für ABC und ist ebenso herzlich wie Farid. In den nächsten Tagen ist er unser Ansprechpartner und organisiert alle Ausflüge, Hotels und Meetings. Dank ihnen und ihrer einzigartigen Gastfreundschaft erleben wir zwei wundervolle Wochen in ihrem Persien.
Gleich nach unserer Ankunft in Teheran
holt uns Farids junge Kollegin Roxanna vom Hotel ab und führt uns durch die Stadt. Dort zeigt sie uns alle sehenswerten Plätze und begleitet uns in alte Teehäuser.
Nach dem, was wir aus Reiseführern und Erzählungen wissen scheint es im Iran eigentlich unmöglich, dass fünf Jungs alleine mit einer Frau unterwegs sind. Doch die Wirklichkeit sieht wie immer etwas anders aus.
Nachts werden wir von unseren Gastgebern auf eine Privatparty in einer Nobelwohnung eingeladen, wo wir zwischen goldenen Statuen, feinen Perserteppichen und Spiegelwänden den Abend mit kulinarischen Leckereien verbringen und Wodka aus Wasserflaschen trinken.
Wodka aus Wasserflaschen? Ist eigentlich einleuchtend. Im Iran herrscht schließlich ein “offizielles“ Alkoholverbot. Obwohl wir ziemlich müde sind und dem Jetlag erliegen wird die Party zu unseren Ehren bis in den frühen morgen exzessiv fortgesetzt. Bis dahin können wir auch noch nicht im Geringsten ahnen, was in Persien “Gast sein“ bedeutet und dass für uns noch einige weitere Nächte durchgefeiert werden.
Teheran ist die Hauptstadt Irans, beherbergt ca. 17 Mio. Menschen, ist tagsüber hektisch und nachts wie ausgestorben. Die fünf Millionen Fahrzeuge verstopfen den Straßenverkehr, was einen geregelten Verkehrsfluss praktisch unmöglich macht. Keiner hält sich an irgendwelche Verkehrsregeln. An der Kreuzung stehen bleiben wegen einer roten Ampel? Interessiert hier niemanden. Für uns ist es unverständlich wie diese „Anarchie im Straßenverkehr“ funktioniert. Die einzige Regel, die wir erkennen können ist pures „Survival of the Fittest“: Freie Fahrt für die schnellsten Autos bzw. die radikalsten Fahrer.
Wir sind seit zwei Tagen
in der Stadt, haben das Glitzern und Funkeln eines Bazars gesehen, den Lärm und die Abgase der Autos in uns aufgenommen und sitzen nun in einem alten, rostigen Bus. Draußen regnet es in Strömen und es ist empfindlich kalt. Bei der Ankunft hatten wir noch warmes Frühlingswetter, doch heute Morgen lag sogar etwas Schnee in der Stadt.
Die Reise geht nach Isfahan, einem Ort, an dem Kirchen neben Moscheen stehen, wo man in Teehäusern Wasserpfeifen raucht und die Tauben ihre eigenen Schlösser haben.
Acht Stunden sind wir durch die Wüste gegondelt. Es war bitter kalt im Bus und zu sehen gab es bloß tief schwarze Nacht. Das Hotel in dem wir einchecken, sieht aus wie aus „Tausend und einer Nacht“ – Gold funkelt von den Decken, an denen Kronleuchter hängen, die so groß sind wie Kleinwagen. Wir fühlen uns in dem ganzen Prunk wie in einer anderen Welt. Am nächsten morgen gibt’s ein echt persisches Frühstück, mit Fladenbrot, Joghurt, Tomaten, Gurken und Eiern. Das Hotel in dem wir übernachten, ist einige hundert Jahre alt. Im Innenhof, der früher Kamelen als Schlafplatz diente, blühen heute Blumen, Palmen spenden Schatten und aus den Brunnen fließt kühles Wasser. Eine kleine Oase in der großen Wüstenstadt, die für ihre erstklassigen Perserteppiche und ihre Jahrhunderte alte Teehäuser bekannt ist.
Arc'teryx und Mammut sei Dank erkennt jeder Händler am Bazar auf den ersten Blick, dass mit uns wohl gutes Geld zu machen ist. Man demonstriert uns, wie Tischtücher von Hand bedruckt werden und wie Teppiche Knopf für Knopf entstehen. Einer der von uns kauft einen Nomadenteppich zu einem Preis, bei dem sich sogar der Händler das Lachen nicht mehr verkneifen kann. Bei Tee, werden das gute Geschäft und die neue Freundschaft begossen. Nachdem sich jeder von uns einmal über den Tisch ziehen hat lassen, führt uns unserer Fahrer zu einer riesigen Moschee: Ihre bunten Kuppeln und Türme ragen weit über die Dächer der Stadt hinaus.
Eine Touristengruppe lässt sich von ihrem Reiseleiter ein Gebet vorsingen.
Das riesige Gewölbe nimmt das Lied in sich auf und schickt es mit vielfacher Lautstärke gen Himmel. Wahrlich ein guter Ort, um Göttern Danke zu sagen.
