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Abenteuer & Reisen

TripReport Cordillera Blanca | 6.000er in Peru mit dem Snowboard – Teil I

Erlebnisbericht einer etwas anderen Skitourenreise

14.10.2025
Malte Hangler-Schulz
Bei der Suche nach geeigneten Zielen für einen Skitourenurlaub wird man Peru vermutlich nicht so schnell in Betracht ziehen. Und doch liegen in der Cordillera Blanca, in relativer Nähe zum Äquator, die größten tropischen Gletscherflächen weltweit. Unser Ziel ist es, einige der beeindruckenden Fünf- und Sechstausender „by fair means“ (ohne Guides und Träger) zu besteigen und abzufahren. Es folgt ein Erlebnisbericht über lange Zustiege, schwere Rucksäcke, dünne Höhenluft, imposante Gletscher und den Genuss von Skitouren in kompletter Einsamkeit und unberührter Natur!

Skitouren in Peru?

Die Alpen bieten eigentlich alles: guten Schnee, komfortable Unterkünfte und Hütten, einfache Erreichbarkeit, eine hohe Informationsdichte (Messstationen, Lawinenlagebericht etc.) und vieles mehr. All das findet sich in Peru nicht – und genau das macht den Reiz aus! Wir wollen uns nicht auf die Suche nach den längsten Pulverschneeabfahrten mit dem kürzesten Aufstieg machen, sondern ein kleines Abenteuer erleben, bei dem das Gesamterlebnis im Vordergrund steht!

Die Idee dazu entstand 2023 bei einer Trekking- und Bergsteigertour durch die Cordillera Blanca. Die imposanten Eiswände, die wenig frequentierten Gipfel, die einfache Logistik vor Ort (es gibt keine Permit- oder Guidepflicht und die Organisation von Eseln für den Gepäcktransport ist preiswert und unkompliziert) und das stabile Wetter in der Trockenzeit machten Lust, noch einmal mit dem Snowboard wiederzukommen.

Zeitraum und Planung

Aufgrund der geografischen Lage in den Tropen gibt es in der Cordillera Blanca nicht vier, sondern nur zwei Jahreszeiten: Die Trockenzeit dauert von ca. Mitte Mai bis September, die Regenzeit von Oktober bis April. In diesem Zeitraum fallen ca. 90 % des jährlichen Niederschlags. Für Unternehmungen im Gebirge empfiehlt sich definitiv die Trockenzeit.

Für Skitouren ist der optimale Zeitraum noch etwas kürzer, da sich nach einer zu langen Zeit ohne Schneefall in fast allen Expositionen (ausgenommen südseitig) Büßerschnee bzw. -eis bildet, der keinen Abfahrtsgenuss mehr bietet. Daher ist für Skitouren der Beginn der Trockenzeit am besten geeignet (ca. Mitte Mai bis Anfang Juli).

Weitere Planung – Organisation, Logistik, Gipfelziele, Vorbereitung

Das benötigte Material sollte von zu Hause mitgenommen werden, vor allem in Bezug auf Skiequipment. Zum Bergsteigen findet sich auch alles an Leihausrüstung in diversen Agenturen in Huaraz, allerdings größtenteils in stark abgenutztem und veraltetem Zustand. Essentielle Ausrüstung wie Ski und Schuhe, Zelt und Schlafsack sollte unbedingt selbst mitgebracht werden. Die Logistik und Organisation der Touren ist aufgrund der fehlenden Guide- und Permitpflicht sowie der relativ leichten Erreichbarkeit der Ausgangspunkte unkompliziert vor Ort machbar.

Die Startpunkte sind fast alle in 1,5 bis 4 Stunden Fahrt von Huaraz aus erreichbar. Transport und Arriero (Esel-Führer) können in Huaraz vor Ort organisiert werden (Empfehlung: Agentur „Andean Kingdom”). Wir haben bewusst auf alles Weitere verzichtet, da wir unsere Touren unabhängig und selbstständig planen und durchführen wollten. Wer etwas mehr Komfort möchte, kann sich auch einen Guide, Träger und Koch organisieren.

Die Planung der Gipfel, die abfahrtstaugliches Gelände bieten, ist hingegen etwas schwieriger. Generell sind die Gletscher stark zerklüftet und die Steilwände sehr schnell sehr steil. In den Alpen ist dagegen so gut wie alles fahrbar, wo der Schnee kleben bleibt. In der Cordillera Blanca hält der Schnee auch bei einer Steilheit von 70 Grad.

Mithilfe einer Mischung aus selbst aufgenommenen Zoomfotos des vorherigen Trips, Kartenstudium auf Fatmap sowie dem Buch „The Andes: A Guide for Climbers and Skiers” von John Biggar kann eine ordentliche Vorauswahl möglicher Ziele getroffen werden. Dabei ist von vornherein klar, dass vieles von den Bedingungen abhängig ist. Einige Berge werden außerdem jedes Jahr von einer Handvoll Personen mit Ski befahren.

Unser Team

besteht aus Paul, Dominik und mir, Malte. Ein Skifahrer und zwei Splitboarder. Als abfahrtsorientierte Ski-Alpinisten mit Wohnort in und um Innsbruck lieben wir anspruchsvolle Touren und sind es durchaus gewöhnt, im Frühjahr längere Strecken mit den Skiern auf dem Rücken zurückzulegen.

Erlebnisbericht

Anreise & Akklimatisierung

Nach einer 36-stündigen Odyssee von Innsbruck sind wir in Huaraz auf 3.050 Metern angekommen. Die Anreise ist anstrengend, aber alles läuft reibungslos: Mit dem Flieger von München über Madrid nach Lima, einmal quer durch die Stadt und dann mit dem Bus in die Anden. Unser 31 Kilogramm schwerer Skibag wird am Schalter in München mit einem Schmunzeln und ohne Zusatzkosten akzeptiert. Die letzte Taxifahrt zum Hostel in Huaraz meistert unser Fahrer mit dem Skibag einfach ungesichert auf dem Autodach – Willkommen in Peru! Die Akklimatisierung starten wir direkt mit Pollo und Inca Kola, dem Nationalgetränk.

Dank des trockenen Wetters beginnen wir am folgenden Tag sofort mit Touren zur Akklimatisierung: Zuerst zur Laguna Wilcacocha (3.680 m) mit toller Aussicht auf die Cordillera Blanca, dann zur Laguna Churup (4.550 m). Da wir uns sehr gut fühlen und unsere Pulsoximeterwerte im grünen Bereich liegen, straffen wir unseren Plan und organisieren bereits am dritten Tag Transport und Esel für den ersten Skitrip.

 

1. Trip: Ishincatal – 6 Tage

Superpünktlich werden wir an der Unterkunft abgeholt und fahren teils über abenteuerliche Straßen Richtung Ishincatal. In Österreich hätte man bei diesen Straßenverhältnissen selbst das Fahrrad schieben müssen. Irgendwann ist aber auch für unseren sehr talentierten Fahrer Schluss und wir laden unser gesamtes Gepäck auf einer Wiese ab. Der Arriero (Eseltreiber) Luciano steht schon bereit und freut sich, dass er alle seine drei Esel einsetzen kann.

Wir verstehen, dass wir uns bereits auf den Weg Richtung Basecamp machen sollen, während Luciano noch das Gepäck an seinen Eseln festzurrt. Da er um die 60 Jahre alt ist und an den Füßen nur etwas zerfledderte Sandalen trägt, fragen wir uns, wie lange wir wohl am Basecamp auf ihn und unser Gepäck warten müssten. Auf halber Strecke rasen seine Esel allerdings schon an uns vorbei, Luciano direkt dahinter. Das Ishincatal ist recht lang, sehr idyllisch und verfügt am Talende über eine breite, flache Wiese. Dieser Platz bietet den perfekten Standort für unser Basislager.