Ein Teehaus und zwei Moscheen später,
übermannt uns langsam der Wunsch endlich in die Berge zu kommen. In uns steigt die Sehnsucht nach Schnee und nach körperlicher Betätigung. Aber wir befinden uns immer noch mitten in der Wüste. Eine Lawine hat die Straße zum Skigebiet verschüttet und wir kommen kaum weiter.Von jeder Wasserflasche lacht uns der Mount Damawand entgegen. Er ist der höchste Berg des Iran – und wir hören seinen Ruf immer lauter. Es ist Zeit der Wüste den Rücken zu kehren und in Richtung Berge zu ziehen.Doch wir müssen uns noch gedulden, zwei weitere Tage durch die Wüstenstädte pilgern und unsere Bäuche mit Reis, Gemüse und Lammfleisch füllen, unzählige Teehäuser aufsuchen und noch einige Wasserpfeifen rauchen.
Nach einer weiteren langen Fahrt
durch Nacht und Wüste, erreichen wir endlich das 2600 Meter hoch gelegene Dorf Dizin. Obwohl wir alle sehr müde sind, sind wir glücklich, denn wir haben das erste Mal seit einer Woche wieder Schnee unter unseren Füssen. Die Nacht ist klar und kalt, Sterne funkeln am Himmel und die schneebedeckten Berge leuchten hell im Mondlicht.Am nächsten Morgen herrscht wider Erwarten schlechtes Wetter. Eigentlich war geplant um neun Uhr am Lift zu sein, doch als wir zum Fenster raus schauen, fällt das weiße Gold immer noch vom Himmel. Endlich mal ein Grund auszuschlafen.Dicker Nebel bedeckt immer noch die Bergwelt rund um Dizin, als uns Mosayeb, ein iranischer Fanatic-Teamfahrer, um 13 Uhr abholt, um doch noch ein bisschen Boarden zu gehen.
Wir packen unsere Boards und unsere Lawinenausrüstung
und stehen drei Minuten später an der Talstation. Jetzt wollen endlich mit eigenen Augen sehen, ob hier tatsächlich Frauen und Männer einen getrennten Eingang an der Liftstation haben oder ob das nur ein Gerücht ist. In der Tat gibt es separate Eingänge für jedes Geschlecht! Der Fraueneingang ist aber mit einem Drahtseil zugebunden und als wir nachfragen werden wir nur belächelt und uns wird erklärt, dass Frauen und Männer heute zusammen Lift fahren dürfen. Denn seit ca. vier Jahren kümmert sich darum niemand mehr und die so genannten „Sittenwächter“ kommen eh nicht bis ins Skigebiet, da bei den „ungläubigen“ Wintersportlern sowieso alles „zu spät ist“! Daher sind die Pisten der einzige öffentliche Ort im Iran wo Frauen ohne Kopfbedeckung zu sehen sind und auch ziemlich bedenkenlos mit Männern flirrten können.
Die Kabinen der vierer Gondelbahnen sind teilweise fensterlos oder notbedürftig mit Drähten zusammengeflickt. Außer uns und dem Liftpersonal scheint kein Mensch auf dem Berg zu sein und der Schnee der letzten Tage liegt immer noch unberührt in den Hängen. Wir vergnügen uns einige Stunden im frischen Pulver und abends gibt’s wieder Lammfleisch mit Reis, eine Wasserpfeifen und einige gute Diskussionen.
Am nächsten Morgen weckt uns Renilla mit breitem Grinsen im Gesicht „ Servus, schönes Wetter“, meint er in breitestem Tiroler Slang. Und er hat Recht – endlich ist der Himmel blau.
Hektik bricht aus: Wir wollen schnellstmöglich auf den Berg,
ziehen uns warm an, füllen unsere Rucksäcke mit Essen und Getränken und eilen zum Lift. Es ist kaum zu fassen, aber trotz dem schönen Wetter sind wir wieder die einzigen an der Talstation. Die erste Gondelbahn bringt uns auf 3500 Meter hoch. Genug Zeit um die Landschaft und unsere ersten Lines zu checken. Wir schnallen unsere Boards an und shredden zur nächsten Gondel runter. Immer noch kein Mensch zu sehen. Also rein in die Bahn und dann hoch auf 3800 m.
Die Schneekristalle glitzern im Sonnenlicht und wir entscheiden uns bis zum Gipfel aufzusteigen. Nach 20 Minuten stehen wir zum ersten Mal ganz oben auf einem Berg, im Wüstenland Iran. Das Panorama, das sich uns bietet, ist überwältigend.
Wir stehen in mitten riesiger weißer Flächen, von denen die meisten wohl noch nie zuvor befahren wurden. Über den ganzen Viertausendern wacht der mit 5671 m mächtige Gipfel des Elbrus Gebirges, der Mount Damavand. Er zieht uns magisch in seien Bann und uns ist klar, dass dieser Berg das Ziel unserer Reise sein könnte, der Gipfel von dem wir alle geträumt haben. Wir stehen noch einige Minuten da und genießen die Stille.
Der Tag ist noch jung, und der Schnee noch frisch,
wir steigen auf unsere Boards und fahren singend und kreischend Richtung Tal. An diesem Tag müssen wir keine Lines suchen, wir müssen sie nur fahren. 1000 Lines, 1000 Möglichkeiten, wo fangen wir nur an? Jeder bekommt sein ganz persönliches Couloir and kann es für sich allein zerpflügen! Glücklich und zufrieden sitzen wir abends wieder zusammen trinken Tee und rauchen Pfeife.