Er liegt auf 4.300 m und bietet einige Tourenmöglichkeiten in der Umgebung, weshalb er sich außerdem sehr gut zum Akklimatisieren eignet. Auch wenn wir die Höhe bisher sehr gut vertragen und regelmäßig mit unserem Pulsoximeter den Sauerstoffgehalt messen, wollen wir es nicht übertreiben. Die Höhenkrankheit ist sehr ernst zu nehmen, und ehrlicherweise übersteigt unser Akklimatisierungsplan jegliche Lehrmeinung. Nach der ersten Nacht auf 4.300 m fühlen wir uns immer noch gut und unternehmen deshalb eine erste Tour mit leichtem Gepäck zu einem Pass auf knapp über 5.000 m. Die Westwand des Tocllaraju bietet eine atemberaubende Aussicht und die Nähe zum Schnee weckt Vorfreude auf den kommenden Tag!

Erster Skitag - Ishinca (5.530m)

Denn am fünften Tag unserer Reise steht der erste Snowboardtag an. Wir brechen in aller Frühe um 4 Uhr Richtung Ishinca auf. Der Zustieg bis zum Gletscher dauert ewig, die Nächte in der Cordillera Blanca sind lang und kalt und Moränenschutt ist kein angenehmes Zustiegsgelände. Dementsprechend freuen wir uns sehr, als wir am Gletscher ankommen und die ersten Sonnenstrahlen uns wärmen.

Ein paar Tage zuvor gab es etwas Neuschnee, sodass zumindest eine Abfahrt bis zum Gletscherrand möglich ist. Da die allgemeine Schneelage jedoch sehr dürftig ist, steigen wir am Seil auf. Über breite Gletscherhänge, durchzogen von riesigen Spalten, kommen wir dem Gipfel näher. Die letzten 100 Höhenmeter stapfen wir zu Fuß, die letzten 10 Höhenmeter geht es steil und über eine kleine Wechte zum Gipfel des 5.530 Meter hohen Ishinca.

In der Sonne genießen wir die herrliche Aussicht auf die Südwestwand des Palcaraju und gönnen uns einige Schlucke Inca Kola, das flüssige Gold. Gestärkt durch diesen Konsum, fahren wir direkt von oben über die Wechte rein – eine würdige Einfahrt vom ersten 5.000-Meter-Gipfel mit dem Snowboard! Die oberen Hänge mit südwestseitiger Ausrichtung bieten noch traumhaften Pulverschnee (Südhänge auf der Südhalbkugel entsprechen Nordhängen auf der Nordhalbkugel) und wir genießen jeden Schwung. Bei der Drehung des Geländes nach Nordwest geht der Pulverschnee direkt in den glattesten und besten Firn über, den es gibt. Der endlose Abstieg zurück ins Basislager ist kaum der Rede wert.

Eigentlich sollte der folgende Tag ein Ruhetag werden. Da sich unser Fitnesszustand am Morgen aber als zufriedenstellend herausstellt, packen wir unser ganzes Zeug zusammen und steuern für den Tocllaraju ein höheres Camp an. Das Moranencamp auf 5.100 m ist leider nicht mehr mit Eselsupport zu erreichen. So geht es mit schwerer Last auf den Schultern 3,5 Stunden steil bergauf. Falls ihr euch fragt, wie schwer der Rucksack ungefähr wird: 25 bis 30 kg pro Person dürften es auf jeden Fall gewesen sein (mein Board mit Bindung und Schuhen bringt leider schon 8 kg auf die Waage).

Etwas neidisch sind wir dann doch auf so manche Skicrew aus den Filmen, die sich das ganze Zeug von Portern bis zum Moränencamp tragen lassen und mit einem 2–3 kg schweren Rucksack gemütlich hochspazieren. Im Nachhinein sind wir aber natürlich umso stolzer, die Tour „by fair means” gemacht zu haben. Das Moränencamp liegt auf einer kleinen Kuppe direkt unter dem Rand des Seitenarms des Gletschers. Der Hauptarm verläuft darunter und bietet eine eindrucksvolle Kulisse. Den Sonnenuntergang sehen wir uns noch an, dann geht es aber auch schon in den kuschelig warmen Schlafsack.

Umkehr unter dem Gipfeleispilz des Tocllaraju (6.034m)

Nach kurzem und unruhigem Schlaf wird das Frühstück um 2 Uhr nachts mehr schlecht als recht hinuntergewürgt. Mit langsamen, aber stetigen Schritten geht es mehrere Stunden lang im Stockdunklen monoton dem Tocllaraju entgegen. Zum Sonnenaufgang erreichen wir die ersten steilen Seracaufschwünge, bei denen wir auf Steigeisen wechseln müssen. In zwei Seillängen überwinden wir diese Steilstufe, wobei die Eisgeräte bei zwischenzeitlich 70 Grad und griesigem Schnee kaum Halt finden. Das führt uns wieder vor Augen, weshalb wir mehr Schneeanker als Eisschrauben mitgenommen haben (letztere sind je nach Gelände größtenteils unbrauchbar!).

Die Höhenluft und die vergangenen Tage machen sich im oberen Teil immer mehr bemerkbar, sodass wir immer langsamer werden. Zeitstress haben wir zwar keinen, doch der harte Schnee wird mit der Zeit besser und der Pulverschnee bleibt pulvrig. Trotzdem entscheiden wir uns, auf 5.957 m umzudrehen und auf den Gipfel zu verzichten. Der ehemals gewaltige Gipfeleispilz des Tocllaraju ist ein paar Wochen vorher auseinandergebrochen. Neben angsteinflößenden Eisbrocken hat er eine große Felsflanke freigelegt, die sich im Aufstieg schlecht absichern lässt und zum Abfahren ebenso wenig geeignet wäre.

Aus Risiko-Nutzen-Gründen verzichten wir deshalb auf die letzten 77 hm zum Gipfel und tauschen die Steigeisen gegen Snowboard und Ski. Der Schnee ist eine Mischung aus hartem Schnee, Firn und etwas Pulver. Im Vergleich zum Abstieg zu Fuß ist die Abfahrt ein Traum. Auch wenn in so manchen Skifilmen erzählt wird, wie hart das Skifahren auf 6.000 m ist, ist der Aufstieg der harte Teil! Sobald man das Snowboard an die Füße geschnallt hat, hat man den schwersten Teil schon hinter sich und die Abfahrt läuft meist ganz von alleine.

Zur Vorsicht seilen wir die Steilstufe an zwei Schneeankern ab. Nach einem Slalom durch die Eisbrocken und einer Traverse unterhalb mächtiger Gletscherspalten genießen wir die letzten Schwünge im Pulverschnee, bevor die letzten 150 hm auf Blankeis zurückgelegt werden müssen. Doch getreu dem Motto „Besser schlecht gefahren als gut gelaufen“ fahren wir bis zum letzten Zentimeter des Gletschers ab. Und das auf bestem Blankeis-Firn! Um die Mittagszeit hat die starke Sonneneinstrahlung dafür gesorgt, dass das Blankeis an der Oberfläche leicht angetaut ist. Dadurch lässt es sich durchaus akzeptabel fahren.

Am Moränencamp wird das Zeug so schnell wie möglich wieder zusammengepackt und das heiß ersehnte Ziel in der Nähe des Basecamps, das Refugio Ishinca, angesteuert. Nach 2,5 Stunden Abstieg mit erneut wahnsinnig schweren Rucksäcken ist das Ziel erreicht. Es gibt erst einmal Unmengen an Pasta Bolognese, Pommes und Inca Kola. Etwas Luxus muss sein, und ab und zu ist es doch wieder schön, wenn eine Hütte in der Nähe ist!

Am letzten Tag geht es mit Unterstützung von Luciano und seinen Eseln gemütlich zurück aus dem Ishincatal. In diesem Zusammenhang muss positiv erwähnt werden, dass die Peruaner sehr pünktlich und freundlich sind! Sechs Tage vorher hatten wir mit unseren „tollen“ Spanischkenntnissen ausgemacht, dass wir gerne um 8 Uhr wieder abgeholt werden möchten. Überpünktlich steht er bereits eine Stunde vor der vereinbarten Zeit mit seinen drei Eseln bei uns am Zeltplatz. Mit leichtem Gepäck, deutlich besser akklimatisiert und bergab können wir sogar mit Luciano mithalten. Er freut sich, dass er mit uns „Gringos“ sogar etwas Spanisch reden kann. Zum Abschluss tauschen wir noch unsere Telefonnummern aus – auf ein Wiedersehen!

In Teil 2 erfahrt ihr, wie es nach kurzer Erholungszeit in Huaraz mit einem neuen Abenteuer weitergeht!

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